Den Hahnenkamm von unten gesehen

Hias Leitner in seinem Haus – viele Trophäen zeugen von der großen Vergangenheit.
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  • Hias Leitner in seinem Haus – viele Trophäen zeugen von der großen Vergangenheit.
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Gesichter mit Geschichte: die Kitzbüheler Ski-Legende Hias Leitner im Gespräch.

KITZBÜHEL (navi). „Mein Vater war für mich ein fremder Mann, als er 1946 aus der Kriegsgefangenschaft in England zurückkam. Er ging an die Front, als ich 5 Jahre alt war, und nach sechsjähriger Trennung konnte ich mich kaum an ihn erinnern. Meine Mutter hatte es sehr schwer, meine Schwester und mich in der Kriegszeit durchzubringen. Wir hatten weder Land noch Vieh, und mit dem Putzen und Waschen für die 'besseren Leute' reichten die von Mama hart verdienten Groschen gerade so für Mehlspeisen. Gott, waren wir alle froh, dass Papa wieder da war. Unser Vater-Sohn-Verhältnis ist rasch warm und herzlich geworden,“ erzählt Matthias Leitner, die Skilegende des vergangenen Jahrhunderts, einer aus dem Kitzbüheler Wunder-Team, zu dem auch Toni Sailer, Anderl Molterer, Christian Pravda, Ernst Hinterseer und Fritz Huber gehörten.

Skifahren selbst beigebracht

In der Badhaus-Siedlung, nah an Kitzbühel, wächst Hias (Rufname) auf und bringt sich und seiner Clique selbst das Skifahren auf den Hügeln bei. Er schaut sich von den „Erfahreneren“ ab, was ihm gefällt, und macht es einfach nach. Den Hahnenkamm sieht er nur von unten, die Fahrt mit dem Lift nach oben ist so teuer, dass er davon nicht einmal träumt. Mit 13 Jahren nimmt er an einem vom Kitzbüheler Ski Club organisierten Skitag teil und wird hinter Toni Sailer, der bereits regelmäßig trainiert, Zweiter. Das verschafft ihm die Mitgliedschaft im Ski Club und „freie Fahrt“ zur Hahnenkamm-Piste, wo er sich vor allem von Anderl Molterers Fahrstil viel abschaut.

Von Sportart besessen

„An Skirennen habe ich damals nicht gedacht, ich war einfach von dieser Sportart besessen und verbrachte im Winter meine ganze Freizeit während meiner Maurerlehre auf dem Berg und im Sommer auf dem Bau,“ so Hias. Nach seiner Gesellenprüfung steht der junge Sportler, der inzwischen dank seiner unzähligen Siege Mitglied in der ÖSV-Nationalmannschaft ist, vor einer wichtigen Entscheidung: Sport oder Beruf?! Seine Familie unterstützt seinen mit Leidenschaft, Fleiß und Talent untermauerten Wunsch, den „Olymp zu besteigen“, was ihm bei den Olympischen Winterspielen 1960 in Squaw Valley mit einer Silbermedaille im Slalom auch gelingt. Er befindet sich in seiner besten Form und mischt bei allen hochkarätigen Skirennen selbstbewusst mit. Er bereitet sich auf die Olympischen Winterspiele 1964 in Innsbruck, in seinem geliebten Tirol, vor. Sein Ziel diesmal ist Gold!

Bittere Erfahrung

„Nach der Trainingsfahrt vor dem großen Rennen spürte ich plötzlich im rechten Bein ziehende Schmerzen. Es war mir klar, dass ich mir eine Verletzung zugezogen hatte. Es war mir auch klar, dass ich aus dem Team sofort rausfliege, falls darüber jemand erfährt! Ich habe es verschwiegen und startete am nächsten Tag das Rennen, das für mich mit dem bitteren 27. Platz endete. So niedergeschlagen und frustriert fühlte ich mich noch nie,“ erinnert sich Hias, als wäre es erst gestern gewesen, selbst 50 Jahre später! Er unterschreibt, ohne lange darüber nachzudenken, einen Profi-Vertrag bei Friedl Pfeifer, einem österreichischen Headhunter, der längst in den USA lebte und eine Profi-Ski-Rennmannschaft aufbaute. Die Olympischen Spiele sind für jeden Sportler der Höhepunkt seiner Sportkarriere, welche viele unmittelbar danach beenden oder zu den Profis wechseln. Deswegen sind diese Art großer Sport-Events ein fruchtbarer Boden für das Abwerben.

Auf nach Amerika

„Ich war zu diesem Zeitpunkt frisch verheiratet, und meine Frau war von der Idee, dass ich nach Amerika gehe und sie mit unserem kleinen Sohn und der Frühstückspension, die sie führte, alleine lasse, nicht begeistert. Doch die vertraglich vereinbarte Abfindung war sehr lukrativ im Gegensatz zu dem Maurerjob, der mir im Monat nicht einmal 2.000 Schilling gebracht hätte. Für ein erfolgreiches Rennen bekam der Sieger damals um die 2.000 US-Dollar. Man konnte natürlich nicht jedes Rennen gewinnen, denn es gab davon um die 20 während einer Wintersaison. Im Frühjahr kehrte ich immer nach Kitzbühel zu meinen Liebsten zurück und im Herbst ging es wieder nach Vermont, wo ich im Haus einer amerikanischen Familie untergebracht war. Die acht Jahre hinter dem großen Teich brachten neue Erfolge (drei Weltmeistertitel im Slalom) mit sich, sowie eine neue persönliche Entdeckung: In der Zeit zwischen den Rennen arbeitete ich als privater Skilehrer oft mit Kindern, was mir viel Spaß und Freude bereitete. Als ich nach der Rückkehr in meine Heimat vorerst 'arbeitslos' war und mir Gedanken über meine weitere Tätigkeit machte, bekam ich vom ÖSV das Angebot, die Trainerstelle zu besetzen. Da sagte ich sofort zu,“ so einer der besten und erfolgsreichsten Nachwuchstrainer Österreichs, unter dessen Obhut unter anderem Leonard Stock, Harti Weirather, Benjamin Raich, Mario Matt, Nicole Hosp und andere „groß“ geworden sind.

„Woran erinnern Sie sich am liebsten?“

„ Ich habe viele wichtige Pokale in meinem sportlichen Leben gewonnen, dennoch, der schönste Sieg war jener in der Abfahrt 1957 bei der Vor-Weltmeisterschaft in Bad Gastein. Es war für mich märchenhaft überwältigend, zwischen Toni Sailer und Anderl Molterer auf dem 'Siegestreppchen' zu stehen, das war ein bedeutsamer persönlicher Triumph!“

Fotos Schilling (div. aus Album von Hias Leinter, Zeitungsausschnitte)

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