Die verschlungenen Wege der Mohr-Reliefs und seines Schädels

Kustos Hugo Oberkofler, Obmann Gerhard Lehmann, Stille-Nacht-Forscher Martin Reiter und Präsident Michael Neureiter von der Stille Nacht Gesellschaft (v.l.) mit dem „Werkbuch“ Josef Mühlbachers. | Foto: Tannenberg
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  • Kustos Hugo Oberkofler, Obmann Gerhard Lehmann, Stille-Nacht-Forscher Martin Reiter und Präsident Michael Neureiter von der Stille Nacht Gesellschaft (v.l.) mit dem „Werkbuch“ Josef Mühlbachers.
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BEZIRK (red). Der Zufall führte Regie: Der Heimat-Forscher Martin Reiter aus St. Gertraudi (Reith i.A.) beschäftigt sich auch eingehend mit der Geschichte des Lieds "Stille Nacht" und wurde beim Heimatverein Kufstein um Leihgaben für die nächstjährige Ausstellung im Schloss Fügen vorstellig und Michael Neureiter, Präsident der "Stille Nacht Gesellschaft" aus Oberndorf an der Salzach, bat um Bilder von Josef Mühlbachers Mohr-Relief, das auf der Festung Kufstein ausgestellt ist. Dabei kam zutage, dass im Fundus des Heimatmuseums Kufstein das „Werkbuch“ von Josef Mühlbacher (1868-1933) mit zahlreichen bisher nicht bekannten Abbildungen aus der Werkstatt des Priesters und Bildhauers zu finden war.

Das „Werkbuch“ Josef Mühlbachers

Reiter hatte in einem alten „Reimmichlkalender“ einen Bericht über den „Kufsteiner Mohr“ gefunden, ein von Josef Mühlbacher, er war Pfarrer in Zell und Diözesankonservator von Salzburg, geschaffenes Relief. Reiter stieß dabei auch auf den angeblich im Werkbuch des künstlerisch tätigen Geistlichen abgebildeten Schädel Joseph Mohrs. Er bat daraufhin Kustos Hugo Oberkofler um Nachschau. Dieser fand im Werkbuch Mühlbachers, das er als Benefiziat in Radstadt begonnen hatte, tatsächlich ein Foto des in Wagrain exhumierten Schädels des Stille-Nacht-Textdichters Joseph Mohr.

Michael Neureiter hatte im Gespräch mit der Kufsteiner Autorin Brigitte Weninger um Bilder des „Kufsteiner Mohr“ im Stille-Nacht-Gedenkraum in der Festung Kufstein gebeten, der dann im Oberndorfer Relief um Franz Xaver Gruber ergänzt wurde.

Josef Mühlbacher wurde 1868 in St. Margarethen im Lungau geboren, schon 1890 zum Priester geweiht und kam dann in Hofgastein und Radstadt in den Seelsorgseinsatz. Kardinal Johannes Katschthaler, Salzburger Erzbischof von 1900 bis 1914, erfuhr von seiner künstlerischen Begabung und schickte ihn 1909 bis 1914 zur Ausbildung an die Akademie der bildenden Künste in Wien, dabei gab Mühlbacher mit  Ignaz Seipel das Buch „Das katholische Kirchenjahr in Bildern“ heraus. Mühlbacher wurde dann 1915 Diözesankonservator und 1916 Pfarrer in Kufstein-Zell. Mühlbacher verstarb 1933 und ist in Kufstein-Zell begraben.

Schädel als Vorlage ausgegraben

Schon in seiner Radstädter Zeit erhielt Mühlbacher aus Wagrain den Auftrag, eine Büste von Joseph Mohr anzufertigen. Da von Mohr jedoch kein authentisches Porträt vorhanden war, bat er um Exhumierung des Schädels von Mohr, um diesen als Vorlage benutzen zu können. Dies wurde genehmigt, das Grab in Wagrain wurde unter Leitung von Pfarrer Josef Rosenstatter geöffnet. Mühlbacher begann in Wien am Relief zu arbeiten, dabei empfand er die Züge dem Schädel nach. Er ließ 1912 auf eigene Kosten das Mohrrelief in Bronze gießen. Schließlich wurde das Werk nicht für Wagrain erworben, es blieb in den Händen des Künstlers.
Der Schädel dürfte schließlich von Kufstein nach Oberndorf gekommen sein. Obmann Gerhard Lehmann vom Heimatverein Kufstein: „Laut einer Notiz von Pfarrer Mühlbacher hat dieser den Schädel zusammen mit einer Urkunde in einem Metallbehälter der Gemeinde Oberndorf übergeben.“ Der Schädel soll dann in der 1937 geweihten "Stille Nacht Kapelle" quasi als Reliquie eingemauert worden sein: Michael Neureiter verweist auf einen Zeitungsbericht vom 1. September 1937: Josef Rosenstatter berichtet darin nach der Weihe der Stille-Nacht-Kapelle von den Reliefs oberhalb der Mensa der Kapelle, „unter der als kostbarster Schatz der vom Schreiber dieser Zeilen im Sommer 1912 ausgegrabene Schädel des im Jahre 1848 in Wagrain verstorbenen Dichters Josef Mohr ruht“.

Relief über Rio retour

Kustos Hugo Oberkofler vom Heimatmuseum Kufstein über die weitere Entwicklung: „Mühlbacher verkaufte das Relief schließlich an einen deutschen Konsul, der in Kufstein eine Villa besaß. Dieser brachte das Kunstwerk nach Rio de Janeiro. Er wollte es angeblich nach seinem Tod in sein Grabmal integriert haben. Doch die Nachfahren waren anderer Meinung, brachten das Werk nach Kufstein zurück, und so steht es heute im Stille-Nacht-Gedenkraum auf der Festung Kufstein.“

Mühlbacher erhielt später aus Oberndorf bei Salzburg den Auftrag für ein Gruber-Mohr-Relief. Dafür ergänzte er die Vorlage des „Kufsteiner Mohr“ mit Franz Xaver Gruber und gab diesem die Gitarre in die Hand. Bekanntlich spielte in der Christnacht 1818, als das Lied zum ersten Mal erklang, Mohr die Gitarre. Das Oberndorfer Relief wurde 1928 in der Stadtpfarrkirche angebracht und steht heute im Freien links vom Kirchenportal, eine Kopie wurde 2012 am Hügel der Stille-Nacht-Kapelle aufgestellt.

Für Martin Reiter kam der Sensationsfund gerade zur rechten Zeit, denn so konnte er das Material aus dem Werkbuch, darunter auch ein Foto von der Aufbahrung Joseph Mohrs, noch in sein Buch „Stille Nacht“ aufnehmen, das Anfang Dezember erscheint. Reiter: „Das Werkbuch Mühlbachers ist auch deshalb von Interesse, weil es den Werdegang des Kufsteiner Mohr-Reliefs bildlich darstellt.“ Michael Neureiter hält das Bild von der Aufbahrung für einen sicheren Beleg dafür, dass es tatsächlich den am 4. Dezember 1848 verstorbenen Wagrainer Pfarrvikar Joseph Mohr zeigt.

Der „Kufsteiner Mohr“, dessen Schöpfer Pfarrer Josef Mühlbacher sowie sein Werkbuch und die Erzählungen dazu bringen also ein Jahr vor dem 200-Jahr-Jubiläum von „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ eine ganz neue Facette in die Forschung rund um das Lied und seine Rezeption.

Reiter präsentiert Buch

Am Samstag, den 9. Dezember, um 19 Uhr, präsentiert Martin Reiter im Rainer-Saal in Schloss Fügen sein neues Buch "Stille Nacht! Heilige Nacht! - Ein Lese-, Bilder- & Reisebuch mit dem Liedtext in125 Sprachen". Martin Reiter erzählt an Hand zahlreicher Bilder sowie interessanter Texte die Geschichte des berühmtesten Weihnachtsliedes von seiner Entstehung bis zur heutigen weltweiten Verbreitung, stets auch mit dem Fokus auf den Tiroler bzw. Zillertaler Anteil am Erfolg dieses Weltfriedensliedes. Der Eintritt ist frei.

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