Kärntner Caritas-Direktor: "Beziehungslosigkeit ist größtes Problem"

In der Caritas Kärnten spricht man von ein paar Hundert Wohnungslosen im Land - man könnte jedem helfen | Foto: pixabay
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KÄRNTEN. "Es gibt weniger Armutsgefährdung", sagt Josef Marketz trocken. Der Caritas-Direktor gibt sich damit allein aber nicht zufrieden: "Wer aber in der Armutsfalle sitzt, wird noch ärmer." Bei der Kärntner Caritas geht man von fünf Prozent der Bevölkerung aus. Und: "Es werden mehr."
Wer aus Maßnahmen der öffentlichen Hand herausfällt, wendet sich häufig an die Caritas. Marketz ist sich der Schwierigkeit bewusst, für das Thema zu sensibilisieren. "Unsere Kampagne sagt, dass jeder Siebente gefährdet ist", sagt er, "aber man findet keinen Armen." Sei sei fast so, als ob die Caritas eine "Lüge verbreite, um Spenden zu erhalten".

Zu den Menschen gehen

Die Wahrheit sieht freilich anders aus. Marketz: "Es gibt viele - vor allem psychisch Kranke, die in ihren Wohnungen bleiben." Diese Menschen seien in der Öffentlichkeit nicht sichtbar. "Immer mehr junge Kärntner trauen sich in die Gesellschaft nicht mehr hinein."
Aus diesem Grund plädiert Marketz für mehr mobile Betreuung. "Wir müssen zu den Menschen gehen und anklopfen."
Zu dieser Personengruppe kommen die Wohnungslosen hinzu. "Es sind nur ein paar Hundert", sagt Marketz. "Da kann man sich um jeden Einzelnen kümmern, wenn man will." Nachsatz: "Alles andere tut uns nicht gut."
Mit blanker Statistik habe das nichts zu tun. "Viele lesen gerne die Zahlen", glaubt der Caritas-Direktor. "Eine Einrichtung wie die unsere muss die Entwicklung in der Gesellschaft aber an einzelnen Menschen festmachen." Dafür brauche es viel Geduld und Liebe.

Problem: Keine Beziehung

"Beziehungslosigkeit ist das größte Problem", ist Marketz überzeugt. "Wer Beziehungen hat, ist mit einem Fuß aus der Armut heraus." Deshalb müsse eine Gesellschaft aktiv auf die Menschen zugehen. "Schauen, wie es um die Wohnung steht, und dann um die Bildung." Eine Tätigkeit zu finden, ist ein entscheidendes Ziel.
Im aktiven Helfen sehen die NGOs wie die Caritas ihre Aufgabe. Aber: "Die Gesellschaft muss es mittragen - dann wäre vieles leichter", so Marketz. Er stellt eine Frage: "Können wir die Armen als einen Teil der Gesellschaft annehmen, oder schauen wir von oben herab?" Das nämlich sei der Knackpunkt. "Viele fühlen sich wie Abschaum", weiß der Priester.
Als Mittel gegen dieses Gefühl sieht Marketz "Wertschätzung und Anerkennung ihrer Geschichte, die meist ganz schlimm" ist. Also: "Schaffen wir es, ihnen die Würde zu lassen?", fragt er. Um mehr gehe es oft nicht. "Diese Menschen haben keine Forderungen an uns", weiß Marketz. "Allein die Frage nach dem Namen ist für viele wie Weihnachten." Von Mitarbeitern der Caritas bekommen viele einen persönlichen Brief zu den Feiertagen.

"Blick nicht verlieren"

An Politiker in Land und Bund richtet der Caritas-Direktor einen Appell. Nämlich, "nicht den Blick für jene verlieren, die sich selbst nicht helfen können". Man solle wissen, wie es am Rand der Gesellschaft aussieht und den NGOs helfen, ihre Arbeit zu machen.
Der ähnliche Wunsch gilt auch für die Kärntner, denn: Marketz sieht das Vertrauen in die Caritas geschwächt. "Viele glauben, wir sind nur noch für Ausländer da", sagt er klar. Das sei seit der Flüchtlingswelle so. Der Großteil der 1.200 Mitarbeiter arbeitet aber in anderen Bereichen; Pflege ist der größte. Tatsächlich nimmt die Zahl der betreuten Flüchtlinge bei der Caritas ab. Geholfen wird ihnen freilich weiterhin. Marketz: "Die Menschen sind uns anvertraut, wir werden sie nicht einfach wegjagen."

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Josef Marketz: "Menschen spüren, wie man auf sie schaut - schaffen wir es ihnen die Würde zu lassen?"

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