Ein lang gesuchtes Gedenken

Der Patscherkofel bietet nicht nur einen idealen Standort für eine Gruppe von Sendeanlagen auf seinem Gipfel, sondern vor allem eine herrliche Berglandschaft. Ein Paradies für Wanderer, Erholungssuchende und Naturfreunde nahe der Stadt. Aber jedes Paradies hat seine Schlange, und jene von Innsbrucks Hausberg war vor knapp 70 Jahren ein richtiges Ungeheuer namens Guido Zingerle
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  • Der Patscherkofel bietet nicht nur einen idealen Standort für eine Gruppe von Sendeanlagen auf seinem Gipfel, sondern vor allem eine herrliche Berglandschaft. Ein Paradies für Wanderer, Erholungssuchende und Naturfreunde nahe der Stadt. Aber jedes Paradies hat seine Schlange, und jene von Innsbrucks Hausberg war vor knapp 70 Jahren ein richtiges Ungeheuer namens Guido Zingerle
  • hochgeladen von Petra Happacher

Viele Male war ich heuer seit dem Frühjahr auf Innsbrucks Hausberg, dem Patscherkofel, unterwegs, um einen ganz bestimmten Ort zu suchen. Einen Ort inmitten der schönen Berglandschaft, an dem vor 66 Jahren ein grausamer Mord geschah und wo noch heute ein Gedenkkreuz an das Verbrechen und sein Opfer erinnert.

Die Angaben, die ich zu diesem Platz hatte, waren vage, verrieten mir nicht mehr als eine ungefähre Richtung südlich des Issbodens, etwa hundert Meter unterhalb des Weges zum Glungezer. Also immer noch ein riesiges, nicht überschaubares Gebiet.
Stundenlang war ich da immer wieder aufs Neue zwischen Zirben und Felsen unterwegs und hab mal mit bloßen Auge, mal mit Fernglas Ausschau gehalten. Jedes Mal vergeblich.
Auch meine Anfragen bei verschiedenen Leuten, die mit dem Patscherkofel, seiner Geschichte und Landschaft vertraut sind, waren erfolglos. Jeder wusste zwar von dem lang zurückliegenden Mord und von der Existenz des Erinnerungskreuzes, allerdings konnte mir keiner sagen, wo es zu finden ist...

Erst nach Wochen kam ich dann über einen Freund an einen Ortskundigen aus der Gemeinde Sistrans, der mir endlich den entscheidenden Hinweis gab, mit dem ich den tatsächlich vorhandenen Pfad zu jenem lang gesuchten Kreuz auf Anhieb entdecken konnte.
Weiß man erst einmal, wo man auf eine Trittspur zwischen Almrosenstauden und Zirben achten muss, ist sie sofort zu finden und führt einen geradewegs zu jenem Felsen, auf dem das schmiedeeiserne Kreuz, das engagierte Sistranser vor etwa acht Jahren restauriert haben, aufragt.

Es ist ein recht abgelegener, gut versteckter Ort, auch wenn man immer wieder die Stimmen der Wanderer hören kann, die ein gutes Stück oberhalb auf dem Zirbenweg unterwegs sind.

Vor 66 Jahren muss es hier noch viel einsamer und stiller gewesen sein, auch wenn die Patscherkofelbahn damals schon bestanden hat. Doch der heute weithin bekannte und gerade von Touristen so viel begangene Zirbenweg zwischen Bergstation im Westen und Tulfein Alm im Osten wurde erst 1968 angelegt.
Wer also die Schönheit der Berglandschaft nahe der Stadt ungestört genießen wollte, war hier ebenso richtig wie jemand, der unbeobachtet Böses im Sinn hatte... Und das war für den aus Südtirol stammenden Guido Zingerle, der zu diesem Zeitpunkt bereits mindestens eine Frau auf schreckliche Art ermordet und drei weitere vergewaltigt hatte, absolut ideal.
Für die eben erst mit ihrer Mutter im Berghotel am Patscherkofel angekommene englische Touristin Helen Anne Munro dagegen war es tödlich...

Wie die Begegnung zwischen dem Verbrecher und seinem zufälligen Opfer ablief, wie er sie vergewaltigte und nach einem stundenlangen Martyrium schließlich brutalst erschlug, ist in dem Buch „Der Zingerle: Geschichte eines Frauenmörders“ von Heinrich Schwazer genau nachzulesen. Auch wie der Mörder nach seiner schrecklichen Tat erst einmal im Gasthaus Heiligwasser bei der gleichnamigen Wallfahrtskirche einkehrte, um sich mit einem Gulasch zu stärken, ehe er nach Hause zu seiner Frau in Pradl ging. Und wie er nach Entdeckung der Leiche durch einen Jäger fünf Wochen lang auf der Flucht war, bevor er endlich gefasst, angeklagt und in zwei Prozessen, sowohl in Süd- wie Nordtirol, zu lebenslanger Haft verurteilt wurde.
Hartnäckig hielt sich später das Gerücht, dass Guido Zingerle zur Zwangsarbeit in die sizilianischen Schwefelgruben geschickt worden war. Tatsächlich verbüßte er seine Strafe bis zum April 1960 im Gefängnis von Volterra und dann die letzten zwei Jahre seines Lebens schwerkrank in Turi bei Bari, wo er schließlich 60jährig an Krebs starb.

So viele Einzelheiten wie zum Leben dieses als „Ungeheuer von Tirol“ titulierten Mannes und zu seinen grauenhaften Taten bekannt ist, so wenig weiß man über sein letztes Opfer, die Engländerin Helen Munro...
Wer war diese 43jährige, ledige Frau? Warum reiste sie mit ihrer Mutter durch ein Land, das erst wenige Jahre zuvor im Krieg mit ihrer Heimat gelegen hatte? Weshalb wurde sie nach ihrem gewaltsamen Tod nicht zurück in ihre Heimat gebracht, sondern in Innsbruck begraben?

Viele Fragen, die leider weder an ihrem Grab am Westfriedhof noch beim Gedenkkreuz am Patscherkofel beantwortet werden. Doch zumindest ist es schön zu wissen, dass das Schicksal dieser unbekannten Frau nicht in Vergessenheit gerät, dass noch heute das Gedenken an sie an zwei Orten bewahrt wird...
Und gerade am Patscherkofel, in einer paradiesisch schönen und dem Himmel recht nahen Landschaft, lässt sich auch gut dem Gedanken nachhängen, dass Helen Munro nicht nur ein Opfer sondern vor allem und in erster Linie ein Mensch, eine Frau mit einer eigenen Lebensgeschichte war. Diese wurde zwar durch einen perversen Mörder brutalst beendet, wurde dadurch aber nicht ausgelöscht. Man erinnert sich an sie. Bis heute und auch weiterhin...

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