Bürgerinitiative: „Wir haben Angst“

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Die Volksanwaltschaft prüft das Vorgehen der St. Pöltner Behörden in einem beängstigenden Wirtschaftskrimi

LANGMANNERSDORF/ST. PÖLTEN/TULLNERFELD (wp). Verbotene Stoffe in einem Recyclinghof verseuchten bei einem Brand im letzten Sommer Luft, Boden und Wasser. Neben dem Betrieb und übriggebliebenen Brandabfällen werden vom Lagerhaus offen Lebensmittel gelagert. Im Frühling soll der Recyclinghof wieder aufsperren – mit dem Sanktus der Behörden. Die Bevölkerung ist verunsichert.

Nach einem verheerenden Brand im Sommer 2010 am Betriebsgelände der Firma Schütz Recycling gegen den 200 Feuerwehrleute aus dem Bezirk St. Pölten und Tulln verzweifelt ankämpften, geht in der Bevölkerung die Angst um. Es zeigte sich, dass dort Stoffe verbrannten, die laut Betriebsgenehmigung gar nicht gelagert hätten werden dürfen. Aus jetzt aufgetauchten Löschwasseruntersuchungen ist ersichtlich, dass eine hohe organische Belastung etwa durch das hochgiftige Ammonium (200 mg/l) vorliegt.

Brunnen gesperrt
60 Hausbrunnen, in denen über 200 mg/l Nitrat festgestellt wurde, mussten gesperrt werden, in einigen fand sich eine stinkende Flüssigkeit. Das kontaminierte Löschwasser versickerte, so eine Verhandlungsschrift der BH St. Pölten fünf Monate nach dem Brand, beim anliegenden Rübenlagerplatz.

Brandabfälle neben Lebensmittel
Besonders pikant: Direkt angrenzend an das Recyclingfirmenareal werden in Lagerhallen des Raiffeisen-Lagerhauses Lebensmittel, derzeit Mais aber auch Kartoffel offen gelagert. Bei einem Lokalaugenschein der Bezirksblätter am Wochenende fanden sich neben den gelagerten Lebensmitteln noch stinkende Brandreste vermischt mit Plastik und Erde. Ob dieselben von der Recyclingfirma stammen, ist vorerst unklar.

Hochgiftige Stoffe im Boden
„Jahrelang wurde die BH St. Pölten über diverse Vorkommnisse auf dem Gelände der Recyclingfirma mittels genauer Dokumentation informiert. Geschehen ist wenig. "Der Betrieb wurde zwar oft gesperrt, aber innerhalb kürzester Zeit wieder geöffnet“, erzählt ein Informant. „Keiner wollte damit etwas zu tun haben. Nun sind hochgiftige Stoffe ungefiltert in Wasser und Boden gelangt und keiner kennt die Auswirkungen“, zeigt sich Helmut Schicklgruber von der örtlichen Bürgerinitiative besorgt. Der Recyclinghof im Ort soll nach der nach dem Brand von der Bezirkshauptmannschaft angeordneten Sperre im Frühjahr seine Pforten wieder öffnen. „Wir haben Angst“, bringt es Anneliese Luger die wenige Meter neben dem Betrieb mit ihrer Familie lebt, auf den Punkt. „In der Vergangenheit wurde so oft gegen Behördenauflagen verstoßen, wer gibt uns die Garantie, dass dies nicht wieder geschieht?“

Volksanwaltschaft prüft
Wie dem Bezirksblatt bekannt wurden, hat sich nun die Volksanwaltschaft der Sache angenomen und prüft die zuständigen Behörden, ob hier alles mit rechten Dingen zugeht.

Firmenchef wehrt sich
„Ich habe 70.000 € für Gutachten ausgegeben, die belegen, dass sämtliche Belastungen von Wasser und Boden nicht unmittelbar mit meiner Firma oder dem Brand zu tun haben“, weist Johann Schütz, Chef des Recyclinghofs, jegliche Schuld von sich. Die hohen Nitratwerte hätten am ehesten noch mit dem sich neben der Anlage befindlichen Rübenplatz zu tun. Die hohen Ammoniumwerte könne er sich nicht erklärten. Außerdem gebe es außerhalb des Firmengeländes weder Brand- noch sonstwie geartete Abfälle. Jene Abfälle, Maschinenteile, Plastik etc. die sich am nebenliegenden Firmengelände befinden, wären laut Aussage der Firma Johann Schütz von Gemeinde dort hingebracht worden, und hätten mit der Recylinganlage nichts zu tun.

BH hat Verständnis für Sorgen
„Sobald eine Firma die Behördenauflagen erfüllt, darf sie auch das jeweilige Gewerbe ausüben“, meint Bezirkshauptmann Josef Kronister. „Für die Sicherheit der gelagerten Rohstoffe, seien es Mais, Erdäpfel oder Rüben ist aber in diesem Fall der Lagerhallenbetreiber zuständig. Was die betroffenen Bürger betrifft, habe ich aber grundsätzlich Verständnis für deren Sorgen. Wir prüfen aber alles sehr genau“. Nach den Recherchen und der Kontaktaufnahme durch das Bezirksblatt ordnete BH Kronister sofort eine Überprüfung der Umstände vor Ort durch seinen Stellvertreter Andreas Pechter an.

Lagerhaus sieht kein Problem
Lagerhaus-Direktor Franz Eigenbauer: „Aus dem Recyclinghof kommen kaum Schadstoffe in unsere Lagerräume. Die hier zeitweise gelagerten Kartoffel und Rüben sind aber nicht von uns.“ Eine Nutzungsänderung der Lagerhallen wird aber seitens Raiffeisen angedacht, so Eigenbauer.

Werner Pelz
Tel.: 0699 139 90 217
Mail: wpelz@bezirksblaetter.com

KOMMENTAR
Noch zu retten?
Als bei einem Brand in einem Recyclinghof im letzten Sommer mitten in einer netten Ortschaft eine giftige, stechend riechende Rauchwolke in den Himmel stieg, und schwer kontaminiertes Löschwasser in Boden und Wasser versickerte, wurde den Behörden klar, dass hier verbotene Stoffe gelagert wurden. Obwohl Ortsbewohner bereits monatelang davor auf Missstände in dieser Firma hingewiesen hatten, und diese sogar bestens dokumentierten, war seitens der Behörden wenig bis nichts passiert. Zumindest, was die Nachhaltigkeit betrifft. Auch danach geht alles schleppend dahin. Wassergutachten werden verschlampt, Anrainer nicht informiert, Bodenproben viel zu spät gezogen. Wer für die Sanierung der gesperrten Brunnen aufkommt ist nicht geklärt usw. Im Mai 2011 soll der Betrieb, in dem nachweislich notorisch Auflagen nicht erfüllt wurden, wieder aufsperren. Das ist der erste Skandal. Der zweite ist, dass neben einem Recyclinghof dieser Art offen Lebensmittel (als Rohstoff) gelagert werden (dürfen), und keinen stört´s. Das Ganze spielt sich nicht im ehemaligen Ostblock ab, sondern mitten im Bezirk St. Pölten. Was geht in den Köpfen von Behördenvertretern vor, die so etwas zulassen? Das Einschreiten der Volksanwaltschaft wurde in diesem Fall regelrecht heraufbeschworen.

Berichte zum Brand im Sommer 2010

ORF NÖ

Feuerwehr Murstetten

Fireworld

Landeshauptstadt

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