Das elende Prinzip Hoffnung

Erschaffen sich ihre eigene strahlende Realität: Carmen Gratl und Konrad Hochgruber in „Tod eines Handlungsreisenden“. | Foto: Christoph Tauber
  • Erschaffen sich ihre eigene strahlende Realität: Carmen Gratl und Konrad Hochgruber in „Tod eines Handlungsreisenden“.
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INNSBRUCK. Würde muss man sich leisten können. Willy Loman, der ausrangierte Vertreter aus Arthur Millers Tragödie „Der Tod eines Handlungsreisenden“ aus dem Jahr 1949, konnte sich noch nie wirklich viel leisten. Er führt mit seiner Frau und den zwei Söhnen ein Leben auf (Kredit-)Raten, hält sich zwar am Rande noch eine Geliebte, aber sonst eisern an den Prinzipien des „American Way of Life“ fest. Mit der richtigen Einstellung sprich einer zunehmend gefährlicheren Mischung zwischen Selbstüberschätzung und Realitätsverweigerung muss es ja irgendwann mal klappen mit dem sehnsüchtig erhofften und erträumten Lebensglück. Dass er mit dieser rigiden Haltung, die sich mehr und mehr zum Wahn auswächst, nicht nur sich selbst, sondern letztlich die ganze Familie in Geiselhaft nimmt und zu Co-Abhängigen seiner Erfolgssucht macht, darin liegt die Brillanz wie die Tragik dieses Klassikers, der einem heute vermutlich mehr denn je unter die Haut geht. Denn wird einem nicht über alle möglichen Kanäle unentwegt suggeriert, dass man bei entsprechender Selbstoptimierung einfach alles schaffen kann. Die hohe Altersarbeitslosigkeit und der rasante Anstieg von psychischen Erkrankungen sprechen zwar eine andere Sprache, aber vermutlich sind die Betroffenen wie schon Lomann bei Arthur Miller einfach zu alt und zu abgebrannt für diese „Alles ist möglich-Ökonomie“. Elmar Drexel hat dieses so aufwühlend jetzt-zeitige Stück für das Westbahntheater umgesetzt, auf einer puristisch reduzierten Bühne (Katrin Böge), mit einem bestens aufeinander eingespielten Ensemble und fokussiert sich dabei ganz auf die lauernden Leerstellen und zuweilen fast schizophren anmutenden Schwenks in den Interaktionen der Figuren. Nicht minder beeindruckend auch die Leistung der drei jungen Protagonistinnen in Volker Schmidts utopischem Umkehrspiel aus dem Jahr 2014 „Ihr könnt froh sein“, das Andrea Hügli für das Generationentheater im diemonopol zu einem Kammerspiel mit eindrücklichen Poledance-Sequenzen verdichtet hat. Denn auch Kathi, Liesl und Hanni, die das verarmte Europa in Richtung der neuen reichen Industriestaaten irgendwo im Ostern verließen, leben letztlich nach dem Prinzip Hoffnung, und das, obwohl sie fortwährend verkauft und missbraucht werden. Doch sie versprechen sich gegenseitig Unterstützung und Liebe, werden einander so zum kritischen Korrektiv. Und das lässt sie tatsächlich über sich hinauswachsen. Hügli lässt das Ende bewusst offen. Damit bleibt also doch noch ein Funken Hoffnung, selbst wenn sich das Rad der Geschichte unentwegt weiterdreht.

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