Gewalt an Frauen
Evita Kufstein zieht zu Weltfrauentag Bilanz

Evita-Geschäftsführerinnen Christine Wright-Kainer und Brigitte Winkler (v.l.) beraten Frauen, die Opfer von häuslicher Gewalt sind in Kufstein.  | Foto: Barbara Fluckinger/BB Archiv
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Anlässlich des Weltfrauentages am 8. März fordert auch die Frauen- und Mädchenberatungsstelle Evita in Pandemiezeiten, aber auch im Allgemeinen mehr Unterstützung für Frauen. 

KUFSTEIN (red). "Was für die Frauen und Mädchen im Bezirk am wichtigsten ist, ist nicht eine Blume zum Weltfrauentag (...), sondern war die Ausdehnung der Beratungsstunden, Ausbau der Beratungsleistung auch in Wörgl und die Adaptierung einer neuen Wohnung nun auch in Wörgl für Frauen, die von Gewalt betroffen sind", sagt Brigitte Winkler, eine der Geschäftsführerinnen der Frauen- und Mädchenberatungsstelle Evita in Kufstein anlässlich des Weltfrauentags am 8. März. 
Dieser Ausbau des Angebots von Evita konnte nur mit viel Engagement und Durchhaltevermögen von Seiten der Beratungsstelle, aber auch Mithilfe der Tiroler Landesregierung, der Stadtgemeinde Wörgl und den Sozialen Clubs in der Region umgesetzt werden – dies trotz Pandemie. Und das sei, was zähle, so Winkler. Frauen würden derzeit vor allem Unterstützungsmöglichkeiten, die unkompliziert erreichbar sind, benötigen.

Anstieg an Gesprächen verzeichnet

Im Zusammenhang mit der Coronapandemie sind dabei Frauen besonders gefordert und von deren negativen Auswirkungen betroffen. So beobachten die Berater von Evita Kufstein einen deutlichen Anstieg der Erstabklärungsgespräche seit dem zweiten Lockdown. Nachdem es im ersten Lockdown auffällig still war, hatten viele Experten vor der negativen Entwicklung gewarnt und diese „wie einen Tsunami, der sich zurückzieht um dann heftig auszubrechen“ beschrieben.
In den Anfragen der Frauen bei Evita zeigen sich vielfältige Probleme: Überforderung durch die gestiegenen Anforderungen in der Familie, steigender finanzieller Druck durch Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit sowie allgemeine Wut und Frustration auf Grund der langanhaltenden Maßnahmen. Zunehmend zeigen sich krankheitswertige psychische Veränderungen, auch bei Kindern und Jugendlichen.

Frauen sind unter anderem durch die gestiegenen Anforderungen in der Familie überfordert.  | Foto: Pixabay/BB Archiv
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Gespräche übers Telefon und online

Dabei hat sich in der Arbeit während der Krise für den Verein Evita einiges verändert. Wegen der psychischen Belastung, dem drohenden Wohnungs- und Arbeitsplatzverlust und akuter Überforderung der Klientinnen mussten die Evita-Beraterinnen schneller Handeln als vor der Pandemie. Obwohl auf Grund der Pandemie zusätzliche Probleme auftraten, seien es grundsätzlich aber "dieselben Frauen, dieselben Anliegen und Problemstellungen, dieselben Lösungsschritte" gewesen, erklärt Winkler.
Die Beratung hat sich in den virtuellen Raum verschoben, telefonische Krisengespräche waren und sind nach wie vor an der Tagesordnung. Das brachte auch eine Verkürzung der Beratungsdauer pro Gespräch. Hier habe sich gezeigt, dass Beratungen und auch Krisengespräche gut übers Telefon und online funktionieren. "Das hat viele erstaunt", sagt Winkler.
Was in diesem Zusammenhang aber oft fehlt, sind Angebote zur Schaffung und Erweiterung von digitalen Kenntnissen. Laut Winkler haben auch viele Frauen, die Evita Kufstein betreut, nicht die notwendige technische Ausstattung. Technisches Know-how, bzw. der Mangel daran, hat Betroffenen oft den Eintritt zu fundierter Beratung verschlossen. Die Forderung nach Basiswissen für Onlineberatung wurde seitens Evita bereits an die zuständigen Stellen beim Land Tirol weitergegeben.

Häusliche Gewalt nun oft nicht erwähnt

"Nach einem Jahr macht sich Erschöpfung, depressive Verstimmung, Schlafstörung, psychische Störungen sei es bei Mädchen und Frauen breit", sagt Winkler zur anhaltenden Pandemie. Der Kampf um das wirtschaftliche Überleben, um Grundbedürfnisse wie wohnen und essen, lässt oftmals häusliche Gewalt nicht zum Erstthema der Beratung werden. Die Bearbeitung dieses schambesetzten Teils wird auf ruhigere Zeiten verschoben und findet keine Erwähnung. "Die Dunkelziffer ist, wie überall betont, bei der Nennung der gewaltbetroffenen Frauenzahlen, groß, auch in den Beratungen und auch in den medizinischen Einrichtungen", so Winkler. 
Daher sei es wichtig, weiterhin die Opferschutzgruppen in den Krankenhäusern trotz Pandemie zu forcieren, erklärt Winkler. Aber auch Vernetzungsarbeit dürfe nicht hintan gehalten werden. Psychische Probleme und Erkrankungen müssen genau abgeklärt, effektive Weitervermittlung an die spezialisierten Stellen gewährleistet werden. Die Zeit, die dazwischen liegt, muss mit einem psychosozialen Beratungsangebot überbrückt werden, denn Therapieplätze sind immer noch Mangelware.

Die Beratung bei Evita Kufstein hat sich in den virtuellen Raum verschoben, telefonische Krisengespräche sind nach wie vor an der Tagesordnung.  | Foto: Barbara Fluckinger/BB Archiv
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Immer wieder start am Nullpunkt

Was eine Krise aus der Frauensicht im letzten Jahrhundert gezeigt habe, fasst Winkler so zusammen: "Die Errungenschaft der Vorstreiterinnen verhindert immer ein unüberwindbar scheinender Alltag, der mit einer Wucht zuschlägt, der Denken, Träumen, Verbinden undenkbar scheint und so startet jede Frauengeneration beinahe wieder am Nullpunkt."
Die Anliegen und Forderungen über die letzten Jahrzehnte seien noch immer die gleichen geblieben. "Wir sind es leid, gleichen Lohn für gleiche Arbeit, Gewaltfreiheit, angemessene Bestrafung bei Gewaltdelikten (...), gerechte Aufteilung der unbezahlten Arbeit auf beide Partner, Bezahlung dieser Arbeit und Einfließen in das Pensionssystem,…zu fordern und das noch in Zeiten einer noch nie dagewesenen gesundheitlichen Katastrophe", so Winkler.

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