SOS-Kinderdorf
Offensive für psychische Gesundheit von Jugendlichen
Das SOS-Kinderdorf fordert umfassenden Maßnahmen für die psychische Gesundheit von Jugendlichen.
KÄRNTEN. Dazu gehören der Aufbau einer Übergangspsychiatrie, flächendeckende Therapie auf Krankenschein und die Förderung digitaler Therapieangebote. "Die psychische Verfassung von Jugendlichen ist dramatisch. Immer mehr junge Menschen leiden an ernsten psychischen Erkrankungen. Sie brauchen Hilfe - rasch, professionell und leistbar", so Christian Moser, Geschäftsführer des SOS-Kinderdorf. "Gerade bei jungen Menschen ist es wichtig, sofort zu reagieren, wenn sie therapeutische oder psychiatrische Unterstützung benötigen", ergänzt Christoph Schneidergruber, Leiter des Hermann-Gmeiner-Zentrums vom SOS-Kinderdorf Kärnten, Abulatorium für Neurologie und Psychiatrie des Kindes und Jugendalters. Dafür fehlt derzeit noch die nötige Infrastruktur. Die Kinder- und Jugendpsychiatrie hinkt weit hinter dem vorgesehenen Versorgungsplan, außerdem gibt es zu wenig Fachärzte und zu wenige Ausbildungsplätze in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. "Ich denke, es beginnt schon bei den Aufnahmetests zum Medizinstudium bis hin zu den Inhalten im Medizinstudium und der Sozialisierung der Studierenden. Wir sollten mehr Augenmerk auf soziale und emotionale Kompetenzen und Fähigkeiten legen", so Schneidergruber.
Herz statt Hürde
"Wir müssen zu den Jugendlichen, nicht diese zu uns. Es braucht jugendliche Zugänge. Was wir brauchen, sind junge, gut ausgebildete Therapeuten und Therapeutinnen, medial versiert, flexibel in der Arbeitszeit, kommunikativ. Menschen, die neugierig, aufsuchend, kreativ und beherzt sind, in der Begegnung und Umsetzung von Therapiesettings."
Auf Krankenschein
Die Österreichische Gesundheitskasse will in den Ausbau von Psychotherapien investieren. In Kärnten lautet der Status Quo wie folgt. "Wir führen entsprechende Gespräche fürs HGZ-Ambulatorium. Die Aufstockung für Psychotherapie soll kommen. Auch entsprechende Clearingstellen sind von der ÖGK geplant", so Schneidergruber. Fakt ist: Bereits vor Corona fehlten rund 70.000 kassenfinanzierte Therapieplätze für Kinder und Jugendliche. Die Auswirkungen der Pandemie haben den Versorgungsnotstand weiter verschärft. "Es kann nicht sein, dass Jugendliche bzw. ihre Familien therapeutische Behandlungen, die nicht billig sind, zum überwiegenden Teil selbst finanzieren müssen. Das schließt große Teile der Bevölkerung schlichtweg aus. Und wir wissen, dass gerade Jugendliche aus wirtschaftlich schlechter gestellten Familien derzeit besonders belastet sind. Sie brauchen Unterstützung und die muss leistbar sein", so Moser.
Erreichbarkeit
Es geht allerdings nicht nur um die Leistbarkeit, auch die Erreichbarkeit ist teilweise eine große Hürde. Gerade in ländlichen Regionen ist es oft schwierig Therapien mit langen Anfahrtswegen zu schaffen. "Seit dem ersten Lockdown hat sich in unseren Ambulatorien für Kinder- und Jugendpsychiatrie gezeigt, dass Therapien über Telefon oder Videochat gerade von Jugendlichen sehr gut angenommen werden. Teletherapie ist mittlerweile unverzichtbar", so Schneidergruber. Mit der Teletherapie könnte man einen Schritt in die richtige Richtung gehen und den unterversorgten Gesundheitsbereich schnell entlasten.
Übergangspsychiatrie
Damit junge Menschen genau die Behandlung bekommen, die sie auch tatsächlich brauchen, müssen Angebote geschaffen werden. Derzeit unterscheidet das österreichische Gesundheitssystem zwischen Kindern bis 18 Jahren und Erwachsenen. In der Realität fühlt sich aber kaum ein 18-Jähriger schlagartig erwachsen. Der Wechsel zur Erwachsenenpsychiatrie ist für viele junge Menschen ein sehr schwieriger Schritt. "Ein 17-Jähriger gehört auf keine 'Kinderstation', ein reifeverzögerter 18-Jähriger verliert sich auf einer Erwachsenenpsychiatrie", mahnt Schneidergruber. In Kärnten konnten im ambulanten Bereich bereits vereinzelt Übergänge geschaffen und auch finanziert werden. Im stationären Bereich hinkt man etwas hinterher. Das SOS-Kinderdorf schlägt vor, 15- bis 25-Jährige am Weg zum Erwachsenwerden mit einer Übergangspsychiatrie zu begleiten. "Damit junge Menschen die Chance auf ein gesundes und selbstbestimmtes Leben haben, müssen dringend entscheidende Schritte gesetzt werden. Seelisches Leist ist nich so offensichtlich wie ein gebrochener Arm. Wir sind es Jugendlichen schuldig, ihre psychischen Gebrechen aber ebenso ernst zu nehmen und alles dafür zu tun, damit es ihnen rasch besser geht", schließt Moser.
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