Vertragsfreiheit und ihre Grenzen
Heute steht ein grundsätzliches Rechtsthema im Zentrum unserer Berichterstattung, das nicht nur theoretische, sondern auch sehr praktische Anwendungsgebiete hat.
Gemäß dem in der österreichischen Rechtsordnung geltenden Grundsatz der Vertragsfreiheit, steht es jemandem prinzipiell frei, ob er eine vertragliche Beziehung eingeht, mit wem er diese Beziehung eingeht und was dabei vereinbart wird. Man spricht dabei von der sogenannten "Vertragsfreiheit" und "Inhaltsfreiheit".
Der Staat mischt sich grundsätzlich nicht in die Rechtsangelegenheiten seiner Bürger ein, doch er bietet eine ganz wichtige Hilfestellung, ohne die die Vertragsfreiheit keinen Sinn hätte: Er gewährt durch seine Gerichte mittels Urteil und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen die Sicherheit, dass Vereinbarungen notfalls auch mit staatlicher Hilfe eingehalten werden können.
Borge ich jemandem beispielsweise Geld und der Schuldner zahlt es nicht vereinbarungsmäßig zurück, kann man sich an das Gericht wenden. Wenn die Beweislage eindeutig ist, etwa auf Grund eines schriftlichen Schuldscheines, kann ein Urteil gegen den Schuldner erwirkt werden. Wenn der Schuldner das Urteil nicht befolgt, besteht die Möglichkeit, Vollstreckungsmaßnahmen, also Exekutionsschritte, in die Wege zu leiten. Man kann beispielsweise sein Gehalt oder sein Haus pfänden lassen.
Die meisten gesetzlichen Regelungen über Verträge sind "nachgiebiges" Recht. Das heißt, es darf auch etwas anderes vereinbart werden. Wenn etwa das Gesetz vorschreibt, dass der Kaufpreis bei Erhalt der Ware zu bezahlen ist, so ist trotzdem eine Ratenzahlung möglich.
Gesetzliche Schranken der Vertragsfreiheit
Der Staat setzt prinzipiell nur dort Grenzen der Vertragsfreiheit oder Inhaltsfreiheit, wo Inhalte nach den allgemeinen moralischen Wertvorstellungen nicht geduldet werden können. Ein Vertrag etwa, in dem sich jemand verpflichtet, einen anderen zu ermorden, wird vom Staat nicht anerkannt. Im Gegenteil: Hier setzt das Strafrecht ein, wonach der Täter für derartige Taten bestraft wird.
Ein weiterer Punkt, an dem der Staat durch Regelungen eingreift, ist der Schutz des Schwächeren. Hier geht es zum Beispiel darum, dass Kinder und bis zu einem gewissen Ausmaß auch Jugendliche, Geschäfte nicht abschließen dürfen, weil angenommen wird, dass diese normalerweise deren Tragweite nicht im vollen Umfang erkennen können und sich nur allzu leicht in große Schwierigkeiten bringen würden. Aus demselben Grund, nämlich zum Schutz vor Übervorteilung, werden für geistig beeinträchtigte Menschen Sachwalter bestellt.
Dieser Gedanke spielt auch bei Geschäftsbedingungen, etwa von Banken, eine Rolle. eine Bank ist normalerweise in Geldgeschäften erfahrener als der Kunde und könnte diesem nachteilige Vertragsbestimmungen aufbürden. Aus demselben Grund gibt es zum Beispiel auch Regelungen gegen Wucher.
Der ganze Bereich des Konsumentenschutzes geht von der Annahme aus, dass der Konsument unerfahrener und daher schwächer als ein Unternehmer ist. Daher gibt es bei Verträgen zwischen Unternehmern und Konsumenten zahlreiche Einschränkungen der Vertragsfreiheit.
Auch der sogenannte "Kontrahierungszwang" ist eine Einschränkung der Vertragsfreiheit, weil gewisse Unternehmen sich nicht aussuchen können, ob sie mit jemandem ein Geschäft abschließen wollen oder nicht. Zweck des Kontrahierungszwanges ist der Ausschluss von Willkür. Energieversorgungsunternehmen etwa dürfen nicht bestimmten Personen den Strombezug verweigern – außer man bezahlt nicht. Ein Eisenbahnunternehmen kann nicht grundlos Fahrgästen die Mitnahme verweigern.
Wie gesagt, handelt es sich bei allen Einschränkungen der Vertragsautonomie um Regelungen zum Schutz übergeordneter Interessen. Dass der Staat das Regelungsbedürfnis auch übertreiben kann, ist ein anderes Thema.
Quelle: Notar Dr. Wolfgang Bäuml
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