Die vergessenen Künstlerinnen. Oder: Erinnern für Fortgeschrittene

Im ersten Nachdenken sind es (vor allem) männliche Werke, die das kulturelle Erbe Klosterneuburgs charakterisieren – ein zweiter Blick lohnt sich. Im Bild: die Malerin Clementine Alberdingk | Foto: Klosterneuburger Kulturgesellschaft
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  • Im ersten Nachdenken sind es (vor allem) männliche Werke, die das kulturelle Erbe Klosterneuburgs charakterisieren – ein zweiter Blick lohnt sich. Im Bild: die Malerin Clementine Alberdingk
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KLOSTERNEUBURG. Auf der Kulturgüterschutzliste des Bundesdenkmalamtes befinden sich das Altstadt-Ensemble und das Stift Klosterneuburg. Darüber hinaus gibt es eine 148 Objekte umfassende Liste an unbeweglichen archäologischen Denkmälern in der Stadt – darauf sind sowohl einzelne Gebäude wie Bürgerhäuser am Rathausplatz oder das Martinschlössl als auch Denkmäler und Statuen wie die Mariensäule sowie Kirchen und Kapellen verzeichnet. Im ersten Nachdenken sind es (vor allem) männliche Werke, die das kulturelle Erbe Klosterneuburgs charakterisieren. Frauen und ihre Arbeiten wurden von einer patriarchal geprägten Geschichtsschreibung "vergessen" oder als weniger bedeutend eingestuft.

Auf den zweiten Blick
Wer jedoch genauer hinschaut, der entdeckt auch in Klosterneuburg bedeutende Künstlerinnen und ihre Handschrift im Stadtbild, in den Museen und in den Archiven. Prominentes Beispiel sind die sichtbaren Werke von Liselotte Gardavsky (1934-2013). Von ihr stammt etwa die Bleiverglasung in der Wienerstraße 88 und der Entwurf für das Marienbild "Madonna mit den Weintrauben" über der Sonnenuhr am Haus Weidlinger Hauptstraße Nr. 8. Ein spätes realisiertes Projekt Gardavskys ist die Fassadengestaltung des Kindergartens in der Stolpeckgasse.
Ein relativ junges Denkmal ist das von Dorothee Golz geschaffene Mahnmal, das der Opfer von NS-Medizinverbrechen in der ehemaligen Psychiatrie Gugging auf dem Areal des Institute of Science and Technology Austria gedenkt. Es handelt sich dabei um einen gekippten, zum Himmel hin offenen Frachtcontainer, in dessen Innerem die Skizze eines Tisches und eines Stuhles sowie eine unterbrochene Kette aus Glaskugeln zu sehen sind. "Ich wollte einen Raum kreieren, der sowohl die Täter- als auch die Opferthematik beinhaltet. Es sollte ein sperriger Ort sein, der aber auch Metaphern beinhaltet für das Gute, das Hoffnung spendende und Tröstende, und vor allem, für das ‚Mehr’, das einen Menschen ausmacht", beschreibt die Künstlerin ihr Werk.

Zwei Künstlerinnen, eine Freundschaft
Zwei bedeutende bildende Künstlerinnen waren die beiden Freundinnen Emma Bormann (1887-1974) und Clementine Alberdingk (1890-1966). Bormanns Elternhaus befand sich direkt neben dem Klosterneuburger Gymnasium – als Mädchen war ihr der Besuch desselben jedoch untersagt. Die talentierten Frauen stammten aus der gehobenen Intellektuellenschicht und fanden deswegen schon früh Förderer ihrer Kunst. Die Malerin und Grafikerin Bormann stellte Ölgemälde, Radierungen, Holz- und Linolschnitte her und verbrachte viele Jahre ihres Lebens im Ausland, zuletzt in Japan. Ihre Werke gestalteten Landschaften und Bauwerke in Europa, Asien und den USA. Alberdingk war freischaffende Porträtistin und in einer späteren Schaffensperiode auf dekorative Malerei und kirchliche Kunst in einem Atelier in Holland spezialisiert. [1]
Nicht ganz so weit, jedoch dauerhaft zog es die gebürtige Wiener Malerin Rosa Benesch-Hennig (1903-1986) aus ihrer ersten Wahlheimat Klosterneuburg fort. Sie hat ihre künstlerischen Spuren vor allem in ihrer späteren Heimat Tirol hinterlassen. Zu ihrem Werk zählen 150 Fresken und Sgraffiti (Stucktechnik), wovon einige über 20 Quadratmeter groß sind und die Szenen aus dem bäuerlichen Leben und Heiligendarstellungen zeigen.

Mit Schere und Nadel
Die Scherenschnittkünstlerin Josefine Allmayer (1904-1977) war die Tochter eines Kierlinger Tapezierers, der sich mit Zeichnungen und Malereien ein Zubrot verdiente. Allmayer eiferte ihrem Vater schon als Kind nach und perfektionierte bereits als Jugendliche an Tier-Silhouetten die Kunst des Scherenschnittes. Sie konzentrierte sich auf Motive aus der Natur und erzielte durch eine spezielle Technik mit Transparentpapier einen damals aufsehenerregenden 3D-Effekt. Die Künstlerin, die sich später in Maria Gugging niederließ, verwendete alles an Seidenpapier, das ihr in die Hände fiel wie Weihnachtspapier für Bonbons oder Verpackungsreste. Schon 25-jährig galt sie als eine der bedeutendsten Scherenschnittkünstlerinnen des deutschsprachigen Raumes. Sie stellte ihre Werke auch im Ausland, in der Schweiz und in den USA, aus.
Rosalia Rothansl (1870-1945) ist eine weitere Kierlingerin, die sich einen Namen in der Kunstszene gemacht hat. Sie hatte als erste Frau eine Professur an der Kunstgewerbeschule in Wien (der heutigen Hochschule für Angewandte Kunst) inne und war Textilkünstlerin, Weberin, Stickerin, Gobelinkünstlerin, aber auch Zeichnerin und Malerin. Rothansl ist vor allem wegen ihrer textilen Arbeiten in die Kunstgeschichte eingegangen. Im Unterschied zu ihrem Bruder Edmund Rothansl, der zum Beispiel das Rosalienmarterl und das Kriegerdenkmal in Kierling geschaffen hat, hat sie keine öffentlich sichtbaren Spuren in der Stadt hinterlassen. Doch unter ihrer Leitung entstand etwa die Fahne der Kierlinger Sängerrunde und der – in der Schatzkammer des Stift Klosterneuburg zu bewundernde – 27-teilige Marien-Ornat. Die festliche Amtstracht zählt zu den bedeutendsten Werken der Sakralkunst des Wiener Jugendstils. Es entstand nach einem Entwurf von Anton Hofer, einem Schüler Koloman Mosers, und als Gemeinschaftsarbeit von Rothansls damaliger Stickereiklasse.

(gekürzte Printversion erschienen am 20. September 2017, Bezirksblätter NÖ)

[1] Clementine Alberdingk war anfänglich begeistertes NSDAP-Mitglied. Der Eintrag im Lexikon "biografiA" lautet wie folgt: "Auf Grund der politischen Ereignisse kehrten beide [Anm.: das Ehepaar Mehl-Alberdingk ] im November 1937 nach Klosterneuburg zurück und waren anfangs begeisterte Anhänger der neuen politischen Entwicklung und traten der Partei bei. Die Ernüchterung sollte bald folgen. Während der Kriegszeit malte C. sehr viele Blumenbilder. Die Flucht aus Klosterneuburg vor den Russen 1945 brachte die Künstlerin mit dem Sohn Hermann über Achensee in Tirol im Herbst 1945 nach Graz, wo sie bis 1950 blieb." (biografiA 2016, 74)

ZUM WEITERLESEN
Tag des Denkmals 2017
Fachautorin und Kunstkennerin Ursula Müksch im Interview: "Ihre Bilder kennen viele, nicht aber ihren Namen"

QUELLEN
biografiA: Lexikon österreichischer Frauen (Böhlau)
Museum Kierling (Editionen)
Clementine Alberdingk und Emma Bormann Freundinnen für ein Künstlerleben (Klosterneuburger Kulturgesellschaft)
Ursula Müksch (2008). Prof. Rosalia Rothansl. In: Verein Museum Kierling/Kierlinger Bürger Verein (Hg.). Kierlinger Geschichte(n) 1108-2008. Kierling, 58-67.

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