Terrorismusexperte Riegler zur Terrorattacke
"Das Bedrohungspotenzial war immer vorhanden"

"Den klassischen Einzeltäter gibt es nicht", erzählt Terrorismusexperte Thomas Riegler im Interview.  | Foto: Thomas Riegler
4Bilder
  • "Den klassischen Einzeltäter gibt es nicht", erzählt Terrorismusexperte Thomas Riegler im Interview.
  • Foto: Thomas Riegler
  • hochgeladen von Julia Schmidbaur

Für Terrorismusexperte Thomas Riegler war das Bedrohungspotenzial durch Terroristen in Österreich immer schon vorhanden. Im Interview mit den Regionalmedien Austria (RMA) zieht er einen Vergleich zu früheren Anschlägen und warnt davor, Muslime jetzt unter Generalverdacht zu stellen und so eine Spaltung der Gesellschaft zu erzeugen.  

Regionalmedien Austria: Noch immer ist unklar, wie viele Täter es tatsächlich bei dem gestrigen Anschlag in der Wiener Innenstadt gegeben hat. Es wird von bis zu vier Tätern gesprochen. Konnte ein einzelner Täter so eine Tat überhaupt bewerkstelligen?

Thomas Riegler: Bei Anschlägen dieser Art herrscht immer sehr viel Verwirrung. Etwa wenn man an den Anschlag in München 2016 zurückdenkt. Da wurden Schüsse in der halben Innenstadt gemeldet. In Wirklichkeit war es dann ein Einzeltäter, der sich vor Ort selbst gerichtet hat. Das Chaos und die Verwirrung haben auch am Montag in Wien Falschmeldungen erzeugt, sodass lange Zeit unklar war, ob es einer oder vier Täter waren. Mittlerweile hat es Verhaftungen in St. Pölten und in Linz gegeben, die darauf hindeuten, dass es sich hier nicht um die Tat eines Einzelnen handelt, sondern vielleicht ein Netzwerk dahinter steckt. Den klassischen Einzeltäter gibt es sowieso nicht. Er korrespondiert immer mit einem Umfeld und sei es nur über die sozialen Medien.

Der mutmaßliche Täter ist im Dezember 2019 aus dem Gefängnis entlassen worden. Er war wegen einer terroristischer Vereinigung vorbestraft. Kann man so eine Tat aus Ihrer Sicht verhindern?
Wenn so etwas passiert, wird meistens die Frage gestellt: "Warum ist das nicht verhindert worden?" Bei den meisten Anschlägen der jüngeren Vergangenheit – ob in Frankreich oder Großbritannien - waren diese Täter vorher auf dem Radar der Sicherheitsbehörden. Weil es oft Kleinkriminelle sind und durch die Radikalisierung Aufsehen erregt haben. Und: Laut dem Innenministerium dürfte der Täter durch Täuschung seine vorzeitige Entlassung bewirkt haben. Daher soll es keine Warnhinweise gegeben haben.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) hat schon länger drauf hingewiesen, dass es zu wenig Personal gibt, man könne nicht alle Leute observieren. Ist das ein Problem?

Rundum-Überwachungen sind extrem personalintensiv. Das könnte man bei den vielen „Gefährdern“ nicht machen. Das ist auch in anderen Ländern nicht möglich. In Frankreich geht die Zahl der Gefährder in die Tausende. Es ist unmöglich, jeden Einzelnen am Radar zu haben. Anderseits haben die Einsatzkräfte mit ihrer schnellen Reaktion am Montag sicher Schlimmeres verhindert.

Können Sie uns etwas zur Waffe des Täters sagen?

Anscheinend hat er unter anderem eine Kalaschnikow verwendet. Da ist eine andere Dimension. Viele islamistische Attentate etwa in Frankreich werden "nur" mit dem Messer begangen. Und hier ist jemand in der Wiener Innenstadt mit einem Sturmgewähr in der Hand unterwegs. Das ist natürlich ganz ein anderes Level, weil er über viel Feuerkraft verfügt und viel Potenzial, Schaden anzurichten. Für die Polizei ist es extrem gefährlich, diesen Täter zu stellen. Dieser Mann hat so den größten Polizeieinsatz der jüngeren Geschichte ausgelöst.

Wie ist dieser Anschlag im Vergleich mit andern Anschlägen, die es in Österreich gegeben hat, einzuordnen ? Im Jahr 1981 hat ein palästinensisches Terrorkommando die Synagoge in der Wiener Seitenstettengasse überfallen.
Das war auch der letze große Anschlag, der in der City stattgefunden hat. Nun wurde derselbe Ort wieder zum Terrorschauplatz. Der Unterschied zu den Anschlägen von früher ist, dass in den 1980ern eine Gruppe mit einem Anführer dahinter gestanden ist: Abu-Nidal, der in Syrien und Libyen den dortigen Geheimdiensten protegiert wurde. Das war ein klar identifizierbarer Gegner, mit dem man zur Not auch verhandeln kann. Radikal islamistischer Terrorismus ist viel diffuser. Dahinter stecken keine großen Organisationen oder säkularen Ideologien mehr – genauso wenig wie staatliche Sponsoren.

Können Sie uns etwas zur IS Szene in Österreich sagen?
Bei der Szene in Österreich gibt es eine starke Verbindung nach Bosnien. Und es hat eine große Anzahl an Freiwilligen gegeben, die an den nahöstlichen Kriegsschauplätzen gekämpft haben. Verglichen zur Gesamtbevölkerung war Österreich hier bei den führenden Ländern. Von denen sind so ungefähr 70 wieder zurückgekehrt. Das Bedrohungspotenzial war also immer vorhanden. Es ist nur in den letzten Jahren aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden.

Welche weiteren Schritte sollte man jetzt zur Bekämpfung des Extremismus in Österreich gehen?
Das Wichtige ist bei Terrorismus, dass man als Staat nicht überreagiert. Indem man generalisiert und zum Beispiel Muslime unter Generalverdacht stellt und dadurch Spaltung erzeigt. Das lässt das perfide Kalkül der Terroristen erst richtig aufgehen. Stattdessen ist es wichtig, Brücken zu bauen und Spannungen zu entschärfen. Das ist natürlich für einen Rechtsstaat eine große Herausforderung. Man möchte die Schuldigen bestraft sehen. Es ist wichtig, dass man in diesem Eifer nicht über die Strenge schlägt. An vielen anderen Schauplätzen hat sich gezeigt, dass so nur größerer Schaden angerichtet wird.

Der Täter war mit 20 Jahren sehr jung. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum er zu so einer Tat fähig war? 
Diesen Tätertyp kennt man aus anderen Ländern. Das sind gescheiterte Biographien, Kleinkriminalität spielt eine Rolle und irgendwann kommt der Faktor Religion dazu. Die Täter wollen mit einem Akt spektakulärer Gewalt wahrgenommen werden, machen sich größer, als sie sind. Ich denke, dass hinter allen ideologischen und religiösen Rechtfertigungsversuchen des Terrorismus in Wirklichkeit Geltungsbedürfnis steht. Das sollte man auch in den Vordergrund stellen und nicht so sehr die angeblichen politischen und religiösen Motive des Attentäters. Sonst geben wir ihm zu viel Aufmerksamkeit. Und die hat er nicht verdient.

Das sind die Tatorte des Terroranschlags in Wien
"Sie haben die Türen verriegelt"
„Wir stehen in dieser schweren Zeit zusammen“
Terroranschlag in Wien: Sechs Tatorte, Täter noch immer auf der Flucht
Anzeige
Brigitte Reich ist sicher, dass der rasche Wiedereinsatz von Sekundärrohstoffen für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft essenziell ist. | Foto: SECONTRADE
4

Frau in der Wirtschaft Wien präsentiert
Wiens Visionärinnen: Rohstoffexpertin Brigitte Reich

Frau in der Wirtschaft Wien präsentiert Wiens Visionärinnen - diese Frauen machen Zukunft! Diesmal: Rohstoffexpertin Brigitte Reich von SECONTRADE. "Sekundärrohstoffe sind die Zukunft, Digitalisierung ist es auch. Das haben wir erkannt und bringen mit unserer Online-Handelsplattform SECONTRADE Unternehmen, die Sekundärrohstoffe anbieten, mit jenen zusammen, die diese Wertstoffe benötigen", fasst Geschäftsführerin Brigitte Reich den digitalen Marktplatz für recycelte Rohstoffe zusammen. Die...

Anzeige
Mariella Julia Franz hat 2022 ihr Beratungsunternehmen gegründet  und konzentriert sich auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung und die Entwicklung von Nachhaltigkeitsstrategien für KMUs. | Foto: Anna Sommerfeld
5

Frau in der Wirtschaft Wien präsentiert
Wiens Visionärinnen: Nachhaltige Wirtschaftsexpertin Mariella Franz

Frau in der Wirtschaft Wien präsentiert Wiens Visionärinnen - diese Frauen machen Zukunft! Diesmal: Unternehmensberaterin und studierte Juristin Mariella Julia Franz. Die Unternehmensberaterin und studierte Juristin Mariella Julia Franz trägt mit ihrem Wissen und ihrer Beratung bei Klein- und Mittelbetriebe (KMUs) dazu bei, dass diese nachhaltig wirtschaften. "Die Nachhaltigkeitsstrategien müssen vom Unternehmen integriert und erlebt werden", so Franz. Nachhaltiges Wirtschaften bedeutet für...

Anzeige
Silvia Berghofer ist stolz auf die hauseigene Tischlerwerkstatt und Lackiererei.
4

Frau in der Wirtschaft Wien präsentiert
Wiens Visionärinnen: Nachhaltige Maßmöbeln von Silvia Berghofer

Frau in der Wirtschaft Wien präsentiert Wiens Visionärinnen - diese Frauen machen Zukunft! Diesmal: Einrichtungsexpertin Silvia Berghofer von Seliger bespoke furnishing. Von der Planung über die Anfertigung von Maßmöbeln und dem Handel mit Möbeln von Partnerfirmen bis zum Polstern für gemütliche Stunden reicht das Angebot des Einrichtungshauses Seliger. Geschäftsleiterin Silvia Berghofer richtet mit ihrem Team aus 91 Mitarbeitern alle Räume eines Hauses ein: "Wir gestalten Wohnräume wie mit...

Anzeige
Mit neuer Kraft in den Frühling: Tipps wie Sie Ihren Körper aus dem Winterschlaf wecken. | Foto: Kieser
Video 8

Stark in den Frühling
Tipps wie Sie Ihren Körper aus dem Winterschlaf wecken

Der Frühling steckt in den Startlöchern. Zeit, unseren Körper aus dem Winterschlaf zu wecken und neue Kraft zu tanken. Mit dem Frühlingsanfang heißt es für viele von uns: endlich wieder raus in die Natur - sei es zum Laufen, Wandern, Golfen oder einfach, um den Garten wieder auf Vordermann zu bringen. Eine Schlüsselrolle nimmt dabei eine aktive Muskulatur ein. Denn wer nach der langen Winterpause seinem untrainierten Körper plötzlich Höchstleistung abverlangt, riskiert Überlastungen und...

Anzeige
Cornelia Daniel von Dachgold. | Foto: Tony Gigov
5

Frau in der Wirtschaft Wien präsentiert
Wiens Visionärinnen: Solarexpertin Cornelia Daniel

"Frau in der Wirtschaft Wien" präsentiert Wiens Visionärinnen: Diese Frauen machen Zukunft! Diesmal: Solarexpertin Cornelia Daniel von Dachgold. Um Energie dort zu erzeugen, wo sie gebraucht wird, und gleichzeitig ein soziales, ökologisches und ökonomisches Nachhaltigkeitsdreieck zu entwickeln, kümmern sich Cornelia Daniel, ihr Team und ihr Kooperationspartner für Unternehmen um die Beratung, Planung und Inbetriebnahme von Photovoltaikanlagen (PVA). Daniel hat 2011 ihre Firma Dachgold...

Newsletter-Gewinnspiel
Gewinne einen Gutschein im Wert von 250 Euro von der Tischlerei und Küchenstudio Kittinger

Ob Küchenutensilien, neue Kommode oder gar eine neue Küche: Unser Partner Tischlerei und Küchenstudio Kittinger hat uns einen Gutschein im Wert von 250 Euro zur Verfügung gestellt, den wir unter allen Newsletter-Abonnenten verlosen. Wer gerade seine Wohnung neu einrichtet oder auf der Suche nach nützlichen Küchenutensilien oder Lampen ist, der findet bei der Tischlerei und Küchenstudio Kittinger was sein Herz begehrt. Alle Produkte zeichnen sich durch eine außergewöhnliche Qualität und...

Anzeige
Katharina Unger von Livin Farms zählt zu den Pionierinnen der Insektenzucht. | Foto: ParisTsitsos
4

Frau in der Wirtschaft Wien präsentiert
Wiens Visionärinnen: Proteinexpertin Katharina Unger

"Frau in der Wirtschaft Wien" präsentiert Wiens Visionärinnen: Diese Frauen machen Zukunft! Diesmal: Insektenexpertin Katharina Unger von Livin Farms. In der alternativen Futtermittelindustrie haben Insekten einen hohen Stellenwert. Katharina Unger von Livin Farms erklärt: "Insekten bieten eine große Proteinausbeute und sind unabhängig von Landressourcen." Die Unternehmerin entwickelt, baut und vertreibt gemeinsam mit ihrem Team aus 25 Mitarbeitern in ganz Europa Insektenmastanlagen und...

Anzeige
Reinschauen, Mitmachen und Lernen heißt es auch heuer wieder vom 2. April bis 7. April 2024 im Rahmen der Europäischen Tage des Kunsthandwerks in Wien. | Foto: WKW
9

Reinschauen, entdecken und mitmachen!
Europäische Tage des Kunsthandwerks von 2. bis 7. April 2024 in Wien

Einer breiten Öffentlichkeit bieten Handwerksbetriebe im Rahmen der „Europäischen Tage des Kunsthandwerks“ auch heuer wieder spannende Einblicke in ihr Schaffen. Ausgehend von Frankreich (JEMA – Journées Européennes des Métiers d’Art) finden diese alljährlich und zeitgleich in mittlerweile über 21 europäischen Ländern statt. Seit 2015 ist die Sparte Gewerbe und Handwerk mit ihrer Plattform Wiener Kunsthandwerk Partner dieser Einrichtung und gestaltet die "Europäischen Tage des Kunsthandwerks"...

Anzeige
Verena Judmayer präsentiert die mehrschichtige Matratze MATR, deren Materialien vollständig recycelbar sind, sodass eine Kreislaufwirtschaft entsteht.
6

Frau in der Wirtschaft Wien präsentiert
Wiens Visionärinnen: Recycelbare Matratzen von Verena Judmayer

Frau in der Wirtschaft Wien präsentiert Wiens Visionärinnen - diese Frauen machen Zukunft! Diesmal: Schlafexpertin Verena Judmayer von Circularful mit der Marke MATR. Verena Judmayer vertreibt mit ihrer Miteigentümerin Michaela Stephen aus vollständig recycelbaren Materialien hergestellte Matratzen an Hotels, die einen hohen Schlafkomfort bieten und gleichzeitig 50 Prozent CO2 einsparen. Vom Abfall zur Lösung Eine Müllstatistik der Europäischen Kommission, nach der jedes Jahr 30 Mio. Matratzen...

Anzeige
Tschechien hat Urlaubern viel zu bieten. Ob als Individualtourist, Familie mit Kindern oder in einer Gruppe – der Aktivität sind keine Grenzen gesetzt. | Foto: Petrohrad FP
15

Erlebniswandern in Tschechien
Sportliche Erlebnisse in Tschechien

Eine der schönsten Wanderregionen Tschechiens liegt direkt an der Grenze zum Waldviertel, die Region Böhmisch-Kanada, die großteils bewaldet ist und von vielen Teichen und Felsen geprägt wird. Wie überall in Tschechien steht auch hier ein dichtes und bestens markiertes Netz an Wander- und Fahrradwegen zur Verfügung. Sehenswert ist zum Beispiel der Besuch der Burgruine Landštejn, die an der Grenze von Niederösterreich, Böhmen und Mähren liegt und einen beeindruckenden Rundumblick bietet....

Brigitte Reich ist sicher, dass der rasche Wiedereinsatz von Sekundärrohstoffen für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft essenziell ist. | Foto: SECONTRADE
Mariella Julia Franz hat 2022 ihr Beratungsunternehmen gegründet  und konzentriert sich auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung und die Entwicklung von Nachhaltigkeitsstrategien für KMUs. | Foto: Anna Sommerfeld
Silvia Berghofer ist stolz auf die hauseigene Tischlerwerkstatt und Lackiererei.
Mit neuer Kraft in den Frühling: Tipps wie Sie Ihren Körper aus dem Winterschlaf wecken. | Foto: Kieser
Cornelia Daniel von Dachgold. | Foto: Tony Gigov
Katharina Unger von Livin Farms zählt zu den Pionierinnen der Insektenzucht. | Foto: ParisTsitsos
Reinschauen, Mitmachen und Lernen heißt es auch heuer wieder vom 2. April bis 7. April 2024 im Rahmen der Europäischen Tage des Kunsthandwerks in Wien. | Foto: WKW
Verena Judmayer präsentiert die mehrschichtige Matratze MATR, deren Materialien vollständig recycelbar sind, sodass eine Kreislaufwirtschaft entsteht.
Tschechien hat Urlaubern viel zu bieten. Ob als Individualtourist, Familie mit Kindern oder in einer Gruppe – der Aktivität sind keine Grenzen gesetzt. | Foto: Petrohrad FP

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

UP TO DATE BLEIBEN


Aktuelle Nachrichten aus Wien auf MeinBezirk.at/Wien

Neuigkeiten aus deinem Bezirk als Push-Nachricht direkt aufs Handy

MeinBezirk auf Facebook: MeinBezirk.at/Wien

MeinBezirk auf Instagram

ePaper jetzt gleich digital durchblättern

Storys aus deinem Bezirk und coole Gewinnspiele im wöchentlichen MeinBezirk.at-Newsletter


Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.