"Wir ärgern uns jeden Tag"

"Aufstockung: Nein, danke", den AnrainerInnen in Dreiheiligen reicht's.
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INNSBRUCK. Vorbei ist es mit dem friedlichen Nebeneinander. Die AnrainerInnen der Hochhäuser in der Bienerstraße in Dreiheiligen sind sauer. Obwohl es von der Stadt nicht geplant war, standen vergangene Woche plötzlich eine Menge aufgebrachter BürgerInnen in der Kapuzinergasse. Ihnen steht die aktuelle Situation bis zum Hals. Nicht nur die Aufstockungen – mehrere große Wohngebäude wurden in den letzten Jahren auf einem Fleck gebaut –, auch randalierende Obdachlose würden die AnrainerInnen verunsichern. Bürgermeister, Vizebürgermeister und Vertreter der Exekutive mussten sich die Schilderungen anhören. "Sie erledigen ihre Notdurft in unseren Hauseingängen", "sie schlafen in den Tiefgaragen", "sie verkaufen Drogen", "wir trauen uns nicht mehr auf die Straße". Nun sollen die Teestube – der Verein für Obdachlose – aufgestockt werden und neue Wohnungen für Sozialschwache entstehen. Es ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. "Hier entsteht eine soziale Einrichtung nach der anderen. Nirgendwo anders gibt es so eine Parallelgesellschaft wie in Dreiheiligen", meinte einer der Anwesenden.

Überwachungskonzept neu

Auch die Polizei weiß über die Randalierer Bescheid. "In zwei Monaten gab es hier fünfzig Einsätze. Das ist zu viel", musste Oberst Reinhard Moser als stellvertretender Stadtpolizeikommandant gestehen. "Wir müssen ein neues Überwachungskonzept auf die Beine stellen. Aber in Luft werden sich die Leute auch künftig nicht auflösen", gab er zu bedenken.

Rede und Antwort

Vizebgm. Franz X. Gruber (ÖVP) gab seinem Unmut an jenem Nachmittag freien Lauf: "Wir hätten in einigen Wochen ohnehin eine Bürgerversammlung einberufen, um über die Maßnahmen zur Teestube zu informieren." Eigentlich wäre diesmal nur eine Begehung der neuen Häuser geplant. Die Antwort aus der Menge: "Wir ärgern uns aber jeden Tag". Nun wurden die Anliegen der Anrainer angehört, die Themen gesammelt. Im September soll eine Bürgerversammlung – diesmal eine offizielle – einberufen werden, um die Ängste abzubauen. Konkretes nannte Gruber jedoch schon diesmal: Die Parkbänke, auf denen die Obdachlosen vor der Teestube verweilen sollen abgebaut werden. Stattdessen wird in der Kapuzinergasse ein neuer Aufenthaltsraum – das "Sonnenplatzl" – entstehen, der besser kontrolliert werden kann. Die Katharinastube in Saggen soll außerdem ausgebaut werden, um eine Entflechtung der Situation voranzutreiben.

Obdachlos in der Stadt

Die Obdachlosen selbst bekommen wenig von den wütenden AnrainerInnen mit. Viele von ihnen haben Alkoholprobleme, arbeiteten als Saisonarbeiter in der Gastronomie und standen dann plötzlich auf der Straße. Es ist ein Teufelskreis, wie einer von ihnen erklärt. Er ist Slowake, früher hatte er eine Baufirma, die aber Konkurs gegangen ist. In Tirol arbeitete er in Hütten als Koch. Er ist Alkoholiker, er bräuchte professionelle Hilfe, um wieder fit zu werden. Da er aber keine Versicherung hat, kann er auch nicht auf Entzug gehen. Ob er weiß, dass die BewohnerInnen vor ihnen Angst haben? "Kein Wunder", sagt er und zeigt hinter sich auf eine Frau, "wenn sie so herumkreischt". Die Frau hat sichtlich psychische Probleme und schimpft sehr laut. Man schaut zu, nichts geschieht.
Für Oppositionsführer Rudi Federspiel (FPÖ) ist klar, dass die Stadt zu lange weggeschaut hat. "Dass diese Menschen einen Platz brauchen, das ist klar. Man muss das ganze dezentralisieren." "Entzerrung" ist auch für die aktuelle Regierung das Zauberwort, mit welchem man der angespannten Lage Herr werden will.

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