Podiumsdiskussion des Club Tirols
Was macht COVID mit unserer Gesellschaft?

11. Virtuelles CLUB TIROL-Meeting via Zoom | Foto: Club Tirol
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INNSBRUCK. Abstand halten, Kontakte vermeiden, geschlossene Betriebe, Home-Office und Home-Schooling: Was macht die Viruskrise mit unserer Gesellschaft? „So ungewiss der konkrete Verlauf der Krise aktuell erscheint, so wollen wir uns doch schon heute mit der Frage beschäftigen: Wie leben und wirtschaften wir nach der Pandemie? Wie verändert sich unser Zusammenleben, was ist gekommen, um zu bleiben?“

Genau diesen Fragen stellte sich der Club Tirol gemeinsam mit der renommierten Meinungsforscherin und Geschäftsführerin der Karmasin Research & Identity GmbHSophie Karmasin, Caroline Kunz, Ärztin und Psychotherapeutin und Club Tirol-Mitglied, Andreas Altmann, Professor und Rektor am Management Center Innsbruck (MCI) und Club Tirol-Mitglied und Rainer Nowak, Chefredakteur und Herausgeber der Tageszeitung "Die Presse", der als Moderator durch den Abend führte. 

Auswirkungen auf Gesellschaft

Das Thema der Online Konferenz war "Was macht COVID mit unserer Gesellschaft" und fand am 8.2.2021 mit rund 80 Teilnehmern statt. Das spannend zusammengesetzte Podium setzte sich mit zahlreichen interessanten Aspekten auseinander, u.a. den sozialen Folgen der Pandemie, den Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt wie auch auf das Konsumverhalten und die Psyche der Menschen. Wird sich die globalisierte Gesellschaft wieder stärker zurück zu lokalen Strukturen entwickeln, Nachhaltigkeit und Wir-Kultur wieder verstärkt lokal statt global gedacht werden? Oder kommt doch das genaue Gegenteil?

Ungewollte Aufmerksamkeit

„Die Pandemie, die in Ischgl startete und weite Kreise bis Deutschland und noch viele andere Länder zog, hat dafür gesorgt, dass zu Beginn des vergangenen Jahres ganz Europa auf Tirol blickte. Aus ökonomischer Sicht, ist Tirol mit 50 Millionen Gästenächtigungen pro Jahr von der Krise besonders betroffen und viele Lebenswerke werden einfach den Bach hinuntergespült. Zudem erhält Tirol durch die Virus-Mutation aus Südafrika erneut die ungewollte Aufmerksamkeit und nun steht die Frage eines "Spezial-Lockdowns für Tirol" im Raum“, so MCI Rektor Andreas Altmann.

Freiheitsdrang der Tiroler

Ärztin und Psychotherapeutin Caroline Kunz schätzt die Opferrolle Tirols wie folgt ein: „Der Freiheitsdrang der Tiroler ist bereits im Genpool verankert und daher geht der Lockdown logischerweise automatisch mit Gefühlen wie Verzweiflung, Angst, Wut oder Aggression einher. Eine detailliertere Krisenkommunikation wäre hier gewiss ein guter Ansatz, sodass auch die Allgemeinheit der Bevölkerung die Einführung unterschiedlicher Maßnahmen beispielsweise besser verstehen würde.“

Stimmung in Tirol

„Die Studie "das neue Retro?", bei der gemeinsam mit dem Meinungsforschungsinstitut Karmasin Research & Identity (downloadbar unter www.karmasin-research.at) über 1000 Österreicher erstens zu ihrem Verhalten während des Lockdowns und zweitens zu ihrem voraussichtlich zukünftigen Verhalten befragt wurden (10. – 13. April 2020), hat ergeben, dass jeder Zweite mittel bis stark finanziell von der Krise betroffen ist und somit in Armut endet. 74% der Unternehmen sind negativ betroffen und 60% der Eltern befinden sich am Ende ihrer Belastungsgrenze. Sie sind besorgt über die schulischen Defizite ihrer Kinder und auch im Bezug auf die Digitalisierung hat sich viel getan. Junge Menschen sind sich im Bezug auf ihre Zukunft zunehmend unsicher und stehen wortwörtlich"in den Scherben ihrer eigenen Zukunft". Eine positive Veränderung könnte jedoch sein, dass viele mittlerweile sogar Gefallen an einer entschleunigten Welt finden und, dass wissenschaftliche Erkenntnisse seit Corona mehr im Diskurs sind, als je zuvor. "Die Wissenschaft ist also gekommen, um zu bleiben",“ so Meinungsforscherin Sophie Karmasin zur aktuellen Situation. 

Angepasste, Gestalter, Verunsicherte & Fatalisten

Die Meinungsforscherin präsentierte zudem die aus der Studie stammenden derzeitigen Typologien der österreichischen Gesellschaft: Da gebe es die Angepassten (optimistisch eingestellt, aber obrigkeitshörig), die Gestalter (optimistisch und liberal), die Verunsicherten (pessimistisch) sowie die Fatalisten (pessimistisch mit autoritärer Einstellung). Noch sei die Gruppe der Angepassten die größte, doch jene der Verunsicherten - darunter besonders viele junge Menschen – steige dramatisch an. Deren Angst etwa um Fragen „wie geht es in meinem Leben weiter“ sowie aufkeimende Gerechtigkeitsdiskussionen seien eine gefährliche Tendenz in Hinblick auf das künftige gesellschaftliche Gefüge. Besonders, weil auch die Fatalisten immer mehr werden. „Ein weiteres Problem ist, dass psychologische Probleme und Ungerechtigkeitsfragen immer weiter in den Fokus rücken: Leider wurden in den letzten Jahren zu wenig Investitionen für Kinder und Schulen getätigt und die dort entstehenden Probleme nicht ernst genommen. Neue soziale Bruchlinien sind entstanden und unzählige Menschen aus Migrationsländern, Frauen, Kinder, Alleinerzieher fühlen sich vor allem jetzt ungerecht behandelt und zu wenig beachtet“, betont Karmasin.


Wie blickt man in Zukunft zurück?

„Gewiss wird man in Zukunft positiv auf die Krise zurückblicken, da wir in einem der reichsten Länder der Welt leben und keine Not leiden müssen. Die Pandemie hat uns gezeigt, dass Dankbarkeit wieder gepflegt werden muss und, dass wir genau das auch unseren Kindern nahebringen müssen. Aus der Krise kann man was Gutes machen, indem man sich an der frischen Luft in der Natur bewegt, Musik hört, ein Buch liest oder wieder mal ein Brettspiel spielt. Wer also eine positive Komponente in sein Leben einbringt, der profitiert auch aus der Krise und bleibt innerlich stabil“, erklärt Psychologin Caroline Kunz.

Besser gewappnet

Wenn der Alltag wieder zurückkehrt, wird das Ganze bestenfalls 1,5 Jahre gedauert haben und die gemachten Erfahrungen werden unser Leben verändern. Die Digitalisierung wird auf höchstem Niveau bleiben und auch im Bezug auf Klimawandel und Klimaschutz sind viele endlich wachgerüttelt worden. Selbstverständlich wird die Verunsicherung stets bleiben, da alle miterlebt haben, dass sich unser Leben von der einen auf die andere Sekunde ändern kann. Trotzdem werden viele Unternehmen in Zukunft auf alle möglichen Szenarien besser vorbereitet sein“, so Sophie Karmasin, die sich sicher ist, dass wir positiv aus der Krise herausgehen.

Jetzt investieren

Die ökonomischen Unsicherheiten, die multiplen Verwerfungen in der Wirtschaft, die „werden wir noch lange mitschleppen“, meint Andreas Altmann. Doch jetzt, wo von staatlicher Seite „Geld faktisch abgeschafft ist“, gebe es die Chance, in große Programme zu investieren – wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung, eine neue Ausrichtung des Wirtschaftsstandortes Österreich. Altmann: „Jetzt kann man Dinge bewegen, man muss den Mut dazu haben, da müssen wir hin, das schafft Veränderung.“

Diskutanten wie viele der sich rege beteiligten Zuseher waren sich am Ende einig, dass unser Zusammenleben nach der Pandemie anders sein werde als zuvor. Was es braucht, um aus der Krise heraus zu kommen, formulierte Club Tirol-Präsident Julian Hadschieff in seinen Schlussworten: „Den respektvollen Umgang miteinander und ein gemeinsames mit Zuversicht in die Zukunft Gehen.“


Virus ist wie "Anti Egoismus Kampagne"

„Die Tatsache, dass nichts mehr planbar ist, sorgt bei vielen Menschen für Angst und Unsicherheit und genau deshalb sind die Medien mehr als je zuvor dazu aufgerufen, die Menschen zu ermutigen, um aus ihrer Angst und den Schamgefühlen rauskommen. Außerdem kann das Virus auch als eine Art "Anti Egoismus Kampagne" gesehen werden, da wir damit beginnen müssen, Rücksicht zu nehmen, um die Krise in den Griff zu bekommen“, betont Psychologin Caroline Kunz.

Weitere Teilnehmer

Unter den Teilnehmer des virtuellen Meetings wurden gesehen: die CLUB TIROL-Vorstandsmitglieder Charlotte Sengthaler (e&k public relations), Peter Kunz (Kunz Wallentin RAE), Martina Scheiber (HR-SCOPE) Herbert Rieser (cafe+co) und Barbara Kolm (Vizepräsidentin der Österreichischen Nationalbank). Iris Ortner (IGO Industries GmbH), Christian Jäger (Hypo Tirol Bank), Christiane Gasser (Swarovski Kristallwelten), Clemens Pig (APA), Ursula Hillbrand (AoH Salonhosting), Martin Hörmann (IV), Karin Mayr (Observer) Isabella Fischer (BMI), Ulrich Fuchs (EGOS), Manfred Gaber (Rotes Kreuz), Hannes Gruber (VIG), Daniel Winkler und Alexander Kittinger (Hollu), Martin Kreutner (IACA), Matthias Lechner (Factor Innsbruck), Peter Lorenz (lorenzateliers), Gabi Pröll (Hagelversicherung) sowie Journalist und Autor Claus Reitan uvm.

Über den CLUB TIROL

Rund 40.000 Tiroler leben in Wien und Umgebung. Seit mehr als zwölf Jahren bietet ihnen der CLUB TIROL ein politisch unabhängiges Business-Netzwerk. Jährlich veranstaltet der CLUB TIROL für seine mittlerweile mehr als 550 Mitglieder zahlreiche Veranstaltungen zu Themen aus Wirtschaft, Politik und Kultur. Aktueller Vorstand des CLUB TIROL ist Präsident Julian Hadschieff, Vorstandsvorsitzender PremiQaMed Group und Humanocare-Eigentümer, Vizepräsidentin Unternehmensberaterin Renate Danler, Renate Danler Consulting, Peter Kunz, Kunz Wallentin RAE GmbH, Barbara Kolm, Vizepräsidentin der Österr. Nationalbank, Präsidentin des Hayek-Instituts und Direktorin des Austria Economics Center, Kommunikations-Beraterin Charlotte Sengthaler, Stefan Kirchebner, Chef der Garde, Personalberaterin Martina Scheiber HR-SCOPE, Key Account Manager bei café+co und Organisator der Wirtschaftswanderung Herbert Rieser und Bastian Sieberer, RBI und Vertreter der Young Leaders.

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Was macht COVID mit unserer Gesellschaft? | Foto: Pixabay
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