Situation in Pflege ist erschreckend

Laut dem Minutenschlüssel hat diese Pflegerin 15 Minuten Zeit, um einem Pflegebedürftigen das Essen zu verabreichen. Tatsächlich benötigt wird aber mindestens die doppelte Zeit.
  • Laut dem Minutenschlüssel hat diese Pflegerin 15 Minuten Zeit, um einem Pflegebedürftigen das Essen zu verabreichen. Tatsächlich benötigt wird aber mindestens die doppelte Zeit.
  • hochgeladen von Verena Kretzschmar

Die Burnout-Rate in Pflegeberufen ist enorm und steigt weiterhin. ISD-Betriebsratsvorsitzender Ambros Knapp kennt die Probleme der Pflege und fordert eine Ausbildungsreform, Imagekampagnen, mehr Geld für Pflege und einen neuen Minutenschlüssel.
1998 wurde der Minutenschlüssel zum letzten Mal adaptiert. Dieser gibt an, wie viel Zeit für bestimmte Pflegeaufgaben zu kalkulieren ist. Beispielsweise bleiben einem Pfleger 15 Minuten um einem Pflegebedürftigen der Stufe 5 das Essen zu verabreichen. Der tatsächliche Aufwand beträgt hier aber das Doppelte, zeigt der Tätigkeitsbericht der Heimanwaltschaft 2007-2009. „So ist es kein Wunder, dass die Pfleger nur noch gestresst von einer Aufgabe zur nächsten hetzen und für angenehme Dinge, wie persönliche Gespräche mit den Pflegebedürftigen zu führen, keine Zeit mehr haben. Diese Situation ist erschreckend“, so Ambros Knapp, ISD-Betriebsratsvorsitzender und AK-Vizepräsident. „Derzeit heißt es oft arbeiten, bis der Arzt kommt“, bringt es Knapp auf den Punkt. Burnout ist bei Pflegepersonen besonders oft anzutreffen. Laut Knapp sind es jedes Monat ein, zwei Mitarbeiter, die in den Urlaub geschickt werden müssen, da sie ausgebrannt sind. „Die Menschen, die in der Pflege arbeiten, können nicht einfach abschalten und ihre Kollegen sich selbst überlassen. Ich möchte nicht wissen, wie viele unbezahlte Überstunden die Mitarbeiter in den Heimen machen, weil sie die älteren Leute nicht hängen lassen wollen“, so Knapp. Und der Pflegeaufwand wird weiterhin wachsen: In 20 Jahren wird laut einer Prognose der Statistik Austria jedeR Neunte in Österreich über 75 Jahre alt sein.

Seit 25 Jahren nie Geld für Pflege
Das Land müsse lt. Knapp mehr Geld für die Pflege zur Verfügung stellen, um den Pflegeberuf attraktiver zu machen und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Mehr Geld wird es aber vonseiten des Landes vorerst nicht geben. „Schon vor 25 Jahren gab es nie Geld für die Pflege“, ärgert sich Knapp. Aber das sei nicht das einzige Problem. Auch Ausbildungsplätze für Pflegeberufe gäbe es zu wenige.

Zu wenig Ausbildungsplätze
Nur im AZW, in Lienz und zeitweise in Zams werden diplomierte Pfleger ausgebildet. „Den Aufnahmetest im AZW schaffen viele nicht. Es gäbe so viele junge Leute, die gerne in der Pflege arbeiten würden und mit dem Herzen dabei wären, aber den Aufnahmetest nicht schaffen“, so Knapp. Letztes Jahr wurden zwar einige Klassen mehr im AZW zugelassen, jedoch zweifelt Knapp, ob diese Absolventen dann auch wirklich den Heimen zur Verfügung stehen.

Niemand will in die Pflege
Pflegeberufe haben kein gutes Image und auch die Bezahlung entspricht laut Knapp nicht der Leistung, die erbracht wird. „Ist uns eine menschliche Pflege und Betreuung wirklich nicht mehr wert?“, stellt er deshalb die Frage in Richtung Politik.

Gruber sieht wenig Mangel
Laut Vizebgm. Franz-Xaver Gruber herrscht in Innsbruck nur ein sehr geringer Pflegepersonalmangel. „Wir haben im Prinzip nur einen kleinen Teil an Nachfrage an Personal, den wir nicht decken können. Das sind zwei bis drei Prozent nach dem Stellenplan. Wenn wir kein ausgebildetes Personal bekommen, versuchen wir eigenes Personal anzulernen.“ Der Bedarf wird aber mit dem Minutenschlüssel berechnet. Gruber gibt zu: „Es ist unumstritten, dass der Minutenschlüssel sehr belastend für die Mitarbeiter ist und überarbeitet werden muss.“ Der schale Nachgeschmack, dass durch den Minutenschlüssel der Personalmangel kaschiert wird, bleibt aber.

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