Gerold-Klarinetten
Der Exotenbonus aus Fritzens

Seit 1997 ist Gerold Anton Angerer selbstständig. Auf seine Instrumente muss man bis zu vier Jahre warten.
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  • Seit 1997 ist Gerold Anton Angerer selbstständig. Auf seine Instrumente muss man bis zu vier Jahre warten.
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Wer eine Gerold-Klarinette aus Fritzens kaufen will, muss besonders eines haben: Geduld.

FRITZENS. Er gibt in der Dorfstraße 8 in Fritzens den Ton an: Gerold Anton Angerer ist seit 1997 Klarinettenbauer. Seine Werkstatt befindet sich in einer ehemaligen Rumpelkammer der Gemeinde. Heute sind hier Zangen, Schrauben, kleine Instrumententeile und zugeschnittenes Holz penibel ordentlich in Regalen verstaut. Auch beim BEZIRKSBLÄTTER-Besuch sind die runden Leuchten eingeschaltet. Gleichzeitig scheint die Sonne von Süden durch die großen Fenster herein. Angerer schätzt die Lage: "Meine Kunden sind mit Auto oder Zug gleich da, gleichzeitig habe ich auch meine Ruhe, was sehr wichtig ist." Der gelernte Instrumentenbauer war nicht nur bei Hammerschmidt in Wattens in der Lehre, er war auch in England bei Howarth of London angestellt. Das war, wie er erzählt, der Schlüssel zu seiner Selbstständigkeit, denn der damalige Chef – ein Philanthrop – half ihm mit dem Holz aus. Schließlich muss das Material zum Klarinettenbau vier Jahre nach dem Schlägern ruhen. Diese Jahre hat er mit Holzlieferungen seines einstigen englischen Chefs überbrückt. Das dunkle, fertiggedrechselte Holz steht hinter ihm in den Regalen. Es kommt aus Afrika und hat den Namen Blackwood oder Grenadill. Ein schweres, schwarzes Stück Holz, das – wegen seines rauchigen Geruchs – einen an Speck erinnert.

"Anklopfen"

In zwei Reihen liegen auf dem Tisch Holzröhren bereit. Angerer klopft sie an. Die Klarinette wird aus jeweils zwei Hauptteilen zusammengebaut und das Holz klingt mal heller, mal tiefer, mal dunkler, mal matter. "Meine Kunden stehen oft eine halbe Stunde vor dem Rohmaterial und klopfen es an, bis sie den perfekten Klang gefunden haben." Und das ist es, was Angerer so besonders macht. Er geht auf die individuellen Wünsche seiner KäuferInnen ein. "So einen Verrückten wie mich gibt es nicht noch einen", ist er sich sicher. Das beschert ihm – wie er öfters im Gespräch erwähnt – immer wieder einen Exotenbonus. Seine Idee, im Internet die Klarinette mit den gewünschten Eigenschaften selbst von den Kunden und Kundinnen konfigurieren zu lassen, schlug ein wie eine Bombe. Mit der Folge, dass KäuferInnen heute bis zu vier Jahre Wartezeit für ihre Klarinetten einrechnen müssen. Im Jahr entstehen 18 reguläre Klarinetten (Kostenpunkt: von 5.800 Euro aufwärts) und 1-2 Einzelanfertigungen.

Gegen den Strom

Anfangs war es jedoch nicht leicht, im Geschäft Fuß zu fassen, erklärt Angerer. Schließlich brauche es auch MusikerInnen, die den Klang in die Welt raustragen. In der konservativen Musikszene eine gar nicht so einfache Aufgabe. Er hatte Glück. Ein heute sehr bekannter Musiker hatte ihm schon in der Studienzeit die Treue gehalten und Probeanhörungen mit der Gerold-Klarinette gemacht. Wofür ihn anfangs sein Professor auch getadelt hat. Schlussendlich – nach erfolgreichen Anhörungen – wollte der gleiche Professor ihm die Klarinette abkaufen.

Experimente

Obwohl die meisten Klarinetten in Angerers Werkstatt aus dem afrikanischen Holz gemacht werden, experimentiert er auch gerne mit anderen Holzarten. So entstand einer seiner größten "Marketinggags": Eine Klarinette aus Olivenholz. "Das blonde Instrument ist ein echter Hingucker und hat sogar einen Namen: Olivia", so Angerer. "Sie ist eine Berühmtheit in der Szene und der Musiker, der auf ihr spielt, scherzt sogar manchmal, dass ihm Olivia die Show stiehlt." Nachdem er zehn Jahre gebraucht hat, sein Geschäft aufzubauen, ist er für die nächsten Jahre ausgebucht. "Auch mein Holzlager reicht jetzt bis zur Pensionierung", lacht Angerer und streicht über die Regale. Sein Ziel, der Instrumentenbauer mit dem gewissen etwas zu sein, hat er sicherlich nicht verfehlt.

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