Kärntner ÖGB-Chef: "Neues System statt Drehen an Schrauben"

Kärntner ÖGB-Chef Hermann Lipitsch: "An Verkürzung der Wochen-Arbeitszeit führt kein Weg vorbei." | Foto: KK
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KÄRNTEN. Keine rechte Freude zeigt der Kärntner Vorsitzende des Gewerkschaftsbundes, Hermann Lipitsch, mit einem gesetzlich verordneten Mindestlohn von 1.500 Euro pro Monat. "Mir ist lieber, das wird in den Kollektivverträgen geregelt, nicht in einem Gesetzestext", so Lipitsch. Der Grund: In den Verträgen sind auch andere Dinge – wie Arbeitszeiten, Urlaubs- sowie Weihnachtsgeld geregelt.
Dennoch kann er dem öffentlich vorgetragenen Vorhaben der Bundesregierung Gutes abgewinnen. "Es hat Schwung in die Gespräche gebracht", so Lipitsch. In Zahlen: "Anfang des Jahres waren 14 Berufsgruppen unter den angepeilten 1.500 Euro; jetzt sind es nur mehr eine gute Handvoll."

Keine Frist bis 2025

Vieles sei bereits erreicht worden. Lipitschs Beispiel: "Bei den Friseuren werden wir Ende 2018 bei den 1.500 Euro sein – nicht erst nach einer Übergangsfrist bis 2025, wie ursprünglich gefordert." Insgesamt sei er zuversichtlich, dass es kollektivvertragliche Einigungen geben wird. "Abgesehen von ein paar üblichen Ausnahmen", wie er einräumt. Dazu zählen: "Ärzte, Notare, Steuerberater ..."
Dass sich Unternehmer den Mindestlohn nicht leisten können, glaubt Lipitsch nicht. "Mir ist keine Firmenpleite bekannt, deren Grund ein höherer Kollektivertrag war", sagt er. "In Wirklichkeit geben Unternehmer die Erhöhungen ja auch an die Kunden weiter."
Der Grund, warum Lipitsch den Kollektiv-Verhandlern gegenüber dem Gesetzgeber den Vorzug geben will: "Betriebsräte sind keine Feinde der Betriebe", sagt er. "Sie wissen, wie es den Betrieben geht, schauen in die Bilanzen." Oberstes Ziel sei die Erhaltung von Arbeitsplätzen.

Ziel: Billigere Arbeitszeit?

Das gilt auch für die Flexibilisierung der Arbeitszeiten – ebenfalls bis Ende Juni haben die Sozialpartner Zeit für eine Einigung. "Betriebsräte gestalten mit", so Lipitsch, "und wollen für beide Seiten eine Lösung." Dennoch sieht er die mögliche Ausweitung der täglichen Höchstarbeitszeit auf zwölf Stunden kritisch. "Der Geist, der dahinter steht: Arbeitszeit soll billiger werden", glaubt Lipitsch. Durch die Ausweitung der Höchstarbeitszeit würden nämlich Zulagen für Überstunden wegfallen.
Insgesamt passen für ihn zwei Dinge nicht zusammen: "Auf der einen Seite ist die Belastung höher geworden, auf der anderen Seite soll man länger arbeiten." Lipitsch mahnt: "Der Mensch muss sich ausruhen, sonst wird er früher krank."
In dieser Angelegenheit rechnet Lipitsch mit einem Kompromiss und bringt zwei Themen auf den Tisch: "Die sechste Urlaubswoche und eine Verkürzung der Arbeitszeit auf 30 bis 32 Wochenstunden."
Der ÖGB-Chef hält wenig vom "Drehen an kleinen Schrauben", wie es oft passiere. "Wir müssen in den nächsten Jahren das gesamte System ansehen und neu aufstellen", denkt er an die Folgen der Digitalisierung. "Es wird weniger Arbeit zu verteilen geben", ist Lipitsch überzeugt. "Wir brauchen einen gerechten Anteil aus der Automatisierung, damit wir es uns leisten können."

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