Gesundheit
HSP - ein Gendefekt, der das Leben lähmt

HSP-Symposium in Münster: Der zahlreiche Besuch überstieg alle Erwartungen des Vereins und machte die Brisanz des Themas deutlich. | Foto: Foto: Inpublic
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Die Hereditäre Spastische Paraplegie - HSP - ist eine seltene, vererbte Erkrankung. Eine Krankheit, die in der Bevölkerung noch weitgehend unbekannt ist. Typisch für die HSP ist ein Funktionsverlust jener Nervenfasern in der Wirbelsäule, die unsere Beine bewegen. In einigen Fällen ist HSP mit ALS vergleichbar, die Nervenkrankheit die den berühmten Physiker Stephen Hawking sein Leben lang begleitete. In Österreich gibt es rund 400 bis 600 HSP-Patienten.

MÜNSTER. Die HSP kann viele verschiedene Gene betreffen und der Verlauf ist individuell sehr variabel. Der Krankheitsbeginn liegt manchmal schon in der frühen Kindheit, nicht selten werden aber erste Anzeichen erst nach dem 40. Lebensjahr bemerkt. Häufig liegt eine positive Familienanamnese vor, d.h. mehrere Mitglieder der Familie leiden an derselben Erkrankung. Es sind drei unterschiedliche Vererbungswege bekannt. Charakteristisch für die lebensverkürzende HSP ist ein schrittweises Absterben der motorischen Nervenfasern in der Wirbelsäule. Es kommt zu einer sich kontinuierlich verschlechternden spastischen Gangstörung. Diese endet für die meisten Betroffenen im Rollstuhl. Bei manchen Formen verlieren im fortgeschrittenen Stadium auch weitere Nervenstränge oder neuronale Strukturen ihre Funktion. Beispielsweise können auch kognitive Beeinträchtigungen, Inkontinenz oder Lähmung der Arme sowie Schluckbeschwerden von HSP verursacht werden. Die Schmerzbelastung ist für die Betroffenen zum Teil enorm. Zu den wichtigsten Differentialdiagnosen der HSP zählen die Multiple Sklerose und die infantile spastische Zerebralparese.

Vereinsgründung 2019
Im heurigen Sommer gründeten zwei Elternpaare - die jeweils ein bzw. zwei HSP-erkrankte Kinder haben - den Verein „stopp-HSP“. Mit diesem Verein möchten sie Bewusstsein in der Öffentlichkeit schaffen und eine Plattform zum Austausch Betroffener bieten. Darüber hinaus werden im Bereich der Forschung bereits ganz konkret Ziele verfolgt: „Wir arbeiten in einem ersten Schritt an verschiedenen Projekten, um Impulse für die HSP-Forschung in Österreich zu setzen“, erklärt Obmann Dr. Gerald Fischer, dessen 16-jährige Tochter und der 20 Jahre junge Sohn an der bisher unheilbaren Krankheit leiden. Es gelang dem jungen Verein, eine Veranstaltung zu organisieren, die kürzlich in dieser Form erstmalig in Österreich stattfand. „Führende österreichische Fachärzte und Betroffene trafen sich zu einem Symposium im REHA ZENTRUM Münster“, erzählt er. Der zahlreiche Besuch überstieg alle Erwartungen des Vereins und machte die Brisanz des Themas deutlich.

Ärztliche Expertisen

Univ. Prof. Dr. Michaela Auer-Grumbach, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie aus der Steiermark betont die Wichtigkeit dieser ehrenamtlichen Tätigkeit: „Die Gründung einer Patientenorganisation für die HSP ist ein sehr wichtiger Schritt auf dem Weg die `Awareness´ für diese Erkrankung entscheidend zu verbessern. Auch wenn kausale Therapien derzeit noch nicht zur Verfügung stehen, ist die exakte Diagnose für die bestmögliche Betreuung der Betroffenen entscheidend, die u.a. neben der gezielten physikalischen Therapie und Ergotherapie auch die zielführende Berufsberatung und genetische Beratung umfasst.“ Der ärztliche Direktor des REHA Zentrum Münster, Univ.-Doz. Dr. Christian Brenneis unterstreicht die zentrale Rolle des Zentrums bei der Behandlung: „Bei chronischen Erkrankungen, zu denen auch HSP zählt, ist die regelmäßige Physiotherapie wichtig um Alltagsaktivitäten und selbstständige Lebensführung lange zu erhalten. Das Rehzentrum Münster kann mit der stationären Reha einen wichtigen Beitrag dazu leisten“.

Aufbau Patientenregister

Ein großes Anliegen und ein unerlässlicher Schritt für die Durchführung klinischer Forschung ist der Aufbau eines Patientenregisters. „Ein solches Register muss sowohl alle rechtlichen und organisatorischen Anforderungen erfüllen, als auch alle für Mediziner wichtigen HSP-spezifischen Informationen enthalten. Uns als Patientenorganisation ist es wichtig, dass so eine breite Arbeitsgrundlage für klinische HSP-Forschung in Österreich geschaffen wird“, erklärt Dr. Gerald Fischer. „Derzeit planen wir den Aufbau dieses Patientenregisters gemeinsam mit führenden österreichischen Fachärzten.“

HSP-Forschung ausbauen

Eine vom österreichischen Forschungsfond (FWF) unterstützte klinisch-genetische und epidemiologische Studie in Ostösterreich erreichte die in der Literatur beschriebenen Prävalenzdaten. In mehr als 100 Familien konnten Mutationen in 13 bisher bekannten HSP Genen als Ursache der Erkrankung diagnostiziert werden. Da die Erkrankung selbst im Fachbereich oft wenig bekannt ist, kann von einer noch deutlich höheren Dunkelziffer ausgegangen werden.
Die häufigsten Formen in Ostösterreich waren die SPG4 (Spastin-Gen, autosomal dominante Vererbung), die SPG17 (BSCL2-Gen, autosomal dominante Vererbung) und die SPG11 (SPG11, autosomal rezessive Vererbung). Die Studie zeigte klar, dass die korrekte Diagnosestellung oft erst nach jahrelangem Krankheitsverlauf erfolgte. Wie Dr. Gerald Fischer berichtet, wurden in der HSP-Forschung in den letzten zehn Jahren zwar große Fortschritte erzielt und erste Heilversuche unternommen, dennoch gilt diese schwere neurologische Erkrankung bis heute als nicht kausal therapierbar. Der Verein „stopp-HSP“ ist angetreten, das zu ändern. „Dieses Ziel können wir nicht alleine erreichen. Wir brauchen dazu die Hilfe anderer Menschen, wie Forschern, Ärzten, Gesundheitseinrichtungen, der pharmazeutischen und medizintechnischen Industrie, von Behörden und vielen mehr“, appelliert er an die jeweiligen Einrichtungen. Und um die Kosten zu decken ist der Verein auf Spenden und finanzielle Zuwendungen angewiesen. Weitere Informationen dazu gibt es im Internet unter www.stopp-hsp.at

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