Vom Wunderkind zum "Nazi-Künstler"

Die Historikerin Christine Zippel will den Bildhauer Robert Ullmann nicht einfach als "Nazi-Künstler" abstempeln, sondern mit ihrer Forschung einen differenzierten Blick auf das Spannungsfeld Kunst und Politik werfen. | Foto: Cornelia Grobner
  • Die Historikerin Christine Zippel will den Bildhauer Robert Ullmann nicht einfach als "Nazi-Künstler" abstempeln, sondern mit ihrer Forschung einen differenzierten Blick auf das Spannungsfeld Kunst und Politik werfen.
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KLOSTERNEUBURG/WIEN (cog).  Der Charakter und das Handeln des Bildhauers Robert Ullmann waren geprägt von seinem Erfolg als Wunderkind, der ihm einst Wohlwollen bis ins Kaiserhaus sicherte. Wie besessen schuf er Stück um Stück – mit Scheuklappen für die faschistische Wende im Österreich der Dreißiger Jahre. Während viele seiner Künstlerfreunde auswanderten oder sich mit Hilfsarbeiterjobs durchschlugen, zögerte Ullmann nicht, auch Aufträge direkt von den Nazis anzunehmen.
Populäre Werke aus dieser Zeit waren die mythologische Brunnenskulptur "Morgenröte" mit drei nackten Frauenfiguren für die Große Deutsche Kunstausstellung in München und Skulpturen für einen Berliner Hitler-Monumentalbau des führenden NS-Architekten und Kriegsverbrechers Albert Speer.

Fatale Blindheit gegenüber den NS-Verbrechen

Schicht für Schicht legt die Historikerin Christine Zippel die Verknüpfung von biografischen Einzelheiten, historischen Ereignissen und kunstgeschichtlichen Perspektiven frei. Sie dringt dabei in eine Grauzone des (vermeintlich) unpolitischen Opportunismus eines vom Nazi-Regime geförderten Künstlers vor: "Ullmann hat aus einer gewissen künstlerischen Arroganz heraus, die möglicherweise durch sein Wunderkind-Dasein geformt wurde, keine Grenzen gesehen."
Zippels Arbeit zeigt vor allem aber auch, wie bereitwillig Politik und Gesellschaft Ullmann in der Nachkriegszeit wieder aufgenommen haben. Lediglich prominente Vertreter moderner Kunstströmungen, die konservativ-naturalistische Arbeiten zugunsten von abstrakteren Werken aufgaben, verwehrten Ullmann und anderen KünstlerInnen, die vom NS-Regime protegiert worden waren, ein Anknüpfen an ihre Erfolge. Sie schlossen diese konsequent aus ihren Zirkeln aus, wie etwa der Bildhauer Fritz Wotruba, der die Meisterklasse an der Akademie der bildenden Künste leitete und für eine aufgeklärte Kulturpolitik eintrat.

Ullmann-Figur für Prinzessin Diana

Zwar wurde Robert Ullmann zur Zeit der Entnazifizierung anfänglich als "belastet" eingestuft, dank Aussagen von ZeugInnen anerkannte man schließlich seine Beteuerung, dass es ihm stets nur um die Kunst und ums Bildhauen gegangen sei. Schließlich wurde der Künstler sogar soweit rehabiliert, dass seine größeren Skulpturen in repräsentativen Ausstellungen gezeigt und seine kleineren Werke aus Porzellan zu beliebten Staatsgeschenken wurden. Das letzte Ullmann-Tier, ein Pferd aus der Augarten-Manufaktur, für die der Bildhauer nach dem Krieg tätig war, verschenkte der Wiener Bürgermeister Helmut Zilk 1986 an das britische Prinzenpaar Charles und Diana.
Nach seinem Tod gingen etliche Bronzefiguren als Schenkung seiner Witwe, Hertha Zelber, an das Stift Klosterneuburg. Bis heute gelangen regelmäßig kleinere Bronze- oder Keramik-Skulptürchen des Bildhauers zur Versteigerung und wechseln für bis zu zweitausend Euro die BesitzerInnen. Einem größeren Publikum ist sein Denkmal für den Komponisten Carl Michael Ziehrer in der Prater-Hauptallee in Wien zugänglich. Robert Ullmann wurde nach seinem Tod 1966 in einem Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.

Überlebensopportunismus statt moralischer Verantwortung

"Es ist vielschichtig", meint Zippel resümierend. Sie will den Bildhauer nicht einfach als "Nazi-Künstler" abstempeln, sondern mit ihrer Forschung einen differenzierten Blick auf einzelne Stationen geben: "Ullmanns Biografie vom gefeierten Wunderkind zum vergessenen Künstler ist ein Einzelschicksal, das dennoch sichtbar macht, wie es vielen ergangen ist." Wer in der Nazi-Zeit mit seiner Kunst (finanziell) überleben wollte, musste der NSDAP beitreten.
Robert Ullmanns Entscheidungen scheinen jedenfalls angesichts Zippels Erkenntnisse im Rückblick vor allem vom Wunsch getrieben zu sein, weiter arbeiten zu können und Aufträge zu bekommen. Seine Hoffnung auf einen guten Platz im nationalsozialistischen Kulturbetrieb teilten damals viele und die Aufarbeitung der Situation der Künste zur NS-Zeit braucht immer noch Detailarbeit und den Blick auf Einzelschicksale und Karrieren. 
Hinter der wissenschaftlichen Beschäftigung mit individuellen Biografien steht nicht zuletzt stets jene ganz generell und fassungslos formulierte Anklage heutiger Generationen, wie es passieren konnte, dass die nationalsozialistische Ideologie auch vom Kunstbetrieb mitgetragen wurde. Das rückt wiederum – zu Recht – die Frage nach der gesellschaftskritischen Funktion von Kunst und nach ihrer moralischen Verantwortung in den Fokus.

(gekürzt in: Printausgabe, 20. Dezember 2017)

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