Selbstständigkeit und Würde
Es kann jeden treffen, und dennoch wird dem Thema Barrierefreiheit nicht genug Beachtung geschenkt.
GÜSSING (jv). Ab Anfang 2016 darf es laut Behinderten-Gleichstellungsgesetz bei öffentlich zugänglichen Gebäuden keine Diskriminierung mehr geben. Gebäude wie zum Beispiel Schulen oder Amtsgebäude müssen für alle Mitmenschen – somit also auch für Rollstuhlfahrer oder sehbehinderte Mitmenschen - zugänglich sein.
Wir haben uns deshalb umgesehen, wie es in öffentlichen Gebäuden in den Bezirkshauptstädten derzeit mit der Barrierefreiheit steht und festgestellt, dass es teilweise dringenden Handlungsbedarf gibt. Erwin Würrer vom Verband für Menschen mit Behinderung (ÖZIV) war mit uns einen Vormittag lang in Güssing unterwegs, um zu demonstrieren, wie ein Rollstuhlfahrer sich durch die City bewegen kann.
BH top, WKO flop
Die Bezirkshauptmannschaft, die gerade umgebaut wird, ist ein Beispiel, wie man es machen soll. Schiebetür, ebener Eingang, ein behindertengerechtes WC und ein sehr aufmerksamer Portier machen den Amtsbesuch auch körperlich eingeschränkt absolut unkompliziert.
Anders sieht das schon im Rathaus aus. Altes Gebäude, zig Stiegen und keine Möglichkeit, um zu signalisieren, dass man mit dem Rollstuhl vor der Tür steht und gerne raufkommen würde. Der Gemeinde ist das Problem durchaus bewusst, und es wird definitv Umbauarbeiten geben. Bis dahin kommen Mitarbeiter herunter und tragen gegebenenfalls den Rollstuhl samt Insassen nach oben. "Und das ist genau das, was wir nicht wollen" macht Würrer deutlich. Nur weil man in seiner Bewegung eingeschränkt ist, sei man dennoch ein vollwertiger, selbstständiger Mensch.
Ähnliche Problematik erwartet einen bei der Wirtschaftskammer. Stufen über Stufen, kein Lift. Auch die Klingel ist nicht erreichbar, da eine große Stufe dazwischen liegt. Auch hier kommen einem die Mitarbeiter wortwörtlich entgegen, indem sie ihre Beratung in einem benachbarten Café durchführen. Auffallend war, dass Dienstleister eher barrierefrei sind als öffentliche Gebäude. "Es muss bewusst werden, dass wir alle alt werden, das Alter Bewegungseinschränkungen bringt und deswegen Barrierefreiheit ein Muss ist," so Erwin Würrer, der in seiner Kindheit an Kinderlähmung erkrankte und seither auf einen Rollstuhl angewiesen ist.
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