"Zumindest ist der 1. Mai ein freier Tag"

"Der Mensch muss wieder in den Mittelpunkt", sind sich AK-Präs. Erwin Zangerl und ÖGB-Chef Otto Leist sicher.
  • "Der Mensch muss wieder in den Mittelpunkt", sind sich AK-Präs. Erwin Zangerl und ÖGB-Chef Otto Leist sicher.
  • hochgeladen von Sieghard Krabichler

Bezirksblätter: Ist der 1. Mai für die Tiroler ArbeitnehmerInnen 2015 noch ein Feiertag?
Leist: "Jede Stunde, die du in Zeiten wie diesen für dich haben kannst, ist eine gewonnene Stunde und der 1. Mai ist zumindest ein freier Tag. Aber natürlich, auch aus der Historie heraus, noch immer ein Feiertag für die Arbeitnehmer."
Zangerl: "Es ist zu Recht ein Feiertag, aber auch ein Gedenktag, um über die Wichtigkeit der Arbeit nachzudenken. Auch, um darüber nachzudenken, dass Wirtschaft nicht zum Selbstzweck existiert, sondern die Verpflichtung hat, der Gesellschaft etwas zu geben. Und auch darüber, dass in Tirol die Löhne zu niedrig und die Wohnkosten zu hoch sind."
Ältere Menschen verlieren ihren Job. Nicht zuletzt durch verbriefte Rechte und hohen Kostendruck. Ein Teufelskreis mit welchem Ausweg?
Zangerl: "Das sind Schlagworte, die aus der Wirtschaft kommen und einfach nicht stimmen. Denn gerade ältere Arbeitnehmer haben viel zu bieten. Derzeit wird aber nur auf die Kosten geschaut, daher verlieren viele über 50 den Job. Es ist aber Aufgabe der Wirtschaft, dass ältere Menschen Arbeit und Einkommen im Land finden."
Leist: "Faktum ist, es werden Märchen produziert, was die älteren Arbeitnehmer betrifft. Wir können über alles diskutieren, auch über ein höheres Pensionsantrittsalter, aber wir brauchen vorher gesunde Arbeitsplätze und auch die entsprechenden Jobs."
Die Wirtschaft stöhnt unter Gesetzen und Vorschriften. Können AK und ÖGB noch auf den Schutz der Arbeitnehmer bestehen, ohne Jobs zu gefährden?
Leist: "Ja, denn wenn die Wirtschaft unter der Steuerlast stöhnt, dann frage ich mich, warum die Lohnsteuerleistung in Österreich die höchste ist. Und auch die Mehrwertsteuer zahlen die Arbeitnehmer. Die Steuerleistung der Wirtschaft ist unter ferner liefen."
Zangerl: "Regeln braucht es, um ein gesundes Miteinander zu garantieren. Aber wenn Regeln nur auf der einen Seite als Belastungen empfunden und auf der anderen Seite als Selbstverständlichkeit dargestellt werden, dann wird ein Spannungsverhältnis entstehen, das wir alle nicht wollen."
Der Tourismus ist in Tirol ein Jobmotor. Wie sehen Sie die Proteste der Touristiker?
Zangerl: "Der Protest ist verständlich, aber ÖGB und AK haben eine Lohnsteuersenkung verlangt, keine Steuerreform. Man wird darüber diskutieren müssen, auch über die Grundsteuer. Und ob die Mehrwertsteuererhöhung so vernichtend ist, bezweifle ich aber."
Leist: "Die Aufregung verstehe ich nicht, die Mehrwertsteuererhöhung zahlt der Gast. Aber die Probleme im Tourismus liegen auf einer anderen Ebene: Wie sehen die Arbeitsbedingungen aus, wie sieht es mit den Jahresarbeitsplätzen aus, woher kommen die Arbeitskräfte? Das sind die Herausforderungen für die Touristiker."
Wie wird sich Tirol für die ArbeitnehmerInnen in den nächsten Jahren entwickeln? Stichwort Facharbeitermangel?
Zangerl: "Ich gehe davon aus, dass sich das positiv entwickelt, wenn die Politik die richtigen Maßnahmen setzt. Der Begriff 'Facharbeitermangel' dient seit Jahren dazu, billige ausländische Kräfte zu holen. Aber es hat noch nie jemand gesagt, wo der Mangel liegt, denn sonst könnte man gezielt in Tirol ausbilden."
Leist: "Es fehlt die Strategie der Politik in Tirol und es stellt sich die Frage: Wollen wir uns nur dem Tourismus ausliefern oder wollen wir die vielen Möglichkeiten, wie die der Fachhochschulen oder Universitäten nutzen? Wir brauchen in Zukunft Menschen, die etwas verdienen, denn Tirol muss man sich als Arbeitnehmer erst leisten können."

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