Über das Schicksal schwarzer Besatzungskinder im Nachkriegsösterreich
Harte Kost wird derzeit im Volkskundemuseum geboten. Noch bis 21. August zeigt die Ausstellung "SchwarzÖsterreich" das Schicksal österreichischer Kinder von afroamerikanischen Besatzungssoldaten. Die bz bat Kurator Niko Wahl zum Interview.
Wie kamen Sie gerade auf dieses, in Österreich eher unbekanntes, Thema?
NIKO WAHL: Angefangen hat alles mit einem Interview mit einer Wienerin, die als Kind vor dem Holocaust in die USA fliehen musste. Trudy hat als Erwachsene in New York als Bodenstewardess gearbeitet und sich um Kinder gekümmert, die unbegleitet aus Europa in die USA geflogen sind. Ihr fiel auf, dass viele schwarze Kinder darunter waren - das waren die Kinder der Besatzungssoldaten, die zu schwarzen Adoptiveltern gebracht wurden. Dieses interview löste das Projekt "Lost in Administration" aus, das sich der Geschichte dieser Kinder annahm.
Warum haben die österreichischen Mütter ihre Kinder weggegeben?
Bis 1991 hatte der Staat automatisch die Obsorge für jedes ledige Kind. Die Mütter mussten das Sorgerecht erst beantragen. Viele Mütter waren sehr jung und selber in schwierigen Situationen, da ihre Familien die schwarzen Kinder oft abgelehnten. Laut einer Statistik haben über 50 Prozent der Mütter versucht, ihre Kinder zu behalten.
Wie wird die Austellung "SchwarzÖsterreich" aufgenommen? Ist das noch ein Tabuthema?
Das Interesse, auch von Seiten der Medien, ist sehr groß! In den 50er und 60er Jahren waren die Besatzungskinder schon ein Tabuthema, obwohl es auch Prominente wie den Fußballer Helmut Köglberger gab. Schwarze Österreicher sind aber nicht auch zuletzt seit Fußballstar David Alaba, der vom Tiroler Landeshauptmann Günther Platter vor vier Jahren auf Englisch angesprochen wurde, wieder ein aktuelles Thema.
Wie lange haben Sie für die Ausstellung recherchiert?
Drei Jahre. Aber es handelt sich um kein abgeschlossenes Projekt, die Ausstellung ist ein Zwischenstand. Wir haben über 25 Leute interviewt. Es war wichtig, dass diese Menschen nicht von uns angesprochen wurden, sondern sich aus freien Stücken - nach einem Zeitungsaufruf - gemeldet haben. Das sind sehr persönliche Erinnerungen von teils traumatisierten Menschen - sie müssen selber entscheiden, ob sie uns ihre Geschichte erzählen wollen.
Welches Schicksal hat Sie besonders berührt?
Jedes einzelne! Es gibt entsetzliche Schicksale wie jenes einer Frau, die als Kleinkind in einem Heim ganz schwer misshandelt wurde - diese Schilderungen waren wie in einem Horrorfilm. Dann gibt es positive Geschichten, wie die einer Hausmeisterin aus dem 23. Bezirk, die durch ihren Lebensweg so stark geworden ist, dass sie jede Ungerechtigkeit kraftvoll zurückschlägt. Besonders bewegend sind natürlich auch Menschen, die es als Erwachsene geschafft haben, ihre leiblichen Familien ausfindig zu machen. Sehr berührt hat mich auch die Frage "Gibt es noch andere so wie ich?" eines Mannes aus der Leopolstadt.
Ist es den Betroffenen leicht gefallen, über ihre Kindheit zu sprechen?
Das war ganz unterschiedlich. Einige haben auch eine glückliche Kindheit gehabt, andere wiederum haben schwere Traumata erlitten. Für viele wurde mit der Zuwanderung anderer schwarzer Menschen in den 1980er Jahren der Alltag leichter. Man darf nicht vergessen, dass sich auch Kinder, die mit ihrer Mutter aufwuchsen, unverstanden fühlten, weil die Mutter ja als Weiße ihre Probleme nicht nachvollziehen konnte.
Sie haben auch Besatzungskinder, die in die USA gebracht wurden, interviewt?
Ja, aber in den USA war es nicht minder rassistisch wie im Nachkriegsösterreich. Dort gab es in den 50er Jahren noch die Rassentrennung. Die Adoptiveltern waren meist Menschen, die die Auflagen zur Adoption eines amerikanischen Kindes nicht erfüllten. Da wie dort wurden viele Kinder bereits im Kleinkindalter als Arbeitskräfte eingesetzt.
Kommen in der Ausstellung auch die Mütter zu Wort?
Nein, für dieses Projekt war es aufwendig genug, mit österreichischen und amerikanischen Besatzungskindern in Kontakt zu kommen. Die Salzburger Historikerin Ingrid Bauer hat sich mit diesen Müttern beschäftigt.
Zur Person
Niko Wahl wurde 1974 in Wien geboren und studierte Geschichte. Neben seiner Tätigkeit als freier Kurator und Künstler ist er Partner im Kulturbüro Kollwitz/Montefiore/Wahl. Gemeinsam mit Philipp Rohrbach und Tal Adler konzipierte er die Ausstellung "SchwarzÖsterreich" über Kinder von afroamerikanischen Besatzungssoldaten.
Die Ausstellung ist bis 21. August von Dienstag bis Sonntag jeweils von 10 bis 17 Uhr im Volkskundemuseum in der Laudongasse 15-19, 1080 Wien zu besichtigen. Eine Führung findet jeden Sonntag um 15 Uhr statt.
Weitere Infos unter www.volkskundemuseum.at und www.lostinadministration.at
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