Tiroler Fasnachtbräuche
Die Thaurer Mullerfiguren

Die Thaurer Muller | Foto: Thaurer Muller
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INNSBRUCK. Der Fasnachtsbrauch in Thaur ist genauso wie auch in den anderen MARTHA-Dörfern bereits seit Jahren Tradition: Jedes Jahr nach Silvester ist das Mullen und Matschgern in Thaur der nächste Höhepunkt, bei dem sich das ganze Dorf versammelt, um die schönen Figuren der Muller zu bewundern und den Frühling willkommen zu heißen.

Vom 16. Jänner bis zum Unsinnigen Donnerstag sind dann in Thaur normalerweise fast täglich Muller, Peitschenschneller oder andere Gruppen wie Bären, der Thaurer Bock oder das Fasser Rössl zu sehen. Am Rosenmontag und Fasnachtsdienstag darf man sich dann nur mehr ohne Mullerkleidung an die abgelaufene Fasnacht erinnern und in normaler Kleidung noch ein bisschen feiern. Doch auch wenn das Fasnachttreiben in Thaur dieses Jahr wohl zum ersten Mal seit Langem ausfallen muss, haben wir einen kleinen Überblick erschaffen, bei dem alle Figuren der Thaurer Muller vorgestellt werden.

Die verschiedenen Mullerfiguren repräsentieren die Jahreszeiten und sollen mit ihrem Auftreten den kalten, harten Winter austreiben und Platz für den Frühling schaffen:

Die Hexen

Die „Hexen“ gibt es in fast jeder Fasnacht – und doch sind sie in Thaur unverkennbarer Teil der Mullergruppe. Mit ihren typischen Larven, Buckel und Besen kommen sie stets vor den anderen Mullern. Sie verkörpern die Winterfigur, die vom nahenden Frühling immer mehr in den Hintergrund gestellt wird. Sie trauern „ihrem“ Winter nach und können es nicht fassen, dass er schon wieder vorbei ist. Das Gewand der Hexe ist ein aus Lumpen zusammengenähter Rock, eine lange Unterhose mit Rüschen darunter, ein paar Patschen, eine alte Bluse mit allen möglichen Farbtönen und ein Schultertuch. Die Larve ist auf ein Kopftuch genäht, unter welchem auch ein paar Haare hervorschauen können. Mit dem Besen beweisen sie, wie gutmütig sie sind. Sie kehren die Schuhe der Zuschauer ab, und manchmal geben sie einem überraschten Gast auch eine neue Frisur. Für die Kinder haben sie meist ein Zuckerl in ihrer Handtasche, wo hingegen für die Erwachsenen ein Schnapserl Platz hat.

Die frechen Hexen bringen Zuckerln für die Kinder und a Schnapserl für Erwachsene. | Foto: Paul Bossenmaier
  • Die frechen Hexen bringen Zuckerln für die Kinder und a Schnapserl für Erwachsene.
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Der Bär

Eine der berühmtesten Fasnachtsfiguren ist der Bär. Ein Relief im Goldenen Dachl zeigt einen Bären, der Männchen macht und auf den Hinterbeinen steht. Wahrscheinlich, so glaubt auch Hans Gapp, gehen die Bärendarbietungen auf die Zeiten der durchziehenden Schausteller zurück, welche dressierte Affen und Tanzbären mit sich führten und Zuschauer belustigten. Andere wiederum interpretieren den Bären und seinen Kampf mit dem Treiber als Kampf zwischen den Jahreszeiten. In Thaur erinnert die Bärengruppe mit den braunen und weißen Bären eher an ersteres, nicht zuletzt durch die zahlreichen Aufrufe des Treibers „Bärele, tanze!“

Auch die Bären mit ihren Bärentreibern gehören zu den Thaurer Mullern dazu. | Foto: Paul Bossenmaier
  • Auch die Bären mit ihren Bärentreibern gehören zu den Thaurer Mullern dazu.
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Der Klötzler

Beim „Klötzler“ gibt es in Thaur zwei Arten, einmal den Klötzler mit bunten Holzschindeln und mit weißen und braunen Holzschindeln. Der Klötzler ist eigentlich noch der einzige Vertreter aus der früheren Huttlergruppe, der vor den Plattlern und Weißen auftritt und so Platz für diese schafft. Das Platzmachen war früher die Aufgabe der Huttlergruppe, heute übernimmt der Klötzler oder manchmal auch der Krameter diese Aufgabe. Der Mann, welcher in einen Klötzler steckt braucht sehr viel Kondition, um die kleinen Holzschindeln fliegen zu lassen.

Die Klötzler | Foto: Paul Bossenmaier

Der Zottler und der „Frosch“

Der berühmteste und wohl auch der wildeste Vertreter der früheren Huttlergruppe ist der „Zottler“. Seine rauen Bewegungen, seine grimmig schauende Larve, sein fester Schlag und seine dumpfen Laute kennzeichnen ihn als Vertreter des Winters. Sein Gewand besteht aus blauen, grünen, roten und gelben Fransen, die aus Kartoffelsäcken gerupft, anschließend eingefärbt und auf eine blaue Montur aufgenäht werden. Sein Hut besteht aus dem typischen gelben Filzhut, wie immer an der linken Seite mit einem Stulp. Der „Frosch“ wird nur vom Zottler ausgeführt. Wenn ein Melcher oder gar ein Spiegeltuxer auf den Ranzen des auf dem Boden liegenden Frosches steigt, so hat das Frühjahr eindeutig über den Winter gesiegt.

Der Zottler | Foto: Paul Bossenmaier

Der Zaggeler

Mit dem „Zaggeler“ beginnt die zweite Gruppe der Muller. Die Larve ist unfreundlicher, die Bewegungen sind wilder und kräftiger, auch weniger im Takt des Mullerwalzers. Er trägt ein blaues Gewand, auf dem fast 100 Zaggelen (Quasten) genäht sind, unzählige kleine Glöckchen und kurze Fransen in den Farben der Zaggelen. Auf dem Kopfschmuck befinden sich ungefähr 100 schwarze Hahnenfedern, welche in einer Halbkreisform auf dem aufgebogenen Stulp genäht sind. In der Mitte ist ein Spiegel, viele Blumen und meist 5 Glasbarteln. Die rechte Seite bedeckt ein Hasenfell.

Der Zaggeler | Foto: Paul Bossenmaier

Der Fleckler

Lange Zeit hat es keinen Fleckler mehr gegeben, inzwischen hat man aus Erzählungen wieder herausgefunden, wie er ausgesehen haben könnte und seitdem zählt er wieder zu den „lebendigen“ Thaurer Mullerfiguren. Sein Gewand besteht aus unzähligen Stoffflecken in bunten Farben. Der Kopfschmuck erinnert sehr stark an den Zaggeler, jedoch trägt er nicht wie der Zaggeler ein Hasenfell, sondern ein Fuchsfell mit einem von hinten sichtbaren Fuchsschwanz. Auch das Tuch sieht nicht gleich aus wie sein Gewand, sondern es ist ein Seiden- oder Wollstofftuch mit Seidenfransen. Auch seine Bewegungen sind eine Mischung aus den wilden Bewegungen der Zottler und der sanfteren Bewegungen der Zaggeler.

Der Fleckler | Foto: Thaurer Muller

Die Spiegeltuxer

Der Mittelpunkt der Thaurer Fasnacht ist der „Spiegel- oder Altartuxer“. Sein über ein Meter hoher und ca. 14 kg schwerer Kopfschmuck ragt über alle anderen Fasnachtsfiguren hinaus. In der Mitte des Kopfschmuckes befindet sich ein großer, in Thaur immer ein viereckiger Spiegel, und insgesamt findet man noch über 100 kleinere Spiegel auf dem Altar. Weiße Gockelfedern und Spielhahnstöße schließen den Kopfschmuck nach außen ab, auf der Rückseite findet man Fahnenbänder meist in den Thaurer oder Tiroler Farben. Der Spiegeltuxer trägt ein mit Goldfäden gesticktes, altes Schützenleibchen, das meist den Tiroler Adler zeigt. Da auch sein Tanz ein Plattler ist, trägt er wie der Melcher eine kurze, schwarze Lederhose und an den Unterschenkeln Stitzln.

Bedeutung des Spiegels
In Thaur ist der Spiegel in der Mitte des Rades immer rechteckig – im Gegensatz zu den anderen MARTHA-Dörfern. Im Altar (Kopfschmuck) der Spiegeltuxer Melcher und Weißen sind auch kleine runde Spiegel zu finden. Jeder Muller in Thaur hat einen kleineren oder größeren Spiegel, der den Dämonen des Winters ihre Hässlichkeit und Grausamkeit zeigen soll. So sollten die Dämonen des Winters durch ihre eigene Abschreckung vertrieben werden, um dem Frühling Platz zu machen.

Die Spiegeltuxer | Foto: Paul Bossenmaier

Die Hiatltuxer

Eine etwas kleinere Ausführung des Spiegeltuxers ist der „Hiatltuxer“, dessen Kopfschmuck zwar gleich aufgebaut ist, jedoch nicht so hoch. Der Hiatltuxer geht entweder mit dem Gewand des Weißen und macht dessen Bewegungen oder er trägt die Kleidung des Spiegeltuxers.

Der Hiatltuxer | Foto: Thaurer Muller

Der Melcher

Die Schuhplattler aus Thaur schlüpfen in der Fasnacht in die Figur des „Melchers“. Der Melcher verkörpert ebenfalls einen sehr jungen, lebendigen, einen sehr lustigen und fröhlichen Menschen. Er trägt ein weißes Hemd, einen oftmals mit der Hand gestickten Hosenträger, ein grünes Tuch auf der Brust, eine kurze schwarze Lederhose und einen Ranzen mit Talerkette. Seine kurzen Socken und die Stitzl um die Waden sind noch ein Teil der bayrischen Tracht. Der Tanz des Melchers ein Plattler im Takt des Mullerwalzers. Weder das Trestern, das Platteln, noch das Gehen kann ohne Ziehorgel ausgeführt werden. So braucht man eine Menge Plattlerübung und ein gutes Taktgefühl um ein Melcher sein zu können.

Der Melcher | Foto: Paul Bossenmaier

Die Lall

Die „Lall“ ist eine Spott-Figur in der Thaurer Fasnacht. Sie stellt ein Weiberl dar, die ihren Mann im Ruckkorb trägt und dabei sehr gebückt geht. Die männliche Maske gleicht dem Melcher, die weibliche Maske ist lediglich eine Puppe die an den Korb angenäht ist.

Die Lall | Foto: Thaurer Muller

Der Weiße

Der „Weiße“ ist eine sehr schöne, junge und lebendige Figur der Thaurer Fasnacht. Von der weißen Hose mit rot-grünen Quasten, aufgenähten Bändern und Glöckchen an der Hosennaht und seinem weißen Hemd hat er den Namen. Ein schönes Schultertuch meist aus Seide mit Fransen geht von seiner linken Schulter bis zur rechten Hüfte. Um seine Mitte ist eine Federkielbinde mit einer Talerkette aus Silbertalern. Seine Bewegungen sind sehr lebendig, indem er mit kurzen Schritten tänzelt und im Takt des Mullerwalzers trestert. In seiner Hand hat er einen sogenannten „Ulrichstecken“, der bereits im Herbst abgeschnitten und im Wasser gebogen wird. So hüpft er vorwärts und rückwärts über seine Gerte, mit der er auch die Leute zum Abmullen einfängt. Auf dem Kopf trägt er einen Hut mit Zierrat und kleinen Spiegeln. Die Larve zeigt ein jugendliches, fröhliches Gesicht.

Der Weiße | Foto: Thaurer Muller

Der Alte

Der „Alte“ ist ein Teil der traditionellen Altbäuerischen. Er ist ein „alter Thaurer Wirt“ mit einer Zillertaler Tracht. Das Gesicht ist bereits faltig und alt. Auf seinem Fügener Hut sind ein paar Blumen und ein halber Spielhahnstoß. Er trägt eine knielange Lederhose und gleich dem Spiegeltuxer ein altes Schützenleibchen. Er benötigt bereits einen Stecken zum Gehen und trägt auch einen Tuxer aus dem Zillertal. Jedoch zeigt er noch immer Kraft, indem er über seinen Stecken steigt und auch hin und wieder einen Plattler zeigt, den er nicht verlernt hat. Er ist der letzte aus der Gruppe der Melcher, Weißen, Spiegeltuxer und Alten, die durch ihren gemeinsamen Hut, den Fügener Hut, und die Bedeckung des Hinterkopfs durch Rosshaar eine Gruppe bilden.

Der Alte | Foto: Thaurer Muller

Der Krameter

Der „Krameter“ eröffnet den Zug der Thaurer Muller. Er ist wohl einzigartig in ganz Tirol. Sein Gewand besteht aus duftenden Wacholderstauden, die ganz frisch und meist unter einer dicken Schneedecke hervorgeholt werden müssen. Dann sind die Frauen der Krameter gefragt. Mit einem Spagat werden die stechenden Stauden auf eine dicke, alte Eisenbahner- oder Postuniform genäht. Das Gewicht summiert sich und kann dann letztendlich bis zu 45 Kilogramm betragen. Auch die schöne Larve wird umhüllt von Wacholderstauden und der Besen ist ein langer Wacholderast. Der Krameter ist für das Platzmachen verantwortlich. Er sorgt dafür, dass die Muller sich dann auf der ganzen Straße ausbreiten können. Eine Woche nach dem ersten Auftritt jedoch kann man den Krameter wieder abtrennen und die Uniform wieder in den Kasten hängen, denn aus dem schönen Grün wird eine Mischung aus dürrem Braun und den durchscheinenden Farben der Uniform. Den nächsten Auftritt erlebt der Krameter dann beim nächsten Mullerlaufen 2017.

Der Krameter | Foto: Paul Bossenmaier

Die Affen

Wahrscheinlich gehen die Affen wie auch die Bären auf die Zeiten der durchziehenden Schausteller zurück, welche dressierte Affen und Tanzbären mit sich führten und Zuschauer belustigten. Im Gegensatz zu den eher langsamen Bewegungen der Thaurer Bären haben die Affen einen schnellen, turbulenten Auftritt.

Der Affe | Foto: Thaurer Muller

Die Altbäurischen

Dieses alte Trachtenpaar war ursprünglich nur in Thaur bekannt. Das Wort hat auch nichts mit Bayern zu tun, sondern eben mit einem Bauernehepaar, das gerne noch bei der Fasnacht mitmacht und dabei einen traditionellen Figurentanz vorführt. Aber eben in einem dem Alter entsprechenden Tempo. Der Alte – also ohne Partnerin – ist auch alleine als Figur zu sehen. Dann steigt er über seinen Stock, auf den er sich ansonsten beim Gehen stützen muss.

Die Altbäurischen | Foto: Thaurer Muller

Mehr Informationen zu den Thaurer Muller finden Sie auf der Website: 
https://www.thaurer-muller.at/die-muller/

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