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Ein Trauerspiel an polemischen Wortmeldungen - Abwahlantrag gescheitert

Highnoon im Innsbrucker Gemeinderat: Abwahlantrag gegen Vize Lassenberger abgeblitzt.. | Foto: zeitungsfoto.at
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INNSBRUCK. Höhepunkt des Innsbrucker Gemeinderates: der Abwahlantrag von Vizebürgermeister Markus Lassenberger, eingebracht durch die Innsbrucker Grünen. Die Stadtblatt-Berichte zu den GR-Themen Corona-Wirtschaftsimpulspaket 2021 mit 1,06 Mio. beschlossen und der Sperre des Fußgängertunnels in Mühlau (Keine Sanierung, Neubau unrealistisch) können Sie schon jetzt nachlesen.

Anträge

Entsprechend der Geschäftsordnung wurden eingebrachte Anträge aus der vergangenen Sitzung behandelt, diesmal u.a.: "Markthalle - Außenbereich (Nordseite), Errichtung einer temporären Terrassenkonstruktion" (GR Depaoli). Trotz aktueller Baumaßnahmen einer Terrasse bei der Markthalle, die in ca. zwei Wochen abgeschlossen sind, wird der Antrag dem Stadtsenat zugewiesen. "Innsbrucker Verkehrsbetriebe und Stubaitalbahn GmbH (IVB), Aussetzung der Tariferhöhung" (GR Plach), wurde wegen einem fehlenden Bedeckungsvorlage von Bürgermeister Willi zurückgewiesen. "Ausschuss für Arbeit, Wirtschaft und Tourismus, Aufwertung" (StR Federspiel), der Antrag wurde dem Stadtsenat zur selbstständigen Erledigung zugewiesen.  "FußgängerInnenzonen Altstadt und Maria-Theresien-Straße, Absicherung durch Poller" (GR Kunst). Bereits 2017 hat GR Andreas Kunst  die ersten Initiaitve für eine Absicherung ergriffen. Uneinig zeigt sich der Gemeinderat in Frage der Finanzierung dieser Poller und fordert vor allem eine Unterstützung durch den Bund. So wäre eine Ma´ßnahmen vor der Hofburg eine Angelegenheit des Innenministeriums während die Sicherheit in der Altstadt wieder eine kommunale Aufgabe ist. Vbgm. Lassenberger und Bgm. Willi zeigen sich in der Diskussion in der Frage Sicherheit und deren Kosten uneins. StR Oppitz-Plörer sieht im Innenstadtbereich die Poller als wichtige Maßnahme. GR Mariella Lutz kritisiert das Sicherheitsverständnis der Grünen. GR Dejan Lukovic erinnert an die Bundesverfassungsschutz-Diskussion. GR Mayer wundert sich über die parteipolitische Auslegung des Antrages und fordert ein Bekenntnis zur Sicherheit. GR Zeliha Arslan definiert den Sicherheitsbegriff auch für Kultur, Soziales oder Bildung. StR Elisabeth Mayr wehrt sich gegen das "Ausspielen" wichtiger Themen und deren Finanzierung. GR Onay sieht das "ideologische Geplänkel" rund um das Thema als kritisch. Der Antrag wurde dem Stadtsenat zur selbstständigen Erledigung zugewiesen. Dabei soll auch eine Initiative in Richtung Städtebund erfolgen. "Kinder- und Jugendgesundheit, Ausarbeitung von Maßnahmen und Impulsen (GR Onay), der Antrag wurde dem Stadtsenat zugewiesen. Vizebgm. Anzengruber weist in diesem Zusammenhang auf die kostenlose Hotline 0800 400 120 (Psychosozialer Dienst für die emotionale Unterstützung beipersönlichen Sorgen, täglich von 8 bis 20 Uhr) hin. "Kulturveranstaltungen der Stadt Innsbruck, Fair Pay-Prinzipien (GR Onay), der Antrag wurde dem Stadtsenat zugewiesen. "Sprachförderung im elementarpädagogischen Bereich in der 15a Vereinbarung, Aufstockung der Mittel durch Bund und Land" (GR Arslan), der Antrag wurde dem Stadtsenat zugewiesen.  

Der Gemeinderat: der Saal wird immer leerer. | Foto: Stadtblatt
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Abwahlantrag

Die Diskussion um den Abwahlantrag wurde von GR Renate Krammer-Stark (Grüne) eröffnet. Die geht nochmals auf die Antragsbegründung ein. Markus Lassenberger verlässt den Sitzungsraum und wird durch Markus Abwerzger vertreten. In der Diskussion versuchen die gewählten Abgeordneten ihren jeweiligen Standpunkt zu erklären. Die Abwahl von Markus Lassenberger ist aus ideologischen Gründen für die Innsbrucker Grünen sowie für GR Benjamin Plach und StR Elisabeth Mayr eine Verpflichtung. Alle andere Fraktion kritisieren die ideologische Begründung des Antrages. Die Diskussion ist eine gegenseitige Abrechnung an parteistrategischen Positionen, gepaart mit der jeweiligen Auslegung des eigenen Demokratieverständnisses. Mehrere Fraktionen verlassen den Sitzungsraum. In den fast 120 Minuten werden polemische Wortmeldungen und zynischen Politanalysen über anderen Parteien in den Raum gestellt, die die Grenzen der Stadtpolitik bisweilen durchaus überschreiten. Am Ende der Debatte ging es nur mehr um die Eigenunterhaltung der Abgeordneten, die ohne Widerspruch ihre Argumente, Einschätzungen, Meinungen und Thesen von sich geben. Aufgrund der Anmeldungen an Stimmenthaltungen ist eine Abstimmung über den Antrag nicht mehr möglich, da der Gemeinderat nicht mehr beschlussfähig ist. Die Zukunft der Innsbrucker Politik: "ein Spiel der freien Kräfte". Zum Sitzungsende waren nur mehr 12 Gemeinderätinnen und Gemeinderäte anwesend und Bürgermeister Georg Willi hält fest: "Die Koalition ist damit zu Ende."

ÖVP-Aussendung

So etwas hat es noch nie gegeben: Die Gemeinderäte von FI, ÖVP, SENIORENBUND, FPÖ, NEOS, ALI, LISTE FRITZ, GERECHTES INNSBRUCK und die Hälfte der SPÖ-Fraktion haben heute vor der Abstimmung über den Abwahlantrag der Grünen den Saal verlassen bzw. bei der Abstimmung nicht mitgestimmt. „Es ist ein unmissverständliches Signal, dass die Mehrheit des Gemeinderates die Machtspiele von Bürgermeister Georg Willi endgültig satt hat. Dem grünen Verständnis von Politik, nämlich einfach so lange zu wählen, bis einem das Ergebnis passt, wurde heute endgültig eine Absage erteilt“, sagt ÖVP-Klubobmann Christoph Appler. „Seit Wochen lähmt diese unwürdige Debatte jegliche Sacharbeit in der Stadt. Inhaltliche Akzente bleiben auf der Strecke. Während die ganze Welt gegen Corona ankämpft, führt unser Bürgermeister einen ideologischen Grabenkrieg. Denn genau darum und um nichts anderes geht es ihm bei der Abwahl von Vizebürgermeister Lassenberger. Das zeigt sich auch in der Antragsbegründung, in der keine inhaltlichen, sondern nur ideologische Gründe angeführt sind. Diese Art von Politik ist nach dem misslungenen Abwahlversuch endgültig gescheitert – nicht nur im Gemeinderat. Die Menschen in unserer Stadt schütteln darüber nur mehr den Kopf. Die Grünen haben Innsbruck mit ihren Ränkespielen zur bundesweiten Lachnummer gemacht“, zeigt sich Appler verärgert. Dass Georg Willi die Abwahl Lassenbergers zur Koalitionsfrage hochstilisiert habe, sei in der jetzigen Situation einfach verantwortungslos. „Wir haben immer gesagt, dass Personalentscheidungen keine Koalitionsfrage sein dürfen. Das war bei der von Georg Willi selbst forcierten Abwahl seiner eigenen Koalitionspartnerin Christine Oppitz-Plörer so und das ist auch jetzt so“, sagt Appler. Wenn man sich die Entwicklungen der letzten Wochen ansehe, dann könne man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Koalition von den Grünen bewusst an die Wand gefahren wurde, sagt Appler: „Wer seinen Koalitionspartnern ständig nur Ultimaten stellt, ihnen alles über die Medien ausrichtet und wichtige Entscheidungen ohne interne Abstimmung im Alleingang trifft, braucht uns nicht erklären, dass es ihm nur um das Wohl der Stadt geht. Tatsache ist, dass Georg Willi heute seine eigene Koalition versenkt hat.“ Am Willen der Volkspartei, die Stadt möglichst schnell aus der Krise herauszuführen, ändere aber auch die heute von Bürgermeister Georg Willi ohne Not aufgekündigte Koalition nichts. „Eine Politik mit angezogener Handbremse wird es mit uns nicht geben. Da wir mit allen Faktionen ein gutes und konstruktives Gesprächsklima haben, bin ich überzeugt, dass wir im freien Spiel der Kräfte bei vielen wichtigen Projekten rasch vorankommen werden. Nicht ideologische Fragen sind für uns entscheidend, sondern dass in unserer Stadt endlich wieder was weitergeht“, so Appler.

Begründung

  • In der Begründung für die Abberufung nennen die Innsbrucker Grünen folgende Punkte:
  • Die ablehnende Haltung der FPÖ zu vielen im Arbeitsübereinkommen formulierten Inhalten und Zielen.
  • Die permanente Diskriminierung von Zugezogenen und Schutzsuchenden sowie die Nähe zu rechten Szenen und Corona-Leugnerinnen und -Leugnern.
  • Am schwersten wiegt für die Innsbrucker Grünen jedoch die unter Paragraph 35 im Stadtrecht verankerte Vertretungsregelung des 1. Vizebürgermeisters. Sollte der Bürgermeister für längere Zeit ausfallen, so wäre der 1. Vizebürgermeister de facto das Stadtoberhaupt.

„Das wäre in diesem Fall der vom Gemeinderat bestimmte FPÖ-Vizebürgermeister in Stellvertretung für einen direkt von den Innsbruckerinnen und Innsbruckern gewählten Bürgermeister der Grünen. Das können wir so nicht akzeptieren!“
GR Renate Krammer-Stark


Hintergrund

"Markus Lassenberger ist erster Bürgermeisterstellvertreter der Stadt Innsbruck." Diese Worte von Bürgermeister Georg Willi am 21. Jänner waren der Startpunkt einer andauernden Regierungskrise in Innsbruck. Markus Lassenberger wurde in einer geheimen Wahl im Innsbrucker Gemeinderat zum ersten Bürgermeisterstellvertreter gewählt: Stimmenthaltungen: 6, Elisabeth Mayr: 16, Markus Lassenberger: 18.

Der Antrag

Der Gemeinderat möge beschließen:
Bürgermeister-Stellvertreter Markus Lassenberger (FPÖ) wird nach § 17a Abs. 1 und 2 des Innsbrucker Stadtrechtes von seinem Amt abberufen.
Begründung:
Mit der Wahl von Markus Lassenberger (FPÖ) zum Bürgermeister-Stellvertreter geschah in Innsbruck ein Dammbruch. Dies insofern, als es ein Novum in der Geschichte des Innsbrucker Gemeinderates ist, dass eine Regierungskoalition nicht die Kandidatin der Koalition,sondern einen Kandidaten der Opposition zum ersten Vizebürgermeister gewählt hat.
Dieser Dammbruch hat nicht nur zu erwartbaren Verwerfungen in der Koalition geführt,sondern darüber hinaus eine enorme (gesellschafts)politische Dimension, dader wider Erwarten gewählte erste Vizebürgermeisterder FPÖ angehört, die vielen derim Arbeitsübereinkommen 2018 bis 2024 formulierten Ziele und Inhaltesehr kritisch bis ablehnendgegenübersteht.
Das reicht von spaltender und abwertender Sprache, über Ablehnung von Wohnbauvorhaben gemeinnütziger Wohnbauträger, Kunst-und Kulturfeindlichkeit bis hin zur konstanten Trennung zwischen Bürger*innen, die in Innsbruck geboren sind und solchen, die aus welchen Gründen auch immer zugezogen sind. Dies sowie die fehlendeglaubhafte Distanzierung vonrechten Szenen und Corona-Leugner*innen machen es unvertretbar, dass der Bürgermeister im Falle seiner Verhinderung durch einen ersten Vizebürgermeisterder FPÖ vertreten (§ 35 IStR ) und so die Stadt Innsbruck sowie die Stadtkoalition durch diesen repräsentiert werden:
§ 35 Vertretung des Bürgermeisters
Der erste Bürgermeister-Stellvertreter vertritt den Bürgermeister im Fall seiner Verhinderung oder seines vorzeitigen Ausscheidens in seinem gesamten Wirkungskreis. Bei Verhinderung des ersten Bürgermeister-Stellvertreters hat der zweite Bürgermeister-Stellvertreter die Geschäfte des verhinderten Bürgermeisters zu führen.
Zudem braucht es in Zeiten der Pandemie und damit einhergehender Krisen höchste Repräsentanten der Stadt, die Lösungsorientierung vor Konfliktbefeuerung, Wissenschaft vor Verschwörungsmythen sowie das Verbindende vor Spaltendes stellen.
Dies, sowie die Tatsache, dass die Mehrheitsfraktionen in Gemeinderat und Stadtsenat über dafür geeignete Kandidatinnen verfügen, machen eine Abberufung des erstenVizebürgermeisters gem. § 17 a (2)IStR zu einem Gebot der Stunde.

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