Nachgefragt
Können Kinder bei Krampusläufen traumatisiert werden?

Foto: GEPA, Screenshot/Facebook
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In unserer Rubrik "Nachgefragt" fragen wir Experten zu häufig gestellten Fragen oder Anmerkungen von Lesern. Im Rahmen der Berichte über die Krampusläufe in der letzten Woche, kam es zu häufigen Anmerkungen von Lesern, dass solche Veranstaltungen für Kinder traumarisierend wirken könnten. Nachgefragt bei Herwig Oberlerchner, Vorstand an der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Klagenfurt.

KLAGENFURT. Auch kommendes Wochenende finden wieder Krampusläufe in Kärnten statt. Nach der Premiere der Veranstaltungen am vergangenen Wochenende wurde seitens MeinBezirk-Lesern auf Socialmedia Kritik laut, dass (Klein)Kinder bei solchen Umzügen nichts verloren hätten, da dadurch Traumata ausgelöst werden könnten. 

"Angst und Faszination"

"Angst und Schrecken, aber zugleich auch Faszination", so beschreibt Psychiater Herwig Oberlerchner das Phänomen „Krampus“ für Kinder. "Im Vergleich zu heute sahen einst die Masken harmlos aus", meint Herwig Oberlerchner mit Blick auf seine eigene Kindheit. Er erinnert sich: "Der Krampus, der zumindest am Krampustag in Begleitung mit dem Nikolo gekommen ist, stellte eine Verkörperung von Gut und Böse dar. Potenzielle Strafe, aber auch Belohnung wurden hiermit dargestellt". Der Nikolo tritt heute bei den großen Krampusumzügen kaum noch auf. Oberlerchner kritisiert auch, dass die Masken, die heute getragen werden, kaum noch etwas mit der Krampus-Vorstellung im eigentlichen Sinn zu tun haben. "Eine Mischung aus Mumie, Zombie und Totenkopf, aber eigentlich nichts mehr Krampusartiges."

"Kindern erklären, was das ist"

"Man sollte mit den Kindern sprechen, bevor man auf so eine Veranstaltung geht. Ihnen erklären, woher der Brauch kommt", erklärt Oberlerchner. Er mahnt aber auch, dass die Kinder nicht überschätzt werden sollten, was das betrifft. Zwar kann Oberlerchner keine explizite Altersgrenze dafür nennen, aber Kinder im Alter bis sechs Jahren hätten seiner Meinung nach "dort überhaupt nichts verloren, sie können das Wahrgenommene nicht einordnen, sie sind reizüberflutet". Oberlerchner weiter: "Das hängt auch von der Sensibilität und von der Wahrnehmungsfähigkeit des Kindes ab, ebenso von der Beziehung zu den Eltern, also ob beim Umzug noch wer dabei ist, aber vor allem auch von der Atmosphäre, die dort herrscht."

"Nicht in erster Reihe"

Entscheidend sei laut Oberlerchner ebenfalls, wie der Krampus emotional besetzt ist, ob mit ihm schon im Vorfeld gedroht wurde, also ob er als "Erziehungsmittel" eingesetzt wurde. Außerdem sollte es vermieden werden, „mit Kindern in der ersten Reihe zu stehen, damit eine Distanz zum Geschehen gegeben ist“. Ein potenzielles Trauma kann laut Oberlerchner entstehen, "wenn das Kind emotional unbegleitet ist, sich hilflos, ohnmächtig und wehrlos fühlt und den Schauplatz nicht verlassen kann".

"Elterliches Gespür gefragt"

Wenn man sich entschließt, mit Kindern zu einem Krampusumzug zu gehen, dann sollte man sich vorsichtig dem Geschehen annähern. "Mit den Kindern sollte im Vorfeld darüber gesprochen werden. Außerdem sollte ihnen unbedingt auch die Möglichkeit geboten werden zu sagen, wann es für sie auf der Veranstaltung genug ist und sie nachhause möchten", mahnt der Psychiater. "Es hat keinen Sinn, dass weinende, schreiende und kreischende Kind zu zwingen, weiter am Gatter zu stehen und auf den nächsten Krampus zu warten. Sensible und einfühlsame Eltern spüren, wie viel für das Kind zumutbar ist und ab wann der Rückzug angetreten werden sollte." 

Wahrung des Verhaltenskodex

Herwig Oberlerchner: "Als unerlässlich sehe ich das Alkoholverbot, die Einhaltung des Verhaltenskodex und außerdem sollte es unbedingt ein Böllerverbot geben. Die Zeit der Krampus- bzw. Perchtenläufe erstreckt sich über einen immer längeren Zeitraum, was bedeutet, dass jene Kinder, die sich vor den Krampussen fürchten, sich in einem Dauerstress befinden. Der Trend sollte besser weg von den Horrormasken-Umzügen hin zum eigentlichen Brauchtum gehen, eingebettet in die Doppelrolle 'Krampus und Nikolo'", meint Oberlerchner.  Und: "Wenn die Enthemmung unter Alkoholeinfluss zu groß wird und Böller und Raketen ins Spiel kommen, dann ist das Ganze so weit weg vom Brauchtum und hat nichts mehr mit dem Nikolaus zu tun. Dann ist es nur noch ein Umzug von Horrorgestalten, sodass ich das für Kinder nicht empfehlen kann.“

"Mehr Positives"

Herwig Oberlerchner ebenso: "In der momentanen Zeit, in der wir alle sehr durch Corona, Krieg und andere ökonomische Bedrohungen belastet sind, sollte generell mehr der Fokus auf das gelegt werden, was uns guttut, was uns versöhnlich stimmt und wo wir glücklich sind. Nach dem Motto: 'Mehr Christkind und weniger Krampus'.“

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