Amt für Kinder- und Jugendhilfe
Wie Innsbrucks Kinder unter Covid-19 leiden

Die angestiegenen Zahlen im Jahr 2020 geben einen Rückschluss auf die unterschiedlichen familiären Belastungen und Ängste, die durch die Pandemie noch verschärft wurden.  | Foto: Pixabay
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  • Die angestiegenen Zahlen im Jahr 2020 geben einen Rückschluss auf die unterschiedlichen familiären Belastungen und Ängste, die durch die Pandemie noch verschärft wurden.
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INNSBRUCK. Die Auswirkung der Corona-Pandemie auf Kinder, Jugendliche und Familien sind enorm. Im vergangenen Jahr – mit Beginn der Corona-Krise – verzeichnete die Jahresstatistik rund 1.200 Gefährdungsmeldungen. Dies bedeutet einen Anstieg im Vergleich zu 2019 von knapp 37 Prozent (2019: 880 Meldungen). Die meisten Gefährdungsmeldungen im Jahr 2020 wurden von der Polizei (354 Mal) sowie von nicht meldungspflichtigen Personen wie Nachbarn, anderen Verwandten, Freunde, einem Elternteil oder anonymen MelderInnen eingebracht (321 Mal).

Herausforderungen

Die Erziehung und Begleitung von Kindern und Jugendlichen ist für Eltern eine der größten Herausforderungen im Leben. Familien können dabei aus unterschiedlichen Gründen an ihre Grenzen stoßen. Hinzu kommt, dass die Anforderungen an Familien in den letzten Jahrzehnten durch Veränderungen im Berufsleben und in der Gesellschaft stark gestiegen sind. Die Kinder- und Jugendhilfe der Stadt Innsbruck vermittelt und unterstützt fachlich in vielfältiger Weise und versteht sich als Hilfsangebot bei allen Arten familiärer Problemlagen. Bei einem Pressegespräch informierten der ressortverantwortliche Vizebürgermeister  Johannes Anzengruber, der Amtsvorstand der Kinder- und Jugendhilfe Raphael Hölbling sowie Magistratsdirektorin Gabriele Herlitschka (Amtsvorständin bis Jänner 2021), über die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf Kinder, Jugendliche und deren Familien.

Sichtbare Folgen

Die Corona-Krise und die ab Mitte März 2020 zu deren Eindämmung verhängten Maßnahmen haben sichtbare Folgen auf zahlreiche Lebens- und Gesellschaftsbereiche. Auch die Kinder- und Jugendhilfe ist davon betroffen. So ist durch die coronabedingten Einschränkungen eine deutliche Zunahme von psychosozialen Belastungen und Problemen in Familien zu beobachten. Dies zeigen vor allem die steigenden Zahlen in Bezug auf Gefährdungsabklärungen auf Basis der Meldungen, die im Vorjahr bei der Kinder- und Jugendhilfe im Stadtmagistrat eingegangen sind. Gefährdungsmeldungen sind Mitteilungen von Personen oder Organisationen an die zuständige Kinder- und Jugendhilfe über den Verdacht, dass Eltern mit der Versorgung ihres Kindes/ihrer Kinder überfordert sind oder ihr Kind/ihre Kinder vernachlässigen, misshandeln oder missbrauchen.

 Vizebürgermeister Johannes Anzengruber (r.), Magistratsdirektorin Gabriele Herlitschka und Amtsvorstand Raphael Hölbling zogen über das vergangene Jahr der Kinder- und Jugendhilfe Bilanz. © M. Freinhofer


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  • Vizebürgermeister Johannes Anzengruber (r.), Magistratsdirektorin Gabriele Herlitschka und Amtsvorstand Raphael Hölbling zogen über das vergangene Jahr der Kinder- und Jugendhilfe Bilanz. © M. Freinhofer

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Ausnahmesituation

„Die Corona-Pandemie und die daraus entstandenen Folgen stellen nach wie vor für viele Familien in Innsbruck eine Ausnahmesituation dar. Wirtschaftliche Sorgen, Herausforderungen wie Homeschooling oder Homeoffice beider Elternteile aber auch der geringe psychische Ausgleich durch sportliche Betätigung oder fehlende soziale Kontakte sind Ursachen, die zu extremen Belastungen für Eltern und deren Kindern führen. Durch die lange Zeit der Überforderung kann sich die Lage zu Hause aufschaukeln und ein gewaltgeprägtes Erziehungsverhalten durch die Eltern entstehen. Jene Familien, die hier vor besonderen Schwierigkeiten stehen, sind eingeladen, sich an das Amt für Kinder- und Jugendhilfe zu wenden und Beratung und Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützen mit ihrer Expertise bei familiären Problemen verschiedenster Art“, betont Vizebürgermeister Johannes Anzengruber.

Steigende Gefährdungsmeldungen

Im vergangenen Jahr – mit Beginn der Corona-Krise – verzeichnete die Jahresstatistik rund 1.200 Gefährdungsmeldungen. Dies bedeutet einen Anstieg im Vergleich zu 2019 von knapp 37 Prozent (2019: 880 Meldungen). Die meisten Gefährdungsmeldungen im Jahr 2020 wurden von der Polizei (354 Mal) sowie von nicht meldungspflichtigen Personen wie Nachbarn, anderen Verwandten, Freunde, einem Elternteil oder anonymen MelderInnen eingebracht (321 Mal). Hingegen gab es bei Schulen nur eine leichte Erhöhung von rund zehn Prozent und bei Kindergärten sogar einen Rückgang der Meldungen von ca. 40 Prozent. Grund dafür könnte der Wegfall von Unterstützungssystemen und die daraus resultierende Unterbrechung von Kommunikationswegen sein, etwa aufgrund der Schließung von Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen. Die meist genannten Gründe für eine Meldung beim Amt für Kinder- und Jugendhilfe waren Überforderung der Eltern und der Verdacht auf Vernachlässigung/Verwahrlosung des Kindes.

Schutz und Sicherheit

„Der Schutz und die Sicherung des Kindeswohls stehen auch in Corona-Zeiten im Zentrum der Arbeit. Es geht darum, Minderjährige vor körperlicher und psychischer Gewalt, Vernachlässigung, Verwahrlosung sowie sexuellem Missbrauch zu schützen. Jede eingehende Gefährdungsmeldung wird durch fachkundige Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter der Kinder- und Jugendhilfe nach dem Vier-Augen-Prinzip überprüft“, erklärt Amtsvorstand Raphael Hölbling. Bei einem Verdacht von Kindeswohlgefährdung sind folgende Einrichtungen einer schriftlichen Mitteilung an das Amt für Kinder- und Jugendhilfe gemäß § 37 Abs. 1 (Bundes- Kinder- und Jugendhilfegesetz 2013 - B-KJHG 2013) verpflichtet: Gerichte, Behörden und Organe der öffentlichen Aufsicht (Polizei), Einrichtungen zur Betreuung oder zum Unterricht von Kindern und Jugendlichen, Einrichtungen zur psychosozialen Beratung, private Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, Kranken- und Kuranstalten oder Einrichtungen der Hauskrankenpflege. Die Mitteilungspflicht trifft auch Angehörige gesetzlich geregelter Gesundheitsberufe, sofern sie ihre berufliche Tätigkeit nicht in einer der genannten Einrichtung ausüben.

Belastungsfaktoren

Die angestiegenen Zahlen im Jahr 2020 geben einen Rückschluss auf die unterschiedlichen familiären Belastungen und Ängste, die durch die Pandemie noch verschärft wurden. Die Überforderung der Eltern kann sich dabei auf den Erziehungsstil auswirken. Im Hinblick auf Familien gibt es eine Vielzahl von Risikofaktoren, die das Auftreten von unangemessenen Erziehungsmethoden gegen Kinder und Jugendliche begünstigen. Die Belastungsfaktoren können sich auf unterschiedliche Art und Weise äußern. Durch die Corona-Pandemie sind Familienmitglieder auf engem Raum über einen längeren Zeitraum zusammen. Gerade in solchen Momenten, wegen fehlender Ausweichmöglichkeiten, da Familienangehörige nicht arbeiten oder Kinder nicht in Betreuungs- und Bildungseinrichtungen gehen, kann es vermehrt zu innerfamiliären Konfliktsituationen kommen. Vor allem jetzt haben sich die Bedingungen für häusliche Gewalt wegen der lang andauernden Situation erhöht. Auch weitere Ursachen wie finanzielle Probleme, Arbeitsplatzunsicherheit oder geringen bis gar keinen Kontakt mit Freunden sowohl bei Kindern als auch Eltern forcieren den psychischen Druck, der dadurch zu Hause entsteht, maßgeblich.

"Menschen, die Gewalt anwenden, haben mit überdurchschnittlicher Häufigkeit selbst Gewalt in der Familie erlebt. Dadurch steigt auch das Risiko, den eigenen Kindern gegenüber gewalttätig zu werden, erheblich an. So kann unter Umständen ein Kreislauf von Gewalt entstehen, der letztlich als Symptom einer belasteten Lebenssituation zu verstehen ist."

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