"Der Pelikan" - Theaterforum Humiste im starken Spiel durch die Abgründe bürgerlicher Scheinwelten

Andrea Reich und Peter Mair
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IMST(alra). Zeitlose Dramatik, die sich hinter bürgerlicher Scheinwelt und persönlicher Verdrängung aufbaut, steht im Mittelpunkt der Tragödie "Der Pelikan", die am 21.Oktober an der Bühne Imst Mitte Premiere feierte. Der schwedische Schriftsteller August Strindberg skizzierte in seinem Stück aus dem Jahre 1907 ein düsteres räumliches und seelisches Verlies rund um eine herrschsüchtige, narzisstische Mutter, die nach dem Tod ihres Mannes mit der Anklage der erwachsenen Kinder konfrontiert ist. Der lebenslange Entzug von Liebe, aber auch das Verwehren von Grundbedürfnissen des Alltags, blieben sowohl bei der Tochter als auch beim Sohn nicht ohne Folgen. Dem stummen Erdulden der mütterlichen Grausamkeit folgt eine tragische Abrechnung, in der sich die Abgründe als unüberwindbar erweisen. Der Satz der Mutter "Das Böse ist offenbar erblich, die Eltern vermachen es ihren Kindern" erfüllt sich letztendlich im Zwang nach Erlösung aus der familiären Hölle.

Das Theaterforum Humiste hat sich erneut schwerer Kost angenommen und den inhaltlichen Anspruch mit präzisem Spiel und punktgenauer Besetzung erfüllt. Andrea Reich als Mutter verkörpert in jeder Faser die skrupellose Dominanz einer krankhaft zerstörerischen Persönlichkeit, sie füllt mit ihrer Präsenz das Spiel, die Bühne und nicht zuletzt das tiefe Unbehagen aus. Peter Mair gibt der Verzweiflung des gebrochenen Sohnes Gestalt - im Aufbäumen wie im Zusammenbrechen berührt er durch großartig gespielte Emotion. Die Rolle der Tochter ist mit Stefanie Bauer besetzt, die sich zwischen feinfühligen und dominanten Passagen souverän behauptet. Walter Huber liefert den Part des skrupellosen Schwiegersohns und Leni Rauch vermittelt eindrucksvoll eine ausgebeutete Dienstbotin mit klarem Blick auf das abgrundtief böse Wesen ihrer Herrin. Das starke Ensemble umklammert das Stück mit einem sehr klaren Spannungsbogen, der das Publikum aufmerksam über die 60 Minuten und durch die dunklen Nuancen des Menschseins führt. 

Die Inszenierung des Stückes konzentriert sich auf die seelenschweren Innenwelten und die möglichst rahmenlose, pure Vermittlung des Inhaltes. Sehr gelungen grenzt Michael Rudigier in seiner Regiearbeit, assistiert von Victoria Matt, die verschiedenen Charaktere voneinander ab um Raum für die facettenreichen Ebenen der Dramatik zu schaffen. Das Bühnenbild verdichtet sich in wenigen Metaphern zu einem tiefgründigen Schauplatz aus dem es atmosphärisch kein Entrinnen gibt - eindrucksvoll bildet die Kulisse den perfekten Nährboden für Strindbergs beklemmende Familientragödie.

Weitere Spieltermine: 28./29.Oktober, 4./5./11./12./18./19./25./26.November
Beginn: Samstag 20 Uhr, Sonntag 18 Uhr
Kartenreservierung: www.humiste.at
Tel. 0664 6360646

Erklärung:
Der Mythos der Pelikane
Als Symbol für Jesus Christus tauchen Pelikane immer wieder in der (früh)christlichen Geschichte auf. Der Legende nach öffnet sich der Pelikan mit dem Schnabel die eigene Brust, lässt sein Blut auf seine toten Jungen tropfen und holt sie so wieder ins Leben zurück. Dies wurde allegorisch in Bezug zum Opfertod Jesu Christi gesetzt, wodurch der Pelikan zu einem häufig verwendeten Motiv im Christentum wurde.
Die Grundlage für diese Vorstellung liefert möglicherweise die Tatsache, dass sich die Jungen des Pelikans ihr Futter tief aus dem Kehlsack der Eltern holen, was den Eindruck erweckt, sie würden sich an deren Brustfleisch nähren. Außerdem färbt sich beim Krauskopfpelikan während der Brutzeit der Kehlsack rot und erinnert an eine blutige Wunde.
(Quelle: Wikipedia)

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