Podiumsdiskussion
Wörgl startet Bürgerbeiteiligungsprozess um Bahnhofstraße

Professor Hermann Knoflacher kam aus Wien angereist, um im Komma Wörgl einen Vortrag über das Thema Verkehr zu halten.  | Foto: Fluckinger
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  • Professor Hermann Knoflacher kam aus Wien angereist, um im Komma Wörgl einen Vortrag über das Thema Verkehr zu halten.
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Bei der Auftaktveranstaltung zu Bürgerbeteiligungsprozess hielt Verkehrsplaner Hermann Knoflacher bei Vortrag und Podiumsdiskussion im Komma: Lösung liegt in den Strukturen.

WÖRGL (bfl). "Endlich Autofrei!" – unter diesem Motto lud die Stadtgemeinde Wörgl am Montag, den 1. April zur Auftaktveranstaltung für den mehrteiligen Bürgerbeteiligungsprozess "Bahnhofstraße Wörgl" ins Komma. Im Raum stand dabei unter anderem die Frage, ob eine Fußgängerzone in der Bahnhofstraße möglich und erstrebenswert ist. Verkehrsplaner Hermann Knoflacher kam dafür aus Wien angereist und informierte in einem vierzigminütigen Vortrag über seine revolutionären Ansichten zum Thema Auto und Verkehr. In der darauffolgenden Diskussion zeigte sich vor allem eines: das Thema "Fußgängerzone" in der Bahnhofstraße ist in Wörgl nach wie vor ein brisantes.
Die Veranstaltung mit Vortrag und Podiumsdiskussion im VZ Komma war gut besucht. Rund siebzig Interessierte lauschten den Ausführungen von Hermann Knoflacher, der als Fachmann in allen Bereichen rund um den Verkehr gilt und seit 1975 Professor am Institut für Verkehrswesen der TU Wien ist. Warum er bereits mehrmals mit seinen revolutionären Ideen und Aussagen für Empörung gesorgt hat, bewies der Verkehrsplaner auch in Wörgl. "Wir haben in den Städten alles weggeräumt, was dem Auto im Weg war", sagt Knoflacher in seinem Rückblick auf die geschichtliche Entwicklung des Verkehrs.

Drei große Mythen

Er sprach in seinem Vortrag von drei großen Mythen in der automobilen Gesellschaft. "Mythos 1" ist für ihn der Glaube, dass mehr Motorisierung, mehr Mobilität bedeute. Dem widersprach Knoflacher in seinen Ausführungen: "Es gibt kein Wachstum der Mobilität, sondern es ändern sich nur die Formen der Mobilität." Jeder Auto-Weg habe in Wirklichkeit einen Weg mit dem Fahrrad, zu Fuß oder mit dem öffentlichen Verkehr.
Der zweite Mythos ist laut Knoflacher, dass die Mobilität mit dem Auto eine Zeitersparnis bringe. Eine höhere Geschwindigkeit durch die Motorisierung führe aber nur zu längeren Wegen, sagt Knoflacher. Während Autofahrer längere Wege zu großen Einkaufszentren auf sich nehmen, sterben zudem lokale Betriebe. "Nirgends auf der Welt wurde bisher eine Zeitersparnis durch Geschwindigkeitserhöhung beobachtet", so Knoflacher. Im "Mythos 3" sprach Knoflacher über die Freiheit der Verkehrsmittelwahl, die man zwar habe, die aber zum Beispiel aus finanziellen Gründen letztendlich eingeschränkt sei.
Es gelte grundsätzlich in der Verkehrspolitik für jene Verkehrsmittel, von denen man weniger haben wolle, ein "negative Rückkopplung" einzubauen – also Mechanismen zu schaffen, die ihnen entgegen wirken.

Vorschläge für Wörgl

Beim Blick auf Wörgl zeigte der Verkehrsexperte eine Zunahme des Autoverkehrs in Erhebungen von 1992 bis 2011 auf. Die Lösung für Verkehrsprobleme liegen seiner Meinung nach in den Strukturen. "Wenn Sie eine Verhaltensänderung wollen, müssen Sie die Strukturen ändern", argumentiert Knoflfacher. Wörgl habe im Umfeld "relativ viele" Garagenabstellplätze, die nicht optimal organisiert seien, aber eine gute Ausgangsposition für eine Fußgängerzone liefern würden. Konkret schlägt Knoflacher vor, die Fußgängerzone in der Bahnhofstraße tatsächlich in Angriff zu nehmen. Stell- bzw. Parkplätze, die durch eine Fußgängerzone wegfallen würden, könne man kompensieren.

Diskussion mit unterschiedlichen Meinungen

In der darauffolgenden Diskussion, meldeten sich Gemeindepolitiker, Kaufleute und Wörgler zu Wort. Aus der Diskussion gingen unterschiedliche Meinungen und Vorschläge der Wörgler Bürger hervor. Auf die Frage ob ein Shared-Space bzw. eine Begegnungszone derzeit erstrebenswerter als eine Fußgängerzone in der Bahnhofstraße sei, verneinte der Experte. Er stellte die Frage, welche Alternativen man zur Fußgängerzone habe. "Man braucht bei Ihnen nicht mehr über Shared Space reden, den haben Sie bereits", so Knoflacher. In Verbindung mit einer Fußgängerzone könne man das Ambiente der Innenstadt und die Qualität des Ortes nutzen, um Menschen in die Bahnhofstraße zu bringen. Durch eine Fußgängerzone entstehe eine Unverwechselbarkeit, sagt Knoflacher. So könne man mit großen Verkaufsflächen außerhalb der Stadt konkurrieren.
Bedenken hinsichtlich einer Fußgängerzone äußerten in der Diskussion auch Wörgler Kaufleute. Sie befürchten durch eine Einführung der Fußgängerzone einen Umsatzverlust. Knoflacher schlägt vor, Erhebungen zur Kaufkraft machen, die zeigen wieviel Kaufkraft man in Wörgl binden könne. Danach könne man gemeinsam feststellen, was zu machen sei.

Wie es in Wörgl weiter geht

Das nächste das Wörgl machen müsse, sei klare Ziele zu setzen und gemeinsam Werteprofile festzulegen, sagt Knoflacher. Wichtig sei dabei immer gegenseitiges Vertrauen und die Zusammenarbeit von Experten, Verwaltung, Politik und Bevölkerung.
"Wir haben bereits eine Belebung mit Events begonnen und wir werden das sicher weiterführen, aber das kann kein Ersatz für eine dauerhafte Fußgängerzone sein", sagte Bgm. Hedi Wechner hinsichtlich der Bahnhofstraße. Es sei bereits eine Arbeitsgruppe dazu ins Leben gerufen worden. Es werde darüber hinaus weitere Arbeitsgruppen mit Wirtschaft, Kulturschaffenden, Gastronomen und den Infrastrukturträgern geben. Interessierte können sich laut Wechner für die Arbeitsgruppen bei den dafür zuständigen Gemeinderäten Andreas Schmidt, Christian Huter und Christine Mey melden. Das Ergebnis dieser Arbeitsgruppen soll dann in einem ähnlichen Rahmen, wie jenem der Podiumsdiskussion präsentiert werden.

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