Corona-Diskussion
"Zu den ansteckungsgeneigten Orten zählen insbesondere Promenaden bzw. Flussufer"

Am Marktplatz werden Sitzmöbel aufgebaut. | Foto: IKM
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INNSBRUCK. Die Politdebatte um Sonnendeck und Marktplatz geht weiter. Auch die Verordnung von Bgm. Willi vom März 2020 ist wieder aktuell, der Verfassungsgerichtshof hat eine Beschwerde abgewiesen. Interessant auch die Erklärung für die Verordnung: "Bei den damals herrschenden Witterungsverhältnissen im Promenadensystem (Inn, Sill) waren massenhafte Zusammenkünfte zu verhindern."

Dauerdiskussion

Aktuell liegt die Landeshauptstadt mit 498 nur knapp unter der 500er-Grenze von positiv aktiven Coronafällen. Die 7-Tage-Inzidenz liegt derzeit bei 231. Auch unter diesem Aspekt ist die  Diskussion rund um das Sonnendeck und den Marktplatz zu betrachten. Im März 2020 wurde die Verordnung der Sperre u. a. begründet: "Zu den ansteckungsgeneigten Orten zählen insbesondere Promenaden bzw. Flussufer, wie die gegenständlichen, wo bei den im März 2020 vorherrschenden Witterungsverhältnissen größere Menschenansammlungen entstehen." Vizebürgermeister Johannes Anzengruber hat die Sperre des Sonnendecks und Marktplatz in den Raum gestellt. Unterstützung hat Anzengruber von Vbgm. Lassenberger, GR Mariella Lutz und GR Gerald Depaoli erhalten. Die sozialistischen Jugendorganisationen SJ und JG haben sich dagegen ausgesprochen. Auch Bgm. Willi meinte in einem Stadtblatt-Interview: "Ich persönlich hätte – im Nachhinein betrachtet – mir die Sperrung der Innpromenaden im ersten Lockdown sparen können. Heute finde ich diese Entscheidung überzogen." Jetzt melden sich auch NR Barbara Neßler und GR Janine Bex zu Wort, ihre Devise:  „Der öffentliche Raum in Innsbruck muss offen bleiben!"

Keine Lösungen

„Es gibt wenig Absurderes, als genau jetzt, da die Menschen nach einem Jahr Pandemie und einem harten Winter ins Freie gehen, den öffentlichen Raum sperren zu wollen – und dabei auch noch besonders auf die Jugendlichen loszugehen“, kommentieren Barbara Neßler, Grüne Jugend- und Familiensprecherin im Nationalrat, und Janine Bex, Klubobfrau der Grünen Innsbruck, die von der ÖVP ausgehenden Forderung nach Schließung des Sonnendecks und des Marktplatzes. Noch absurder ist für Neßler allerdings, dass die Forderung auch vom FPÖ-Vizebürgermeister Markus Lassenberger kommt, dessen Parteifreunde aus ganz Österreich bekanntermaßen kaum eine Gelegenheit auslassen, um demonstrativ gegen die Covid-Regeln zu verstoßen und den Steigbügelhalter für Corona-Leugnerinnen und -leugner zu geben. „Bevor sich Lassenberger auch nur über einen einzelnen Jugendlichen am Marktplatz oder auf der Innpromenade aufregt, sollte er vor seiner eigenen Parteihaustüre kehren“, richtet Neßler ihm aus. Bex kritisiert, dass nur politisches Kleingeld auf Kosten einer Altersgruppe gewechselt werde. „Damit sollten die diversen Parteien schnell aufhören. Wer sich tatsächlich Sorgen um die Gesundheit der Innsbruckerinnen und Innsbrucker macht, kann nicht gleichzeitig für das Offenhalten von Handel, Gastronomie und Tourismuseinrichtungen plädieren, um dann im Gegenzug öffentlichen Raum für Jugendliche sperren zu wollen. Das ist nicht nachvollziehbar und daher auch kontraproduktiv“, argumentiert Bex. Selbstverständlich appellieren Neßler und Bex an alle, die Präventionsmaßnahmen einzuhalten und somit sich und andere zu schützen: „Je vorsichtiger wir jetzt sind, desto eher können wir in unser normales Leben zurückkehren. Das dafür notwendige solidarische, umsichtiges Verhalten kann aber keine Einbahnstraße sein, das funktioniert nur, wenn sich alle daran halten – egal, ob am Marktplatz, in der Maria-Theresien-Straße, in Kaufhäusern oder anderswo.“

Bauarbeiten am Marktplatz

Kurzzeitig scheint die Frage Marktplatz durch Bauarbeiten nicht aktuell zu sein. So werden derzeit mobile Sitzmöbel am Marktplatz aufgestellt. Die kreisrunden Sitzgelegenheiten sind so konzipiert, dass sie jederzeit schnell auf- und auch wieder abgebaut, bei Veranstaltungen integriert und auch – zum Beispiel mit Pflanzen – angepasst und erweitert werden können. Farblich orientieren sich die sechs Möbel an der neu gestalteten Fassade der Markthalle. Das Konzept spiegelt sich auch in den farblich passenden Flächen am Boden wider. „Eine hohe Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum muss Ziel jeder modernen Stadt sein und ist untrennbar mit der Lebensqualität aller Bewohnerinnen und Bewohner verbunden“, betont Bürgermeister Georg Willi. Dem schließt sich auch Stadträtin Schwarzl an: „Auch wer keinen Balkon, Garten oder Innenhof hat, soll in Innsbruck den Frühling im Freien genießen können. Deshalb ist es so wichtig, an öffentlichen Orten einladende Sitzgelegenheiten zu schaffen.“ Zu beachten sind die geltenden Maßnahmen und Sicherheitsabstände. „Auch wenn die Ansteckungsgefahr im Freien geringer ist, appelliere ich dennoch an das Verantwortungsbewusstsein aller“, unterstreicht Bürgermeister Willi.

Beschwerden

Beim Landesverwaltungsgericht Tirol sind Beschwerden im Zusammenhang mit der Verordnung des Bürgermeisters vom März 2020  eingegangen. Eine Geldstrafe in Höhe von € 150,00 wurde verhängt wurde, weil am 26. März 2020 um 11.28 Uhr ein Passant auf Höhe der Matthias-Schmid-Straße 12c in 6020 Innsbruck "unter einem Absperrband hindurch" und dann weiter über den Innradweg und über die Tiflisbrücke gegangen sei und damit einen öffentlichen Ort entgegen § 1 Z 22 der angefochtenen Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck betreten habe. Ebenfalls eine Geldstrafe in Höhe von € 150,00 wurde verhängt , weil ein Passant am 23. März 2020 um 14.15 Uhr auf der Innpromenade in der Höhe des Gebäudes Prandtauerufer 8 angetroffen worden sei und damit einen öffentlichen Ort entgegen § 1 Z 20 der angefochtenen Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck betreten habe. Der Landesverwaltungsgerichtshof hat beim Verfassungsgerichtshof einen Beschluß über die Gesetzwidrig der Verordnung beantragt.

Einblicke

Das Urteil des Verfassungsgerichtshofs ermöglicht auch einen Einblick in die Entstehung und Begründung der Verordnung. So wird in einem Aktenvermerk der Stabsstelle festgehalten: "Zu diesem Zeitpunkt erfolgte eine exzessive Nutzung der Innpromenaden, insbesondere im Innenstadtbereich. Durch diese exzessive Nutzung besteht die latente Gefahr einer Ausbreitung von COVID-19. Folglich wurde heute in der Stabsbesprechung aus fachlicher Sicht einstimmig festgestellt, dass die Erlassung einer über die Bestimmungen der Verordnung des Landeshauptmanns (LGBL. 33/2020) hinausgehende Verordnung dringend notwendig ist um an Orten mit üblich starkem Personenaufkommen auf engen Raum die Infektionsgefahr hintanzuhalten." Anlass war: Die Anzahl der positiven Fälle hat sich stark erhöht, aktueller Stand bei 123 Infizierte. Gegenüber dem Verfassungsgerichtshof wird argumentiert: "Aufgrund der aktuellen Lageübersicht und einer dynamischen Lageentwicklung in Innsbruck (Anstieg der positiv getesteten Personen innerhalb von 48 Stunden von 86 auf 123 sowie dem Anstieg der Verdachtsfälle innerhalb von 48 Stunden von 882 auf 1.182) war die dringende Notwendigkeit gegeben, für Orte mit üblicherweise starkem Personenaufkommen und der damit verbundenen Gefahr einer Weiterverbreitung von COVID-19 zeitnah Maßnahmen seitens der Bezirksverwaltungsbehörde zu setzen. Zu den ansteckungsgeneigten Orten zählen insbesondere Promenaden bzw. Flussufer, wie die gegenständlichen, wo bei den im März 2020 vorherrschenden Witterungsverhältnissen größere Menschenansammlungen entstehen. Um die Infektionsgefahr hintanzuhalten, war es notwendig, die verfahrensgegenständliche, zweckmäßige Verordnung zu erlassen."

Abgewiesen

Der VgH hält fest in der Urteilsbegründung weiter fest: "Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Innsbruck als verordnungserlassende Behörde verwies demgegenüber unter anderem auf die im Verordnungsakt dokumentierte Entwicklung des Infektionsgeschehens und darauf, dass es notwendig gewesen sei, bei den damals herrschenden Witterungsverhältnissen im "zusammenhängenden Promenadensystem (Inn, Sill) im Stadtgebiet von Innsbruck" Verlagerungen bzw. Verdrängungen massenhafter Zusammenkünfte zu verhindern, weshalb auch die Verordnung dem sich "täglich ändernden Lagebild" angepasst worden sei." Die Anträge des Landesverwaltungsgerichts wurden abgewiesen.

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