So meistern Sie die Corona-Krise
Psychotherapeutin Renée Lessing gibt Tipps für den Alltag
Renée Lessing ist Psychotherapeutin in Hernals und spricht im Interview mit der bz über die Auswirkungen der Coronakrise.
Wie läuft eine Therapiesitzung in Zeiten von „Social Distancing“ ab?
RENÉE LESSING: Zu 90 Prozent finden meine Beratungen telefonisch statt. Über Video wird weniger nachgefragt, ist das doch ein Einblick in die Räumlichkeiten und damit in die Intimsphäre der Patienten.
Was löst die Coronakrise bei den Menschen aus?
Angst und Unsicherheit. Viele wissen nicht, wie es jetzt weitergehen soll.
Was ist Ihre Empfehlung, um mit den Ängsten bestmöglich umzugehen?
Eine Tagesstruktur ist das Wichtigste. Man darf nicht zu weit vorausdenken. Am besten ist es, sich am Abend eine Liste für den nächsten Tag zu machen und auch abzuhaken, was man gescha hat.
Das Von-Tag-zu-Tag-Denken ist jetzt das Richtige?
Genau. Die Menschen haben jetzt viel Zeit zur Verfügung und bestehende Krisen, die schon vor Corona vorhanden waren, können sich jetzt richtig zuspitzen. Das kann ein Reizpunkt in der Beziehung sein oder auch mit dem Arbeitsplatz zu tun haben. Reden hilft dabei immer.
Was können Sie Familien mit Kindern raten?
Besonders in kleinen Wohnungen gibt es Abgrenzungsproblematiken. Viele sind es nicht gewohnt, den ganzen Tag gemeinsam zu verbringen. Ein Morgenkreis wie im Kindergarten ist eine Lösung. Dabei kann man besprechen, was den ganzen Tag über passieren soll. Die Eltern sollten sich die Aufgaben aufteilen: Einer macht Homeoffice, danach übernimmt der andere.
Soll man Kinder fürs Bravsein belohnen?
Natürlich hilft das. Auch eine Liste mit Sternchen für gut Erledigtes macht Sinn. Es kommt dabei aber immer auf das Alter der Kinder an. Prinzipiell ist es bei Kindern jedoch nicht anders als bei Erwachsenen: Zuerst leiste ich etwas, dann kann ich mir etwas gönnen.
Stichwort „gönnen“: Wie viel Auszeit ganz für sich alleine soll sich jeder Einzelne rausnehmen?
Man muss ganz klare Grenzen festlegen, die auch für alle gelten – egal, ob Klein oder Groß. Es geht jetzt immer auch um das Entschleunigen. Jeder darf sich auch aus dem Geschehen in der Wohnung ausklinken, den Augenblick unterbrechen. Am besten sollte man rausgehen und für sich sein.
Was kann man Positives aus der Krise mitnehmen?
Dass wir nicht vollkommen auf uns selbst zurückgeworfen werden. Aufgrund der Unsicherheit solidarisieren sich die Menschen. Es wird mehr gelächelt und man rückt näher zusammen, frei nach dem Motto: „Das schaffen wir schon!“
Interview: Michael J. Payer
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