Erinnerungskultur
Stadt Innsbruck setzt mit "Zeitpunkten" weiteren Schritt

Mit den Zeitpunkten gibt es eine Erinnerungskultur auf Augenhöhe. | Foto: Proxi Design
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Innsbruck setzt ein weiteres Zeichen in Sachen Erinnerungskultur. Mit den Zeitpunkten wird in Innsbruck eine besonder und zeitgemäße Form der geschichtlichen Aufarbeitung präsentiert. Das Gedenken auf Augenhöhe wurde einstimmig im Gmeinderat beschlossen. Zu Projektstart werden von der Stadt Innsbruck in Zusammenarbeit mit dem Programm des Bildungsministeriums www.erinnern.at etwa zehn ‚Zeitpunkte‘ erarbeitet. Die Webseite, die Teil des Auftrages ist, wird in die neue Webseite der Stadt – welche noch heuer online gehen soll – implementiert.

INNSBRUCK. Während des Zweiten Weltkrieges wurden in Innsbruck verschiedene gesellschaftliche Gruppen verfolgt, vertrieben und ermordet. Neben jüdischen MitbürgerInnen, u.a. Jenische, Homosexuelle, Angehörige der Zeugen Jehovas und Wehrdienstverweigerer. Die genaue Anzahl ist unbekannt. Bisher wurde einigen Wenigen mittels Straßenbenennung gedacht (z.B. Richard-Berger-Straße), jedoch gibt es keine Gedenkzeichen an die Opfer an ihrem letzten freiwillig gewählten Wohnort. "In einigen Städten werden sog. Stolpersteine, ein Konzept aus den 1990er Jahren, verlegt. Dieses ist inzwischen formal überholt (Die Stolpersteine werden im Boden verlegt, sodaß man darauf treten kann), außerdem gibt es inhaltlich zahllose Fehler. Damit sind die Stolpersteine nicht mehr zeitgemäß", wird in der Amtsvorlage ausgeführt.

Finanzierung

„Es freut mich, dass die Initiative nicht nur im städtischen Kulturausschuss, sondern auch im Stadtsenat und im Gemeinderat einstimmig befürwortet wurde. Dies zeigt für mich, dass allen ein würdiges Gedenken an die Opfer dieser Zeit wichtig ist“, betont Innsbrucks Kulturstadträtin Uschi Schwarzl. Mittelfristig sieht das Konzept vor, dass weitere Erinnerungszeichen vor allem auf Antrag aus der Zivilgesellschaft errichtet werden. „Eine ExpertInnenkommission – die es noch zu definieren gilt - soll künftig halbjährlich gemeinsam mit dem Stadtarchiv/Stadtmuseum die Einreichung auf ihre inhaltliche Qualität bzw. historische Richtigkeit beurteilen und über die Anbringung eines ‚Zeitpunktes‘ entscheiden“, erklärt der Leiter des Stadtarchiv/Stadtmuseum, Lukas Morscher. „Um die Verbindung des Einreichers bzw. der Einreicherin mit dem jeweiligen ‚Zeitpunkt‘ zu gewährleisten, ist dabei auch ein kleiner Unkostenbetrag vorgesehen. Die Montage und Wartung übernimmt die IKB kostenfrei“, ergänzt Kulturamtsleiterin Isabelle Brandauer. Finanziert wird das Projekt via Nachtragskredit in der Höhe von 52.000 Euro für das Jahr 2022 sowie 48.000 Euro für das Jahr 2023.

Stimmen aus dem Kulturausschuss

„Unser Innsbrucker Weg ist nicht mit Stolpersteinen gepflastert, aber die ‚Zeitpunkte‘ stellen Meilensteine im fortlaufenden und so wichtigen Prozess der städtischen Erinnerungskultur dar“, ist sich die Vorsitzende des Kulturausschusses, SPÖ Gemeinderätin Irene Heisz, sicher.
„Mit dem Projekt gewährleisten wir in Innsbruck ein Gedenken und Erinnern auf Augenhöhe, das zeitgemäß und multimedial ist“, meint der Klubobmann der ÖVP, Gemeinderat Christoph Appler. „Die Zeitpunkte sind eine ästhetisch ansprechende, zeitgemäße und würdevolle Form des Gedenkens. Durch den Fokus auf die Namen der Opfer entsteht eine sehr persönliche Wirkung", ergänzt die stellvertretende Kulturausschussvorsitzende, Gemeinderätin Theresa Ringler von Für Innsbruck (FI). „Diese Zeichen ermöglichen eine Reflexion und kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und prägen unser kollektives Gedächtnis als Stadt- und auch Wertegemeinschaft“, so die Klubobfrau der Grünen, Gemeinderätin Janine Bex. „Mit den ‚Zeitpunkten‘ setzt Innsbruck ein einzigartiges, sehr angemessenes Zeichen der Erinnerung“, erläutert FPÖ-Gemeinderätin Astrid Denz.

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Zeitgemäße Aufarbeitung

Im Auftrag des Kulturausschusses wurde das Stadtarchiv/Stadtmuseum beauftragt, mit der IKG und dem Institut für Zeitgeschichte eine moderne Herangehensweise zu entwickeln. Als Ergebnis dieser Überlegungen wurde ein zweistufiger internationaler Wettbewerb unter Moderation von WEISRAUM initiiert. Dieser Prozess wurde von einer Sach- und einer Fachjury begeleitet. Einstimmig als Sieger ging das Konzept der Firma Proxi Design hervor. Im Kulturausschuss vom 4. Mai 2022 stellte Herr Amann von Proxi Design seine Überlegungen vor. Der Ausschuss empfahl einstimmig die Umsetzung.

Die Zeitpunkte bieten viele Informationen | Foto: Proxi Design
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Das Konzept

Das Konzept sieht vor, dass an den von der IKB betreuten Masten etwa 7–10 cm im Durchmesser und etwa 2–3 cm dicke Messingscheiben angebracht werden. Auf diesen ist etwa auf Augenhöhe in Siebdruck mit Pulverbeschichtung als Schutz der Schriftzug (Beispiel): „Für Sarah Benrath“ angebracht. Eine zweite Scheibe weiter unten wird mit einem QR-Code versehen, der auf eine Website verweist, auf der umfangreiche weitere Informationen (Biographie, Stadtplan, Mehrsprachigkeit etc.) abgerufen werden können. Durch das Wort „Für“ wird der Bezug zum jeweiligen Menschen hervorgehoben. Das Konzept sieht weiters vor, dass neue Erinnerungszeichen ausschließlich auf Antrag und Erstrecherche aus der Zivilgesellschaft errichtet werden. Eine Person oder Personengruppe setzt sich mit einem Opfer auseinander und erforscht dessen Biographie.

Die Umsetzung

Die Montage und Wartung übernimmt die IKB kostenfrei. Zu Projektstart werden in Zusammenarbeit mit www.erinnern.at etwa zehn Zeitpunkte erarbeitet und die Kosten zur Gänze von der Stadt getragen. Die Website, die Teil des Auftrages an die Firma Proxi ist, soll auf der neuen Website der Stadt implementiert werden. Die bisherigen Kosten des Wettbewerbes und der Begleitung durch WEISRAUM wurde aus dem laufenden Budget getragen. Die Gesamtkosten des Projektes betragen laut Kostenschätzung durch Proxi Design netto € 100.000,- (plus 20 % Sicherheit). Die dann folgenden laufenden Kosten sind gering. Es  wird ein Prototyp einer solchen Scheibe entwickelt und getestet. Parallel wird die Homepage und die weiteren Erfordernisse bearbeitet. Es kann mit der Montage der ersten Zeitpunkte in den ersten Monaten des Jahres 2023 gerechnet werden.

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