Im Gedenken an die Todesmärsche

Todesmärsche Bezirk Kirchdorf
Bild: Michaela Vidlakova
Foto: Jack Haijes
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    Bild: Michaela Vidlakova
    Foto: Jack Haijes
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BEZIRK. Durch den Bezirk Kirchdorf führten im Jahr 1945 sogenannte Todesmärsche, denen zahlreiche Menschen zum Opfer fielen. Am 4. Mai 2018 wurde vor dem Denkmal in der Steiermärker Straße bei der evangelischen Kirche der Opfer, darunter viele ungarische Juden, gedacht. Zu Gast war eine Delegation von 25 Ungarn, unter Leitung von György Frisch, dem Leiter des Gedenkzentrums NÜB (Budapest). Ansprachen hielten Vizebürgermeisterin Vera Pramberger, sowie die Pfarrer der katholischen und der evangelischen Pfarrgemeinde, Pater Severin Kranabitl und Waltraud Mitteregger. Besonderer Gast war die Zeitzeugin Michaela Vitláková, die eine berührende Schilderung ihres jüngst verstorbenen Freundes und Überlebenden des Todesmarschs wiedergab. Die Steyrer Historikerin Ines Bernt-Koppensteiner brachte einen Bericht von Ernö Lasarovits über den Todesmarsch im Ennstal zur Lesung – die Texte wurden auf ungarisch und deutsch verlesen. Oberstleutnannt Nagy legte im Namen der Ungarischen Botschaft einen Kranz vor dem Denkmal nieder. Die anwesende Künstlerin Elisabeth Müller erläuterte die Hintergründe zum Denkmal. Das Denkmal wurde im Rahmen eines vor vier Jahren abgeschlossenen internationalen Projektes errichtet (www.einhalt.eu). Damals kam es überhaupt zum ersten Mal zu einer Begegnung mit ungarischen Partnern, die seither – auch Dank der ungarischen Beteiligten – aufrecht erhalten werden konnte. Projektleiter Wolfgang Baaske „Ich freue mich, dass die Beziehungen zu Ungarn nachhaltig sind.“ Vizebürgermeisterin Vera Pramberger wies auf die Bedeutung des Erinnerns hin und wünschte, dass dies auch „ohne Schmerz“ geschehen könnte.

Bewegende Gedenkfeier in Spital/Pyhrn

Menschen mit Koffern stehen in einer langen Reihe und warten. Dann sind Sätze zu hören wie: „Entweder ich schmeiße die Schule oder ich quäle mich durch bis zur Matura.“ „Entweder ich kaufe mir ein Eis oder ich esse ein Leberkässemmel“. So beginnt eine Theaterszene, mit der sich Schüler der ROSE Steyr (Reformpädagogisches Oberstufenrealgymnasium der evangelischen Kirche Steyr) bei der Gedenkfeier einbrachten.
1943-1945 gab es in Spital/Pyhrn ein Fremdvölkisches Kinderheim. In diesem wurden Kinder von Zwangsarbeiterinnen untergebracht. Sie wurden ihren Müttern mit Gewalt entzogen, viele starben in den ersten Monate durch Unterernährung. Sie wurden am Friedhof in Spital/Pyhrn begraben, einige von ihnen namenlos.  Zu diesem Anlass kamen Menschen aus Politik, Kirche, Gemeinden aus nah und fern in der Spitaler Kirche St. Leonhard zusammen, um daran zu gedenken. Gedenken bedeutet an die Taten erinnern und fordert auf, dies in der Gegenwart und Zukunft nicht mehr zuzulassen.
17 Schüler des Reformpädagogisches Oberstufenrealgymnasium der evangelischen Kirche Steyr (ROSE) haben sich dafür in einem Theaterprojekt mit dem Thema Kinderschicksale auseinandergesetzt. Am Beginn des Projekts erzählte Katharina Brandstetter als Zeitzeugin von ihren Erfahrungen. Sie verbrachte vermutlich ihre ersten Monate im Fremdvölkischen Kinderheim in Spital.

Zitat aus dem Lagegebricht von Hauptamtsleiter Hilgenfeldt 1943 an Heinrich Himmler, zu hören am Ende der Theaterperformance: „Entweder man will nicht, dass die Kinder am Leben bleiben […] oder man beabsichtigt, die Kinder aufzuziehen, um sie später als Arbeitskräfte verwenden zu können …“. Das Entweder-Oder ist für die Kinder der Heime schicksalhaft. Es wird kontrastiert durch Entweder-Oder-Sätzen der SchülerInnen aus ihren Lebenserfahrungen, die damit zum Nachdenken anregten.
Kinderlieder, Auszählreime, Textzitate aus Lebensgeschichten überlebender Kinder, ein Spiel mit Murmeln wurden mit schon erwähnten Elementen collageartig zu einer Theaterszene zusammengefügt. Die dicht an dicht stehenden Koffer vom Beginn bilden eine bis zum Ende der Feier bleibende Linie durch die Kirche. Sie sind ein offenes Symbol und können stehen für Abreise, Last und Zurückbleiben.
Katharina Brandsetter verlas die Namen der verstorbenen Kinder, die bekannt sind. Danach legten alle TeilnehmerInnen der Gedenkfeier Murmeln in eine Sandschüssel, als Zeichen der geraubten Kindheit. Nach der Kranzniederlegung am Friedhof wurde das Lied „Von guten Mächten“ gemeinsam gesungen. Regionsjugendseelsorger Pater Siegfried Eder schloss die Feier mit einem Segen ab.

KZ Theresienstadt überlebt

Eine Zeitzeugin ist Michaela Vidláková, die durch glückliche Umstände das KZ Theresienstadt überlebte. Mit 6 Jahren ist sie mit ihren Eltern nach Theresienstadt gebracht worden. Ihr war nicht klar, was sie dort erwartete. „Es ist ein unglaubliches Glück, dass ich nicht zu den 6 Millionen Opfern des Holocausts gehöre. Großes Glück, dass wir nicht weiter deportiert wurden“, so Frau Vidláková. „Die Gleichgültigkeit der Massen ist eine der gefährlichsten Sache“, so die Zeitzeugin, der es wichtig ist, zu erinnern und etwas zu tun. Es begann mit Verfolgung. Sie zeigte auf, wie es plötzlich für Juden schwierig wurde durch viele Schikanen. Nachdem er aus seiner führenden Stellung entlassen wurde, arbeitete er als Handwerker mit Holz. Dann kam die Deportation - 1942 wurde sie mit ihren Eltern nach Theresienstadt deportiert, 539 war ihre Transportnummer. Sie erzählte, welches Glück die Familie durch die handwerklichen Fähigkeiten ihres Vaters hatte. Seiner Tochter Michaela bastelte er einen kleinen Marionetten-Hund, diesen zeigte er bei der Aufnahme in Theresienstadt. Daraufhin wurde beschlossen, die Familie kann bleiben, denn für den Bauhof wurden Zimmerleute benötigt. Es war immer wieder Glück im Spiel, dass die Familie das KZ überlebte, auch wenn Michaela Vidláková 1 Jahr lang auf der Krankenstation in Quarantäne leben musste. „Ich habs überlebt“, sagt sie dankbar.

Fotos von den Gedenkfeiern in Kirchdorf und Spital: Jack Haijes

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