Manche Einrücktermine mau
Zivildienermangel trifft viele Einrichtungen

"Wir sind vor einigen Jahren von 4 auf 2 Einrückungsterminen zurückgegangen"
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  • "Wir sind vor einigen Jahren von 4 auf 2 Einrückungsterminen zurückgegangen"
  • hochgeladen von Sebastian Noggler

Mit Verkürzung der Zivildienstdauer wurden einerseits die Einrücktermine flexibilisiert, andererseits sind manche bei den jungen Männern nicht recht beliebt. Im Sommer 2018 hatten Trägerorganisationen mit Engpässen zu kämpfen, Wohnheime haben bei Ausfällen oft das Nachsehen.

BEZIRK (nos). Auf Empfehlungen der Bundesheerreformkommission wurde der Wehrdienst 2004 auf sechs Monate verkürzt, die Dauer des Zivildienstes  mit Jänner 2006 angepasst – von zwölf auf nunmehr neun Monate. Die Verkürzung brachte neben zusätzlichen Einrückterminen auch einen Personalmangel mit sich, immerhin "dienen" die jungen Männer seitdem um ein Viertel weniger lange. Zusammen mit zurückgehenden Geburtenraten der aktuell einberufenen Jahrgänge ergibt das einen teils eklatanten Personalmangel in zahlreichen Einrichtungen von Altenwohnheimen bis zum Rettungsdienst, wo rund 40 Prozent aller Zivildienstleistenden (ZiDi) eingesetzt werden.

Samariter in roten Zahlen

Für den Samariterbund Tirol bedeutete dies im Sommer 2018 ein "Loch" in der Personaldecke, das mit hauptamtlichen Mitarbeitern gefüllt werden musste. Über 50.000 Euro Mehrkosten entstanden den Rettern dadurch, die Sparte Rettungsdienst rutschte deshalb in die roten Zahlen.
Samariter-GF Gerhard Czappek erklärt im Gespräch mit den BEZIRKSBLÄTTERN: "Wir sind von vier auf zwei Einrückungstermine zurückgegangen, so können wir die zwei mal 16 Burschen adäquat in Rettungssanitäterkursen ausbilden." Diese Kurse für vier Termine abzuhalten sei kostentechnisch nicht mehr tragbar gewesen, zumal sich zu wenige Ehrenamtliche fanden, die diese Blockveranstaltungen unter der Woche hätten wahrnehmen können. 32 ZiDi leisten ihren Dienst jedes Jahr beim Samariterbund in Kirchbichl, Schwaz und Innsbruck, die meisten melden sich auf die April- und Oktobertermine selbstständig, um hier zugeteilt zu werden, so Czappek. Im Sommer 2018 war es anders, fehlende ZiDi mussten hauptamtlich kompensiert werden: "Zehn Leute ehrenamtlich zu ersetzen ist für uns ein Ding der Unmöglichkeit, wir mussten dieses Loch mit insgesamt 16 Mitarbeitern stopfen." Dafür gibt's auch kein Extrageld, wie Czappek betont: "Das müssen wir komplett aus dem eigenen Budget selber finanzieren." Knapp über 50.000 Euro kostete den Samariterbund Tirol dieses Personalloch, auch 2019 sei es wieder vorprogrammiert: "2019 wird es uns noch einmal treffen, das tut schon weh. Ich bin ziemlich sicher, dass uns im April acht Zivildiener fehlen werden." Durch Sparmaßnahmen, Umschichtungen und mehr Effizienz müssen die Kosten kompensiert werden.

Rotes Kreuz kompensiert mit Freiwilligen

Direktor Thomas Wegmayr, Geschäftsleiter des Rotkreuz-Landesverbands Tirol, kennt das Problem ungünstiger Einrückungstermine: "Bei uns war es 2018 im März und im Mai so, etwas milder auch im Juli, dass wir etwas weniger Zivildiener zugeteilt bekommen haben als in den Vorjahren – in Summe etwa 30, was bei einem Gesamtstand von 530 Zivildienern im Gesamtjahr durchaus etwas ausmacht. Die fehlenden jungen Männer konnten wir aber teilweise kompensieren, da das Angebot zum Freiwilligen Sozialen Jahr im Tiroler Roten Kreuz immer besser angenommen wird. Derzeit arbeiten bei uns 17 junge Menschen mit, die ihr FSJ absolvieren." Auch die Gründe sind dem RK-Direktor bekannt: "Derzeit werden relativ geburtenschwache Jahrgänge gemustert, das wird sich in den kommenden Jahren wieder ändern. In anderen Bundesländern gibt es schon längers größere Probleme genügend Zivildiener zu finden, da hat sich Tirol vergleichsweise lange und gut geschlagen. Hier fehlen uns oft in Kitzbühel junge Männer, die wir dann aus anderen Bezirken kommend dort einsetzen. Wir versuchen aber auch bei jedem Einrückungstermin, so wie gerade heute (Anm. 2. Jänner), dann wieder um zu verteilen, damit die Burschen in ihren Heimatbezirken arbeiten können. Für den nächsten Termin im März gibt es im Tiroler Roten Kreuz noch einige freie Plätze."

Im Bezirk Kufstein kommt bald der ersten FSJ-ler zum Roten Kreuz, wie GF Stephan Vitéz und Rettungsdienstleiter Hanspeter Kurz erklären. "Wir glauben im Bezirk eher nicht, dasss das FSJ den Zivildienst langfristig ersetzen kann", stellt Vitéz fest. Vorteil im RK sei, dass durch sieben jährliche Einrücktermine mehr Flexibilität gegeben sei. Zudem bekomme der Landesverband Tirol aufgrund der Menge an Einsatzstellen insgesamt recht viele ZiDi. Aber auch hier bekam man den Sommer zu spüren: "Wir hatten in drei Monaten im vergangenen Jahr – im Juli, August und September – ein Zeitfenster, in dem wir viele Stunden durch Freiwillige kompensieren mussten, weil wir zu wenige Zivildiener hatten." 1.207 Arbeitsstunden wurden deshalb ehrenamtlich geleistet, eine hauptamtliche Besetzung hätte rund 30.000 Euro gekostet.
Die sinkenden ZiDi-Zahlen und Zuteilungen ziehen aber für die Retter auch einen weiteren Rattenschwanz nach sich, so Vitéz: "Wir rekrutieren viele unserer Freiwilligen aus dem Zivildienst heraus und die bleiben auch durchschnittlich länger in der Organisation als andere."

Ausfälle treffen Wohnheime schwer

Werner Ranacher, Heimleiter des "St. Josefheim" in Brixlegg, erklärt auf Anfrage der BEZIRKSBLÄTTER: "Wir bekommen immer wieder Anfragen von Interessierten, die bei uns im Wohn- und Pflegeheim ihren Zivildienst ableisten möchten und hier mitarbeiten wollen. Wir haben immer zwei Zivildiener bei uns im Einsatz, schwierig wird es für uns eigentlich nur, wenn einer während des Dienstes ausfällt. Wenn sich einer unserer Zivildiener etwa ein Bein brechen würde, finden wir eher nicht so rasch Ersatz während des Turnus."
Harald Ringler, Heimleiter im Wörgler Seniorenheim, beschäftigt laufend vier Zivildienstleistende: "Wir hatten vor einiger Zeit ein halbes Jahr, in dem eine der Zivildienerstellen unbesetzt bleiben musste, weil es zu wenige Interessierte gab. Aktuell wären für den August 2019 noch zwei Plätze zu besetzen, ich hoffe, wir finden bald jemanden dafür. Spätere Termine sind aber zum Beispiel schon wieder voll."
Der Heimleiter der Kufsteiner Altenwohnheime Werner Mair zählt insgesamt acht Zivildiener in seinen beiden Häusern – zwei im "Innpark" und sechs in Zell. Auch er kennt Situationen, in denen ein Platz nicht besetzt werden konnte: "Man merkt schon, die Termine im Dezember oder Jänner sind eher schwierig zu füllen, da sie im Schuljahr bzw. im Semester liegen."

Lebenshilfe wird stark nachgefragt

Die Lebenshilfe bekommt von der Zivildienstserviceagentur ein tirolweites Kontigent zugeteilt und beschickt damit dann die Bezirke, so wie auch das Rote Kreuz, der Smariterbund und andere Organisationen, bei denen Landesverbände als Träger fungieren. Kufsteins Regionalleiterin Carina Praxmarer hat dabei nicht die Sorgen anderer Organisationen: "Wir sind eigentlich immer voll. Eher müssen wir manchmal mit Interessenten darüber sprechen, ob für sie ein anderer Einrückungstermin auch machbar wäre, einige nehmen das in Kauf, weil sie sehr gerne bei uns arbeiten möchten, andere können das zum Beispiel wegen ihrer Studienplanung nicht machen." Sieben Zivildiener beschäftigt die Lebenshilfe im Bezirk Kufstein laufend in ihren Einrichtungen.

Einen weiteren Beitrag zum Zivildienermangel im Bezirk Kufstein finden Sie hier.
Mehr zum Thema Zivildienst auf meinbezirk.at finden Sie hier.

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