Drei Werke warteten auf's Wildschönauer Holz

Vor dem Bau der Klammstraße diente die Ache als Beförderungsmittel für das in der Wildschönau geschlagene Holz. | Foto: Archiv Hannes Sollerer
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  • Vor dem Bau der Klammstraße diente die Ache als Beförderungsmittel für das in der Wildschönau geschlagene Holz.
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BEZIRK (flo). Jeder kennt die Wildschönauer Straße von Wörgl nach Niederau über die heutzutage der Verkehr in die Wildschönau rollt, doch als Autos noch nicht verbreitet waren und die Transporte mit Pferdekutschen durchgeführt wurden gab es noch eine andere bedeutende Handelsroute, die von Kundl durch die wildromantische Klamm in den Wildschönauer Ortsteil Mühltal führte. Mit schweren Holzfuhrwerken war die steile Straße früher im Winter nur schwer befahrbar. Daher wurde in den Jahren 1911/12 die Kundler Klamm Straße errichtet.

Zu Beginn der Bauarbeiten waren sich die Bauherren noch nicht ganz über den Straßenverlauf sicher: Soll sie gerade verlaufen und am Felsenkeller der Brauerei Kundl, auch „Bräu Keller" genannt, in dem während des zweiten Weltkriegs die "schwarzen Mander" versteckt wurden, vorbeiführen, oder mit Hilfe einer Brücke auf die gegenüberliegenende Bachseite umgeleitet und am heutigen „Steinmetz“ vorbei ins Kundler Ortszentrum führen sollte. Daher wurde eine Notbrücke errichtet. Nachdem die Straße fertig war, wurde schließlich beschlossen, eine verkehrstaugliche Brücke zu bauen und die Klammstraße mit der Straße auf der anderen Bachseite und den bereits bestehenden Verbindungen ins Ortszentrum zu verknüpfen.
Errichtet wurde die „Erste Kundler Klamm Brücke“, eine äußerst stabile Konstruktion mit einer Spannweite von 32 Metern, von Stephan Riedmann vom Stadtbauamt Innsbruck in den Jahren 1913/1914. Zur Belastungsprobe am 4. Mai 1914 wurden 29,4 Tonnen Schotter in Säcken und teils lose auf der Brücke verteilt.
Anlässlich des 66. Regierungsjubiläums von Kaiser Franz Josef I. wurde sie am 2. Dezember 1914 offiziell eröffnet. Seit diesem Tag passierten hunderte Holzfuhren, Reiter, Bierführer, Fahrräder, Autos, Busse und Wanderer die Brücke.

Vor dem Bau der Straße diente die Ache als Beförderungsmittel für das in der Wildschönau geschlagene Holz, das am Klammeingang vor dem Wasserfall von Triftern mit langen Stangen, an denen ein eiserner Haken befestigt war, wieder aus dem Wasser gezogen wurde. Diese Arbeit war jedoch alles andere als ungefährlich und so fanden einige Holzarbeiter dabei den Tod.
Zwei Marterl erinnern bis heute daran, nämlich jenes des Holzhändlers Peter Silberberger aus dem Wörgler Lahntal, der am 7. März 1907 beim Holztriften tödlich verunglückte, und das des Kundler Bäckermeisters Johann Rappold, der am 15. November 1920 bei Holzarbeiten auf der Saulueg von einem Baumstamm getroffen und über den westlichen Steilhang mehrere hundert Meter in die Klamm hinabgerissen wurde.

Hindernis für die Holztransporte waren auch die Felstunnels in der Klamm, an die die Frächter ihre Fuhren genau anpassen mussten, um sie überhaupt passieren zu können. "In den Vorkriegsjahren herrschte im Winter ein reges Leben in der Kundler Klamm und die Rösser hatten eine strenge Zeit, denn damals gab’s jeden Tag ein bis zwei Holzfuhren. Ende der 1940er Jahre kam der Traktor auf und mit den Holzfuhren war nicht mehr viel zu verdienen," erinnert sich Michael "Michi" Moser aus Kundl noch gut. Sepp Margreiter Senior machte in den Jahren 1954 und 1955 als junger Mann noch Holzfuhren durch die Klamm. 1955 wurden die Fuhren endgültig eingestellt, erklärt er.
Die Holzfuhren wurden in die drei großen Kundler Sägewerke, die Dampfsäge, die Riedmann Säge, oder in die Luchner-Säge gebracht, wo die Baumstämme entweder zu Brettern oder zu Spreißeln, also kleinen Holzblättchen zum Anfeuern, verarbeitet wurden.
Die 89-jährige Loisi Haun wuchs in der Riedmann Säge auf und hat auch noch einige Erinnerungen an diese Zeit. "Geholzt wurde nicht nur in der Wildschönau, sondern auch in Kundl und zwar meistens in den Wäldern nahe der Kragenalm und der Brach", erklärt sie, "früher wurden die Holzprügel im Winter von den Holzknechten mit Hilfe einer Schneerinne vom Berg herunter gebracht und im Tal auf eine Pferdekutsche aufgeladen, die sie dann zum Verarbeiten in eines der Sägewerke gebracht hat."
Durch die Weltwirtschaftskrise im Jahre 1929 wurden viele Menschen hart getroffen und es war für eine junge Familie extrem schwer, sich eine Existenz aufzubauen, erzählt die 89-Jährige. Loisis Vater Sepp Winkler konnte durch seine Arbeit als "Sogschneider" mit seiner Familie in die Wohnung im Gebäude der Riedmann Säge einziehen, wo ihnen die wichtigsten Dinge zur Verfügung gestellt wurden. Loisis Mutter Kathi half im Sägewerk tatkräftig mit, indem sie unter anderem die Spreißel verkaufsfertig machte, oder das Lager aufräumte und sauber hielt.
Im Sägewerk herrschte reger und internationaler Betrieb: "Manchmal haben mir die Italiener einen Schilling gegeben und damit konnte ich mir dann ein paar Stollwerk kaufen, das war damals rar", erinnert sich Loisi.

Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg war die Klammstraße derart gut ausgebaut, dass sie auch mit Pkw befahren werden konnte. „In den 1930er Jahren fuhr auch ein kleiner Neun-Sitzer-Bus wie ein Taxidienst durch die Kundler Klamm ins Mühltal, das wurde aber, als der Zweite Weltkrieg ausbrach, wegen Unrentabilität eingestellt", erinnert sich Michi Moser weiter. Die Kundlerin Julia Prosch denkt gerne daran zurück, wie sie ihr Vater Bartl, der als Bierführer arbeitete, vor dem Krieg an Samstagen zur „Kleinen Tour“, wenn er das „Zollhäusl“ (heute Gasthaus Kundler Klamm) mit Bier belieferte, mitnahm: „Die Bierführer hatten damals zwei Rösser und ich erinnere mich noch gut daran, dass im Zollhäusl immer viel los war, sowohl Kundler als auch Wildschönauer traf man dort.“

Das "Zollhaus", dessen Fassade viele Jahre lang Szenen aus dem Tiroler Freiheitskampf von 1809 zierten, erhielt seinen Namen deshalb, weil dort damals der Wegzoll eingehoben wurde. Auf der gegenüberliegenden Bachseite des "Zollhäusls" wurde um 1925 der Zugang zum Wasserstollen für das Kundler E-Werk gebaut, das im Jahre 1926 eröffnet wurde und bis heute in Betrieb ist.
Eine weitere Episode in der Geschichte der Kundler Klamm ist der bis heute berühmt berüchtigte "Große Stein" der im Jahre 1929 über die Schotterhalde an der Gemeindegrenze zwischen Kundl und der Wildschönau herabfiel und sich über das Bachbett der Ache legte. Um Verklausungen bei Hochwasser zu vermeiden, musste er gesprengt werden. Einen Teil von ihm findet man aber bis heute am Rande des Bachs – ein beliebtes Fotomotiv.

In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg gab es immer wieder schlimme Unwetter und auch die Klammstraße wurde dabei stark beschädigt. Der langjährige Kundler Feuerwehrkommandant Georg Filzer Junior, der im Juli 2015 verstarb, erzählte gerne, wie sein Vater, seinerzeit Bürgermeister, eines Nachts geweckt wurde und die Meldung erhielt, dass der Klamm Wasserfall, der damals nur mit einer Holzmauer verbaut war, vom Hochwasser unterschwemmt und mitgerissen wurde.
Nach einiger Zeit wurde der Wasserfall wieder aufgebaut – dieses Mal jedoch mit zugeschlagenen Steinblöcken, so wie wir ihn heute kennen. Durch Sand und Schotter, den die Ache mit sich führt, waren die Zwischenräume bald versandet und der Wasserfall erstrahlte in neuem Glanz.
„Die Klammbrücke ist bis heute noch fast gleich wie in meiner Kindheit", betont Michi Moser. Vor drei Jahren feierte die Brücke, die heute unter Denkmalschutz steht ihr 100-jähriges Jubiläum. Laut einem Gutachten ist der Großteil der Holzbalken noch immer im Originalzustand und gewährleistet auch weiterhin die Festigkeit und Tragkraft der Brücke, die jährlich von unzähligen Wanderern passiert wird.

An starken Regentagen sowie von Mitte November bis Ende März ist die Klamm aus Sicherheitsgründen gesperrt und von Kundl aus nur bis zum Gasthaus begehbar.

Weitere Berichte zum Thema Holz aus ganz Österreich finden Sie in unserem Themen-Channel meinbezirk.at/holz.

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