Massenbilanz Gletscher
Viel Schnee auf den Gletschern, entscheidend ist aber der Sommer
TIROL/SALZBURG/KÄRNTEN. Mit überdurchschnittlich viel Schnee starten die Gletscher in den Hohen Tauern in den Sommer. Für die langfristige Entwicklung sind aber die Sommer entscheidend.
Im Rahmen des Gletscherbeobachtungsprogramms der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) wird jedes Jahr Ende April gemeinsam mit der Universität für Bodenkultur der Massenzuwachs der Gletscher am Hohen Sonnblick ermittelt. Hier befinden sich das Goldbergkees mit 1,4 Quadratkilometer Fläche und das Kleinfleißkees mit 0,8 Quadratkilometer Fläche. Dazu waren über 400 händische Messungen notwendig.
Massenzuwachs von knapp zwei Meter Wassersäule
„Der Winter war für die Gletscher gut", sagt ZAMG-Gletscherforscher Anton Neureiter,„Der Massenzuwachs am Goldbergkees liegt bei 10 Prozent über dem Durchschnitt der letzten 20 Jahre und entspricht einer Wassersäule mit einer Höhe von 1900 Millimeter. Das Kleinfleißkees hat im vergangenen Winter 20 Prozent mehr Masse gewonnen als in einem durchschnittlichen Winter. Das entspricht einer Wassersäule mit 1710 Millimeter Höhe."
Die Schneemenge des Winterhalbjahres hat allerdings nur einen geringen Einfluss auf die Entwicklung der Gletscher. Langfristig ist die Witterung im Sommer wichtiger als im Winter. Entscheidend dabei seien gelegentliche Kaltlufteinbrüche im Sommer, die Schnee oder Regen auf den Gletschern bringen, betont Gletscherexperte Neureiter. Eine frische, weiße Schneedecke eines sommerlichen Schneefalls reflektiert fast zu 100 Prozent die Sonnenstrahlen und kann den Gletscher so bis zu einer Woche vor dem Schmelzen schützen.
Vorzeigeprojekt im internationalen Gletschermonitoring
Die regelmäßige Ermittlung der Massenbilanz der Gletscher in der Sonnblick-Region und der Pasterze durch die ZAMG sind mittlerweile ein Vorzeigeprojekt für ein standardisiertes Monitoring im Global Cryosphere Watch Programm der Weltorganisation für Meteorologie (WMO). Die Messserien zeigen das Schrumpfen der Alpengletscher als direkte Folge der gegenwärtigen Erwärmung.
Eismasse nimmt ab
Die Pasterze verlor in den letzten fünf Jahren 16 Prozent ihrer Eismasse
Die drei Gletscher Goldbergkees, Kleinfleißkees und Pasterze sind im Beobachtungszeitraum der letzten fünf Jahre stärker geschmolzen als in vergleichbaren 5-Jahreszeiträumen zuvor (obwohl das Jahr 2014 auf den Gletschern am Sonnblick seit langem wieder einen zwischenzeitlichen Massenzuwachs gebracht hat). Die Sommer 2015, 2017 und 2018 waren extrem heiß, sodass die Gletscher in diesen Sommern pro Jahr fast zwei Meter an Eisdicke verloren haben. In den letzten fünf Jahren haben die Gletscher an der Oberfläche (klimatisch bedingte Massenänderung) 6,3 Meter (Sonnblickgletscher) bzw. 7,0 Meter (Pasterze) an Eisdicke verloren. Das entspricht etwa 18 Prozent bzw. 16 Prozent ihrer Gesamtmasse.
Weltweit herausragende Messreihe der Schneechemie
Im Rahmen des Gletschermonitorings wird auch die chemische Zusammensetzung der Schneedecke analysiert. Diese Auswertungen der Schneechemie sind mittlerweile zu einer weltweit einzigartigen Messreihe angewachsen. Denn der Messort ist weit entfernt von unmittelbaren menschlichen Einflüssen (wie Siedlungen oder Schigebieten) und die Messreihe umfasst bereits mehr als 30 Jahre. Die Daten der Ionenkonzentrationen erlauben Aussagen über Langzeittrends sowie detaillierte Auswertungen von außergewöhnlichen Depositionsereignissen aus Ferntransport wie zum Beispiel Saharastaub.
Erfolg durch Umweltschutz
Besonders eindrucksvoll zeigt sich im Langzeitmonitoring der Rückgang der Sulfatbelastung vom Beginn in den 1980er Jahren bis heute um 70 Prozent. Auch die Nitratbelastung verzeichnet einen Rückgang um 30 Prozent. „Die Hauptquellen von Sulfat und Nitrat in der Schneedecke sind Schwefeldioxid und Stickoxid, die überwiegend aus Abgasen von Industrie und Verkehr aus Europa stammen. Diese Emissionen wurden über die letzten Jahrzehnte europaweit stark reguliert und reduziert, wodurch sich mittlerweile positive Auswirkungen auf die Umwelt erkennen lassen. Alle anderen untersuchten Ionen, wie zum Beispiel Ammonium, zeigen hingegen noch keinen signifikanten Trend“, sagt die ZAMG-Expertin für Schneechemie Marion Greilinger.
Österreichische Kooperation im Rahmen von Global Crysphere Watch
Das laufende Gletscher- und Schneedeckenmonitoring auf den Gletschern des Sonnblicks und der Pasterze ist Teil des Programms Global Cryosphere Watch der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) und wird vom Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus finanziert.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.