Hochwasserschutz – Wörgl: "Wir sind der große Verlierer!"

Wörgl hat nicht viel zu lachen. Die Stadt soll im geplanten Wasserverband als Meistzahler auftreten.
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  • hochgeladen von Barbara Fluckinger

WÖRGL (bfl). Der Stadt Wörgl wurde als letzte Gemeinde das Generelle Projekt des Landes Tirol zum Hochwasserschutz präsentiert. Viele Anrainer folgten der Einladung von Bürgermeisterin Hedi Wechner zur Präsentation und fanden sich am Montag, den 20. Februar, im Tagungshaus in Wörgl ein.
Der derzeitige Plan sieht für Wörgl drei Hochwasserschutzmaßnahmen vor. Neben diesen, erklärten die Experten vom Land Tirol auch nach welchem Schlüssel die Kosten für den Damm und das Stimmrecht im geplanten Wasserverband berechnet wurden. Beides war für die Anwesenden ein Streitthema, denn Wörgl soll dabei unter allen Gemeinden als Meistzahler auftreten.

Drei Maßnahmen in Wörgl
Wörgl treffen laut dem geplanten Projekt drei Hochwasserschutzmaßnahmen. Bei der Autobahnauf- und -abfahrt Wörgl West sollen auf einer Länge von rund 1.600 Metern zwischen Inn und Autobahn 2,5 bis 4 Meter hohe Dämme gebaut werden, da der "Wasserspiegel höher liegt als die Autobahn." Zusätzlich wurde hier eine ökologische Ausgleichsmaßnahme aufgenommen, bei der das Vorland am Innufer gestaltet wird.
Die zweite Maßnahme betrifft das Gebiet vom Wörglerbach bis zur Brixentaler Ache, im Bereich der Kompostieranlage. Hier könnte der Rückstau von Wasser im Falle eines Hochwassers Probleme machen. Deswegen müsse man hier laut den Experten eine Wegaufhöhung sowie eine Mauererhöhung durchführen, wobei bis zur ÖBB Unterführung (KR. Martin Pichler-Straße) an beiden Ufern angehoben wird. Die dritte Maßnahme finde im Raum zwischen Angath und Wörgl bei der Mündung der Brixentaler Ache statt. Beim Damm dort wird ein Höhenunterschied von 10 Zentimetern gefordert.

Knackpunkt Wasserverband
Bei der Präsentation der Details rund um die Kosten- und Stimmverteilung im Wasserverband sahen einige der Anwesenden rot. Die Kosten für die einzelnen Mitglieder im Wasserverband berechnen sich aus mehreren Anteilen. Entscheidend sind die Länge des Innufers einer Gemeinde, die Größe der Retentionsräume und der Flächen in den Gelben und Roten Zonen. Rote Zonen müssen grundsätzlich frei gehalten werden, um den Verlauf des Hochwassers nicht negativ zu beeinflussen. Gemeinden, die im Hochwasserfall viel Wasser schlucken können, bekommen eine Rückhaltevergütung.
Während Wörgl bei den gelben Zonen unter den Gemeinden im Mittelfeld liegt, sieht es in der roten Zone, wo nicht gebaut werden darf, anders aus. Wörgl hat den größten Anteil an Roter Zone und gleichzeitig keine Retentionsflächen. Somit bekommt die Stadt gar keine Vergütung. Wörgl soll deswegen auch als Meistzahler auftreten und 49,36 Prozent an Beiträgen zahlen. Das bedeutet rund 25 Millionen an Kosten – ein Betrag den sich, so sind sich viele Stadtpolitiker einig, Wörgl nicht leisten könne.

Wörgl sieht sich als Verlierer
Die anwesenden Wörgler sparten nicht mit Kritik am vorgestellten Modell. So kam die Frage auf, warum andere Gemeinden, wie beispielsweise Kirchbichl, einen Damm bauen durften, dieser Wörgl aber nicht genehmigt wurde. Die Experten verwiesen dabei darauf, dass in den Gemeinden östlich von Wörgl teilweise keine Maßnahmen für eine Retention notwendig seien. Die Gemeinden könnten das Hochwasser noch im eigenen Gemeindegebiet ausgleichen.
Dr. Josef Schernthaner von der Bürgerinitiative "Hochwassersicheres Wörgl" lobte die technische Ausführung. Der Plan sei grundsätzlich ein plausibles System, aber man dürfe den politischer Hickhack darum herum nicht vergessen. "Dass man die Unterlieger wie Kirchbichl und Kufstein ausnimmt ist einfach eine politische Entscheidung", sagt Schernthaner. Das dürfe man als Techniker nicht verteidigen.
"Wir haben alle unser Haus in gutem Glauben gebaut und hingestellt und kein Mensch hat uns gesagt, dass wir überschwemmt werden. Dass wir Wörgler immer als Schuldige hingestellt werden und als Hauptnutznießer von der ganzen Aktion, das ist für das, dass wir als Einzige seit 2005 den Damm nicht bekommen haben, ein schlechter Witz", meint Schernthaner.
"Wir haben in gutem Glauben gebaut und das Gewerbegebiet ist als solches gebaut worden. Dann ist ein Hochwassergekommen, man hat einen Plan darüber gezogen und gesagt Wörgl ist eine rote Zone. Jetzt sind wir die großen Verlierer und sollen am meisten zahlen", kommt eine weitere Wortmeldung aus den Reihen der Versammelten.
Bürgermeisterin Hedi Wechner meinte, sie habe mit Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler vergangene Woche über den Hochwasserschutz gesprochen. Geisler habe ihr eine finanzielle Unterstützung durch das Land Tirol zugesagt. Man müsse nun darüber verhandeln, danach werde man weiter sehen.

Der Hochwasserschutzplan im Detail

Warum Retentionsflächen?
Die Experten vom Sachgebiet Schutzwasserwirtschaft haben das Land Tirol in drei Unterabschnitte geteilt: Oberes, Mittleres und Unteres Unterinntal. Laut der vorliegenden Grobplanung für das Untere Unterinntal sollen 17,8 km Linearmaßnahmen 160ha Bauland (gelbe und rote Zone) schützen. Dies umfasst 10 km lange Dämme und drei optimierte Retentionsräume mit 8,4 Millionen Kubikmeter Inhalt. Die drei optimierten Retentionsflächen finden sich in Kramsach, Radfeld/Kundl und in Angath.
Der Kern des Plans besteht in der Zusammenarbeit von acht Gemeinden im Unteren Unterinntal – Brixlegg, Rattenberg, Kramsach, Radfeld, Kundl, Breitenbach, Wörgl und Angath. Wenn es um Hochwasserschutz geht sind Maßnahmen einzelner Gemeinden weder zielführend noch bewilligungsfähig. Das Mantra der Experten: "Es darf zu keiner Verschlechterung für Dritte kommen." Es dürften nicht, wie beim Hochwasser 2005, die Wassermassen von Gemeinde zu Gemeinde durchlaufen und sich ständig vermehren. Der Grundgedanke also: Gleichviel Wasser wie jetzt im Fall eines Hochwassers abrinnen würde, wird auch nach Umsetzung der Maßnahmen abrinnen. Aber es wird durch die Maßnahmen keine Verschärfung für die jeweils nächsten Gemeinden und Unterlieger geben. Deswegen seien die Optimierungsräume und eine gemeinsame Lösung notwendig, sagt Experte Stefan Walder.
Bei einem Hochwasser gehe es zudem nicht nur um den Inn selbst. "Zubringer" wie beispielsweise die Kundler Ache kommen auch dazu und erhöhen die Wassermassen bei einem Hochwasser. Durch die drei "optimierten Retentionsflächen" konnte man sich ein Drittel an Fläche sparen. Der geplante Retentionsraum in Angath sei auch deswegen so wertvoll, weil er gleich am Anfang des Unteren Unterinntals stehe. Ein Retentionsraum in Wörgl ist deswegen nicht durchführbar, da man hier keine Möglichkeit hätte, das Wasser wieder in den Inn zurückzubringen und den Retentionsraum zu entleeren.

So funktioniert der Plan
Konkret funktioniert der Generelle Plan im Hochwasserfall so: Grundsätzlich wird es Einlaufbauwerke geben, die den Durchfluss des Inns leiten. Der Durchfluss und der Wasserstand werden ständig gemessen. Sobald der Wasserpegel einen gewissen Wert überschreitet, werden automatisch Maßnahmen eingeleitet um das Hochwasser zu dämpfen.
"Steigt der Pegel, muss ich muss das Einlaufbauwerk etwas aufmachen. Sinkt der Pegel, mache ich zu", erklärt Peter Hanisch vom DonauConsult Ingenieurbüro. Das funktioniere nach ganz strengen Regeln und Steuerkonzepten. Radfeld und Kundl werden synchron gesteuert. Nach dem Abklingen der Welle, könnten die überfluteten Räume dann binnen drei Tagen gelehrt werden.

Hohe Kosten
Der Bau der Dämme und Schutzmaßnahmen alleine kostet 210 Millionen Euro. Insgesamt soll laut groben Schätzungen das Projekt 250 Millionen kosten. Dabei kosten die drei Retentionsräume am meisten, aber auch die Dichtung der Dämme ist teuer. Den Kosten stellen die Experten das berechnete Schadenspotential gegenüber. Bei einem Jahrhunderthochwasser ("HQ100") würde man auf rund 350 Millionen Euro Schaden für die insgesamt acht Gemeinden kommen. Der Tenor der Experten rund um Markus Federspiel von der Abteilung Schutzwasserwirtschaft und Gewässerökologie bleibt während der Präsentation deswegen immer derselbe: Es brauche von den Gemeinden nun eine Zustimmung zur Grobplanung, um mit dem Einreichprojekt beginnen zu können.
Grundsätzlich werden Hochwasserschutzmaßnahmen mit bis zu 85 Prozent vom Bund gefördert. Die laufenden Kosten für die Dammerhaltung werden zu 70 Prozent vom Bund gefördert, dürften sich aber laut den Experten auf 1 bis 1,5 Prozent der Projektkosten belaufen.
Grundeigentümer bekommen laut dem derzeitigen Modell einerseits Entschädigungen dafür, dass sie die Fläche zur Verfügung stellen, andererseits gibt es Vergütungen falls es durch Hochwasser zu einem Schaden kommt.

Der geplante Wasserverband
Um die Maßnahmen zum Hochwasserschutz im Unteren Unterinntal durchzusetzten, ist laut den Experten die Gründung eines Wasserverbands notwendig. Diesem sollen nicht nur alle Gemeinden beitreten, sondern auch Infrastrukturträger wie die ÖBB oder TIWAG sollen Mitglieder sein. Insgesamt soll die Mitgliederversammlung 26 Mitglieder umfassen, wobei die genaue Anzahl bzw. Größe des Vorstandes noch offen ist. Laut den Experten vom Land Tirol sei das Ziel gemeinsame Spielregeln festzulegen und ein Gleichgewicht herzustellen. Durch Finanzierungs- und Stimmenanteile soll hier für benachteiligte Gemeinden ein Ausgleich geschaffen werden. Somit würden die Stimmenanteile im Verband derzeit wie folgt verteilt sein: Wörgl wäre mit sechs und Radfeld mit fünf Stimmen vertreten. Kundl und Kramsach hätten jeweils vier Stimmen, Brixlegg, Breitenbach und Angath jeweils zwei und Rattenberg eine Stimme.

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