Kirchbichler Waldkindergarten macht freie Natur zum Gruppenraum

Genug Platz zum Spielen und Toben im Wald. Anstatt mit Sand, spielt man hier mit Erde.
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  • Genug Platz zum Spielen und Toben im Wald. Anstatt mit Sand, spielt man hier mit Erde.
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KIRCHBICHL (bfl). Die Idee kam bei einem Spaziergang im Wald. Sandra Estermann und Marion Hohenauer betrieben bereits in Angath und in Kirchbichl je zwei Kinderkrippen, die sich neben dem Montessori-Konzept auch sehr stark an der Waldpädagogik orientierten. Aus dieser Begeisterung heraus kam dann auch der Drang einen neuen Kindergarten zu eröffnen, und das mitten im Kirchbichler Wald. Heute ist aus der Idee längst Realität geworden, denn seit dem 1. September 2016 hat Kirchbichl einen Waldkindergarten. Dabei liegt man in einem Trend der sich tirolweit ausbreitet.

Absoluter Freiraum
Die Grundidee hinter der Waldpädagogik hat den beiden Pädagoginnen schon immer gefallen. "Die Kinder haben im Wald absoluten Freiraum. Sie können sich bewegen, toben und Dinge ablassen, die sie in einem Raum in einem Kindergarten vielleicht nicht freilassen können", sagt Marion Hohenauer, die die pädagogische Leitung innehat. "Der Gedanke hat uns dann auch nie losgelassen", fügt die Geschäftsführerin Sandra Estermann hinzu.
Der Platz auf dem der heutige Waldkindergarten nun steht, gehört der Pfarre und wurde für Hohenauer und Estermann neben der Idylle, die der Ort vermittelt, auch wegen der zentralen Lage ausgewählt.
Der Waldkindergarten besteht aus einer an einen Wagon errinnernden Hütte, die auf Rädern steht – auf Rädern deswegen, weil auf Waldboden nicht fest gebaut werden darf. Mit Baumschere haben die beiden Pädagoginnen teils selbst Hand angelegt und einzelne, sorgfältig ausgewählte Äste und Bäume entfernt um für die Kinder einen kreisförmigen Platz zum Toben und Spielen zu schaffen.

Montessori und Wald
Grundsätzlich könnten Kinder aber auch unter dem Jahr in den Waldkindergarten wechseln, was das freie Grundkonzept hinter der Einrichtung widerspiegelt. Der Kindergarten orientiert sich dabei neben der Waldpädagogik an der Montessoripädagogik. Laut diesem Konzept wird das Kind und seine Individualität in den Mittelpunkt gestellt, es gibt dabei aber immer auch Regeln. "Die Kinder haben einen weiten Freiraum, eben weil klare Regeln und Strukturen vorgegeben sind", sagt Hohenauer.
Zur Waldpädagogik gehört aber auch das Rausgehen, das Hüpfen in Wasserpfützen und, dass die Kinder ein dreckiges Gesicht haben dürfen. Die Grundidee ist, dass die Kinder den ganzen Tag draußen sind und diesen im Freien, im Wald verbringen. "Der Gruppenraum der Kinder ist die freie Natur", sagt Hohenauer. "Es wird draußen gesungen und gebastelt." Die auf Rädern stehende Holzhütte ist tatsächlich nur ein Rückzugsort bei Minusgraden oder während des Mittagessens. Auch Regen hindert die Kinder nicht daran im Freien zu spielen, denn die Hütte besitzt auch ein Vordach.

Angebot, aber nicht verpflichtend
Zum Konzept gehört auch die "offene Jause", was bedeutet, dass die Kinder in einem gewissen Zeitrahmen entscheiden, ob und wann genau sie jausnen wollen oder nicht. Es bleiben dabei im Tagesablauf aber noch immer gewisse Gemeinsamkeiten, denn es gebe Beispielsweise immer Themen die in gemeinsamen Spielen durchgemacht werden. Im Gegensatz zum Angebot in einem Regelkindergarten, ist dieses für die Kinder aber nicht verpflichtend. Wenn ein Kind beispielsweise nicht basteln will, muss es das nicht. Die Kinder haben somit mehr Freiraum. Die Feinmotorik wird, so Hohenauer, alleine schon durch Spiele im Wald mit Steinen oder Sägen gefördert.
Im Singkreis, der sich im Zentrum des Vorplatzes befindet, lernen die Kinder auch das "Sitzen", wie im Regelkindergarten. Dabei wird bei Singspielen oder ähnlichen Aktivitäten die Sprachfähigkeit der Kinder gefördert. Das Mantra ist aber auch hier, dass man auf die Kinder eingeht. Wenn sie nicht aufnahmefähig sind, wird der Morgenkreis früher beendet.
Geturnt wird ab und zu im Turnsaal des Angather Zwergenlandes und manchmal besuchen die Kinder auch die Kinderkrippe in Kirchbichl. Holz spielt im Waldkindergarten eine große Rolle und so findet sich auch ein großes Holzxylophon im Bereich vor der Hütte. Man versucht Plastik soweit es geht zu vermeiden. In naher Zukunft ist neben einem Hochbeet, einer Kräuterspirale und einem Wasserlauf, auch eine Holzkugelbahn geplant.

Groß im Kommen
Es gab schon zu Beginn eine sehr lange Warteliste von Eltern, die an dem Kirchbichler Waldkindergarten bereits während der Ideenfindung durch die beiden Pädagoginnen interessiert waren. Diese hätten dann auch als erste die Plätze bekommen.
Kirchbichl bietet derzeit 20 Kindergartenplätze im Waldkindergarten, wobei für die Kinder insgesamt drei Betreuerinnen zuständig sind: eine Kindergartenpädagogin, eine Krippenpädagogin und eine Assistentin.
Die Warteliste ist noch immer lange und es wäre für das nächste Jahr nur ein neuer Platz zur Verfügung. Fast alle der 20 Kinder sind im September 2016 mit einem Alter von drei Jahren in den neuen Kindergarten gekommen. Wenn alle Kinder die vorgesehenen drei Jahre im Waldkindergarten bleiben, wäre man also bereits bis 2020 restlos ausgebucht.
"Waldkindergärten sind jetzt sehr im Kommen", meint Estermann. Während der Trend in Deutschland und Dänemark bereits seit einigen Jahren Fuß gefasst hat, gebe es ihn in Tirol erst seit kurzem. Hier müssten vom Land auch erst die Auflagen genauer ausgearbeitet werden. Es seien aber auch schon einige Gemeinden nach Kirchbichl gekommen, um den Waldkindergarten zu besichtigen und zu sehen wie er funktioniert. Die Waldkindergärten seien in Tirol auch sehr gut vernetzt. Es gebe immer wieder Vernetzungstreffen bei denen man sich austauschen könne. Weitere Waldkindergärten oder -krippen gibt es beispielsweise in Breitenbach, Münster, Going, oder Kufstein.

Mehr Infos zum Waldkindergarten Kirchbichl finden Sie unter: www.familientreff-kirchbichl.at/waldzwerge/.
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