Demenz ist noch immer ein Tabuthema
Pilotprojekt: Seit 1. Februar gibt es die Mobile Demenzberatung des Hilfswerks. Birgit Marolt unterstützt dabei vor allem die Angehörigen.
(vp). "Die Pflege für Demenz-Betroffene ist mittlerweile sehr gut. Auf der Strecke bleiben oft die Angehörigen. Sie haben wenig Möglichkeiten, sich beraten zu lassen, da sie meist nicht von zuhause weg können", sagt Demenz-Expertin Birgit Marolt. Seit 1. Februar ist die Grafensteinerin im Rahmen das Pilotprojekts Mobile Demenzberatung des Hilfswerks in ganz Kärnten unterwegs, um vorwiegend Angehörige zuhause zu beraten.
Noch immer Tabuthema
Häufig sind Fragen, warum sich der Betroffene plötzlich nicht mehr waschen lässt, warum es plötzlich Weglauftendenzen oder aggressives Verhalten gibt. Aggressivität kann etwa auftreten, weil man dem Betroffenen etwas "Normales" aufzwingen will, das dieser nicht möchte. Wichtig also zu wissen, wie man damit umgehen soll. Marolt: "Gut wäre, wenn alle im Umfeld von der Demenz-Erkrankung wüssten, um entsprechend reagieren zu können. Doch leider ist das noch immer ein Tabuthema."
Individuelle Pflegehandhabung
Rund 90 Klienten hatte die Expertin seit 1. Februar. Sie hilft etwa bei der Erstellung eines Pflegeplanes, leistet gezielte Vernetzungsarbeit rund um den Demenzkranken, führt Beratungs- und Entlastungsgespräche oder erstellt Handlungsleitlinien. So erhält jeder Klient im Nachhinein eine ganz individuelle Pflegehandhabung. "Das fängt schon bei der entsprechenden Begrüßung des Demenzkranken an."
Sieben Stadien
Festgestellt werden von Marolt auch die FAST-Stadien. "Da gibt es sieben. FAST bedeutet funktionelle Fähigkeit. Ein Demenzkranker verliert diese in umgekehrter Reihenfolge wie ein Kind sie erlernt. Stadium 7 bedeutet ein Kind zwischen 0 und zwei Jahren. Das heißt aber nicht, dass man denjenigen wie ein Kind in diesem Alter behandeln muss." Das hilft den Angehörigen, einzuschätzen, dass gewisse Verhaltensweisen im speziellen Stadium normal sind.
Komplett anderes Verhalten
Wurde für den Betroffenen noch keine ärztliche Diagnose gestellt, führt Marolt den "3-Wörter-Uhrentest" durch. Es geht darum, sich drei Wörter länger zu merken und eine Uhr zu zeichnen. Demenzkranke können das in der Regel nicht mehr. Woran man eine Demenz als Angehöriger erkennt? "Der Betroffene ist komplett anders als sonst. Bei Frauen, die sonst stark auf ihr Äußeres achten, merkt man zum Beispiel plötzliche Nachlässigkeit."
Ob man einer Demenz tatsächlich vorbeugen kann, ist noch nicht erwiesen. Förderlich sind aber sicherlich gute Ernährung ("Gehirnnahrung"), viele soziale Kontakte, Gedächtnistraining und viel frische Luft.
Zur Sache: Mobile Demenzberatung
Es gibt die Möglichkeit der stationären Beratung in den Bezirksstädten, die mobile Beratung daheim und im Rahmen der Präventionsarbeit werden Informationsabende und Vorträge organisiert.
Kontakt: Birgit Marolt, 0676/89 90 10 12, birgit.marolt@hilfswerk.co.at
Zur Sache: Unterschied Demenz/Alzheimer
Demenz ist der Oberbegriff für Erkrankungsbilder, die mit dem Verlust der geistigen Funktionen zu tun haben. Einige Demenzen können auch nur kurzzeitig auftreten (z.B. bei Einnahme bestimmter Medikamente).
Alzheimer ist die häufigste Form der Demenz und bessert sich nicht mehr, ist also nicht reversibel.
Zur Sache: Demenz
Demenz-Erkrankungen trafen in Österreich im Jahr 2000 23.600 Menschen, bis 2050 soll diese Zahl auf 60.000 steigen. Größter Risikofaktor ist das Alter: Jeder vierte 80-Jährige ist davon betroffen, fast 70 Prozent der Betroffenen sind Frauen.
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