"Wir brauchen zeitgemäße Strukturen"

Gemeinsam würden Grieskirchen, Tollet, St. Georgen, Schlüßlberg und Pollham eine Stadt mit etwa 10.000 Einwohnern ergeben. | Foto: DORIS
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GRIESKIRCHEN. Der Grieskirchner Unternehmer Klaus Pöttinger fordert im BezirksRundschau-Interview die Zusammenlegung der Gemeinden Grieskirchen, Tollet, St. Georgen, Schlüßlberg und Pollham.

BEZIRKSRUNDSCHAU: Seit Jahren fordern Sie immer wieder die Zusammenlegung oberösterreichischer Gemeinden. Nun haben Sie sich mit Ihrem Heimatbezirk Grieskirchen näher beschäftigt. Wie lautet Ihr Vorschlag?
KLAUS PÖTTINGER: Die Steiermark hat mit der Fusion der Gemeinden bereits entschlossene Maßnahmen gesetzt. Ich frage mich, warum nicht das Trattnachtal auch ein Modellfall für eine erfolgreiche Umsetzung einer Gemeindezusammenlegung sein könnte. Die fünf Gemeinden Tollet, St. Georgen, Pollham, Schlüßlberg und Grieskirchen teilen sich einen Radius von fünf Kilometern Trattnachtal. Gemeinsam könnten sie eine Stadt mit mehr als 10.000 Einwohnern ergeben. Das ist ein Thema, das uns Bürger angeht.

Wie würde sich eine Zusammenlegung positiv auf die Bevölkerung auswirken?
Man muss wissen, dass eine durchschnittliche Familie mit zwei Kindern pro Jahr 10.000 Euro Steuern und Abgaben für die Finanzierung der Gemeindeaufgaben zahlen muss. Vorsichtige Schätzungen ergeben, dass durch Zusammenlegungen rund zehn Prozent davon eingespart werden könnten. Das bedeutet also eine Entlastung der Familien von 1000 Euro pro Jahr. Gleichzeitig führt die Gemeindefusion zu besseren Leistungen und längeren Öffnungszeiten im Amtshaus.

Gegner von Gemeindezusammenlegungen behaupten, dass das Vereinsleben unter einer Fusion leiden würde.
Vereine und Chöre halten sich schon lange nicht mehr an Gemeindegrenzen in unserem engmaschig vernetzten Siedlungsgebiet. Wissen Sie wie viele Grieskirchner in Schlüßlberg im Kirchenchor singen? Mir ist auch kein Fall bekannt, dass jemand aus Tollet nicht beim Fußballverein in Grieskirchen mitspielen darf. Ich kann nur von mir sprechen: Ich habe so viele Freunde in Tollet und St. Georgen – wir Bürger in diesem Fünf-Kilometer-Radius haben doch die gleichen Interessen. Uns trennen keine Konflikte. Wir sind alle Kinder des Trattnachtals.

Was ist Ihrer Meinung nach der erste Schritt für diesen Veränderungsprozess?
Ich sehe es als eine Aufgabe der Bürgermeister dieser Gemeinden, uns Bürgern die Frage vorzulegen, was wir in Zukunft von der Gemeinde brauchen. Gemeinsam müssen wir über Alternativen diskutieren, wie die genannten Leistungen künftig erbracht werden können. Eine Gemeinde ist kein Selbstzweck. Man soll auf Änderungen zugehen und nicht vor ihnen weglaufen. Wir sollten die Veränderungsprozesse langsam gestalten, so werden sie nicht erzwungen.

Fusionskritiker sagen, dass in größeren Einheiten das soziale Zusammenleben nicht mehr so gut funktioniert wie in kleinen Gemeinden. Wie beurteilen Sie diese Gefahr?
Bei 10.000 Einwohnern kann man noch nicht von einer größeren Einheit sprechen. Eine solche beginnt erst bei etwa 50.000 Einwohnern.

Als weiteres Gegenargument wird oft ein möglicher Identitätsverlust genannt.
Ich denke, dass es für unsere Identität völlig bedeutungslos ist, von wo der Kanalbescheid kommt. Statistisch gesehen geht jeder Bürger ein Mal pro Jahr auf das Gemeindeamt. Und was das Vereinsleben angeht: Gerade größere Gemeinden hätten die Möglichkeit, den Vereinen einen Ansprechpartner anzubieten, der ihnen bei der Vereinsarbeit hilft.

Kleine Gemeinden versuchen mit ihrer Überschaubarkeit zu punkten. So betonen Bürgermeister im ländlichen Raum etwa, dass die Kinderbetreuung in kleinen Kindergärten persönlicher sei als in größeren Einrichtungen. Wie beurteilen Sie dieses Argument?
Dass die Qualität in sehr kleinen Betreuungseinrichtungen besser ist als in größeren, ist nicht bewiesen. Abgesehen davon ist es klar, dass ein größerer Kindergarten einfacher und effizienter zu führen ist. Denn dann gibt es nur eine Leiterin und einen Spielplatz. Außerdem sprechen wir hier ohnehin nur von einem Raum in dem 2500 Familien leben. Die Firma Pöttinger hat 1500 Mitarbeiter. Wir empfinden uns nicht als zu groß und unpersönlich. Ganz im Gegenteil. Wir leben von Arbeitsteilung und davon, dass sich die Leute in ihren Aufgaben spezialisieren können und dabei gleichzeitig eine gemeinsame Infrastruktur nutzen.

Wie könnte sich die Fusion der genannten fünf Gemeinden Ihrer Meinung nach sonst noch positiv und merkbar für die Bürger auswirken?
Ich glaube, dass die Verkehrsprobleme im Trattnachtal nach einer Fusion effizient gelöst werden könnten. Bis jetzt hat man bei jedem Entwurf für eine Stadtumfahrung das Problem, dass man über fremdes Gemeindegebiet muss. Wenn das Trattnachtal in einer Hand wäre, könnte man es ganz anders beplanen. Zu kleinräumige Strukturen ergeben kleinkarierte Lösungen.
Wenn Peuerbach die Fusion mit Steegen und Bruck-Waasen geschafft hätte, wäre Peuerbach die größte Stadt im Bezirk geworden. Als Grieskirchner kann man sagen: Gott sei Dank haben sie das noch nicht getan. Wir Grieskirchner sollten nun unsere Chance nutzen, um dem Trattnachtal – dem Zentrum des Bezirks – eine zeitgemäße Struktur zu geben.

Für wie realistisch halten Sie es, dass es bald zu Veränderungen kommt?
Das dauert Jahre. Ich erwarte einen mehrjährigen Diskussionsprozess. Umso wichtiger ist es, dass wir so schnell wie möglich damit anfangen. Ich glaube, dass jeder Bürgermeister gut beraten ist, dieses Thema aktiv anzugehen, wenn er sich 2015 der Wahl stellen will. Spätestens bei der nächsten Gebührenerhöhung werden die Bürger anfangen, zeitgemäße Strukturen zu fordern. Die Gemeinden stammen ja aus einer Zeit von vor etwa 150 Jahren. Als Bemessungsgrundlage galt damals, dass man in einer Stunde zu Fuß zur Kirche gehen konnte. In der Zwischenzeit haben wir ja den Fußweg und die Pferdekutsche durch Autos abgelöst. Das gibt uns neue Möglichkeiten – ebenso das Internet.

Was soll aus Ihrer Sicht nun passieren?
In der Schweiz werden derzeit viele Gemeinden zusammengelegt. Dort werden die Politiker daran gemessen welche Kosten sie den Bürgern erspart haben. In Österreich wird die Politik daran gemessen, was sie ausgibt. Mir ist nicht bekannt, dass einer der Bürgermeister aus dem Trattnachtal die Bürger über die Option einer Fusion informiert hat. Das Land OÖ hat ja dafür erhebliche Anreize gesetzt. Wir müssen unsere Bürgermeister fragen: Welche Ersparnis hat mir deine Amtszeit gebracht? Wenn wir diese Frage nicht stellen, dann dürfen wir uns nicht wundern, dass wir so viele Steuern zahlen. Je früher wir diesen Prozess beginnen, desto schmerzfreier können wir ihn gestalten. Ich würde mich sehr über einen Runden Tisch mit den betroffenen Bürgermeistern freuen.

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Schreiben Sie uns!
Was ist Ihre Meinung? Wie denken Sie über eine Fusion von Grieskrichen, Tollet, Schlüßlberg, St. Georgen und Pollham? Schreiben Sie uns an grieskirchen.red@bezirksrundschau.com oder an BezirksRundschau Grieskirchen/Eferding, Stadtplatz 42, 4710 Grieskirchen.

Reaktionen der Bürgermeister:
http://www.meinbezirk.at/grieskirchen/politik/buergermeister-sprechen-sich-fuer-kooperationen-aus-d847517.html

Gemeinsam würden Grieskirchen, Tollet, St. Georgen, Schlüßlberg und Pollham eine Stadt mit etwa 10.000 Einwohnern ergeben. | Foto: DORIS
Klaus Pöttinger war von 2004 bis 2013 Präsident der Industriellenvereinigung Oberösterreich. | Foto: Pöttinger

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