Zeitzeugen aus Stein und Metall
Erinnerungssteine in Stockerau sollen "mahnen und aufrütteln" (mit Video)
Es war ein Herzensprojekt, das sah man allen Beteiligten, allen voran Vizebürgermeister Martin Falb, Stadtamtsdirektorin Andrea Riedler, Experte Klaus Köhler und Bürgermeisterin Andrea Völkl an. So wurden vergangenen Sonntag, mit einem Großaufgebot an hochkarätigen Gästen, darunter etwa auch der Vizepräsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Dezoni Dawaraschwili, die Erinnerungssteine in der Lenaustadt feierlich "eröffnet".
BEZIRK KORNEUBURG | STOCKERAU. 19 Adressen, 19 Messingplatten, 81 Namen – die Erinnerungssteine in Stockerau sollen, wie schon ihr Name sagt, erinnern. Und zwar an jene jüdischen Stockerauerinnen und Stockerau, die in der Shoa ihr Leben verloren haben oder aus ihrer Heimat vertrieben wurde. "Die sogenannten Erinnerungssteine werden dabei vor jenen Wohnhäusern im Boden eingelassen, die der letzte bekannte Wohnort waren, bevor die Stockerauerinnen und Stockerauer jüdischen Glaubens deportiert, vertrieben und ermordet wurden", erzählt Vizebürgermeister Martin Falb.
Rund eineinhalb Jahre hat man an dem Projekt gearbeitet. Die ersten fünf "Erinnerungssteine" sind gesetzt, Ende 2023 sollen dann alle "Zeitzeugen aus Stein und Metall" von damals erzählen, erinnern und mahnendes Beispiel sein. "Die Zeitzeugen aus Fleisch und Blut von damals gibt es kaum noch, bei der Befreiungsfeier von Mauthausen war heuer erstmals keiner mehr dabei. Wir tragen große Verantwortung und es ist die Aufgabe unserer Generation, dafür zu sorgen, dass man sich erinnert, an die Leute, aber auch an die Abgründe menschlichen Verhaltens."
Hand in Hand – alle gemeinsam
Wissenschaftlich begleitet wurden die Stockerauer Erinnerungssteine von Klaus Köhler, der schon mit seinem Buch über das jüdische Leben im Bezirk Korneuburg ein wertvolles Nachschlagewerk geschaffen hat. Gemeinsam mit dem Team des Museumsvereins Korneuburg hat er zudem eine spezielle Ausstellung kuratiert, die aktuell im Bezirksmuseum Stockerau und dann ab Herbst im Stadtmuseum Korneuburg zu sehen ist.
Beim Recherchieren geholfen hat jedoch auch die IKG Wien, die mit zahlreichen Aufzeichnungen aus dem Archiv dienen konnte. Und auch Roman Grinberg, der nicht nur Leiter des Wiener Jüdischen Chores ist, sondern seit Kurzem auch selbst Stockerauer, schenkte dem Projekt Wissen und Zeit. Nicht zuletzt am Eröffnungstag selbst mit einer kleinen Abordnung des Chores, der mit seinen wunderschönen Klängen für mehr als festlichen Rahmen sorgte.
Niemand ist gefeit
"Schon Viktor Frankl hat 1950 am Wiener Heldenplatz gesagt, keine Nation ist vor dem Holocaust gefeit. Das ist ein sehr verstörender Gedanke. Umso größer ist heute unsere Verantwortung, nicht nur politisch, sondern im Handeln eines jeden von uns", sagt Bürgermeisterin Andrea Völkl. Kritisches Hinterfragen dürfe man nicht verlernen, die Bereitschaft zur Begegnung und zum gegenseitigen Austausch müsse man immer bewahren. "Und mit den Erinnerungssteinen halten wir diese Menschen lebendig. Sie sollen uns im Alltag mahnen und aufrütteln."
Eine lebendige Gemeinschaft
Das war das jüdischen Leben im Bezirk Korneuburg einst. "Im 19. Jahrhundert gab es jüdische Gemeinden in Korneuburg und Stockerau, später ist daraus die Kultusgemeinde Stockerau entstanden. Sei war eine von 15 in ganz Niederösterreich, 1938 fand dies jedoch ein jähes Ende", erzählt Klaus Köhler. Die Ausstellung soll deshalb auch die Menschen in den Mittelpunkt rücken, aus ihrem Leben erzählen.
"Die Zeitzeugen aus Fleisch und Blut gibt es nicht mehr, darum brauchen wir die aus Stein und Metall", stellt Vizebürgermeister Falb schlussendlich fest und lädt ein: "Stolpern Sie, gehen Sie nicht einfach über die Erinnerungssteine hinweg."
Alle Informationen zu den einzelnen Erinnerungssteinen, den Menschen dahinter, ihren Geschichten und Orten – finden Sie HIER!
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