Markus Wieser: "Dann fährt der Bus eben später"

AK-Präsident Markus Wieser sieht in überbordender Bürokratie eine Gefahr, die zukunftsweisende Projekte unnötig verzögern könnte. | Foto: Vyhnalek
  • AK-Präsident Markus Wieser sieht in überbordender Bürokratie eine Gefahr, die zukunftsweisende Projekte unnötig verzögern könnte.
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Die Sozialpartner sollen sich ja einigen, was flexible Arbeitszeiten betrifft. Welche Chancen sehen Sie für einen Kompromiss?
MARKUS WIESER: Flexibilisierung ist keine Einbahnstraße. Es gibt in den Kollektivverträgen jetzt schon Hunderte Möglichkeiten, Arbeitszeiten individuell zu gestalten. Ich kenne keinen einzigen Auftrag, der nicht abgearbeitet werden konnte, weil Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nicht flexibel genug waren.
Und wie soll diese Flexibilisierung, die jetzt angeblich Gestaltungsspielraum für die Arbeitnehmer bringt, genau aussehen? Sagt die Supermarkt-Angestellte, sie kommt dann einfach um 11 Uhr statt um 7 Uhr? Und dann bleiben die Regale leer? Sagt der Busfahrer, er fährt heute nicht um 4.30 Uhr sondern erst um 8.20 Uhr los? Und die Fahrgäste müssen halt warten? Oder geht es in der Diskussion um etwas anderes? Dann sollen die Arbeitgeber das auch ganz klar sagen. „Ja, wir wollen den Menschen Geld wegnehmen und damit die Überstunden-Zuschläge abschaffen." Wenn die Überstunden-Zuschläge wegfallen, bedeutet das Einkommens-Verluste von rund 1,5 Milliarden Euro für die Beschäftigten (dzt. 200 Mio. Überstunden). Das hätte dramatische Folgen: viel weniger Einkommen, Armutsgefährdung und weniger Pension am Ende des Erwerbslebens.

Ein Gericht hat den Bau der dritten Piste am Flughafen Schwechat im Namen des Klimaschutzes gestoppt. Verständlich?
Es geht generell um Augenmaß. Überbordende Bürokratie und ausufernde Prüf- und Umwelt-Auflagen dürfen Arbeitsplätze nicht gefährden. Der Flughafen Schwechat ist mit seinen 20.000 Beschäftigten ein enormer Job-Motor, eine errechnete Zunahme von einer Million Passagiere würde rund 1.000 Arbeitsplätze schaffen. Niemand kann Interesse daran haben, dass diese Arbeitsplätze nach Bratislava oder München exportiert werden.

Die Arbeitswelt von morgen?
Zunächst müssen wir vorhandene Arbeit fair verteilen. Wenn immer mehr Menschen das gleiche Maß an Arbeit verrichten sollen, dann steht fest: Entweder jeder Einzelne arbeitet in Zukunft weniger, oder die Arbeitslosigkeit steigt.

Welche Lösungsansätze müssen verfolgt werden?
Wir müssen neue Arbeitsplätze schaffen und benötigen vernünftige Lösungen für die Zukunft der Arbeitswelt. Es braucht Investitionen für eine wachsende Wirtschaft und steigende Kaufkraft. Klein- und Mittelbetriebe müssen gefördert werden, ebenso notwendig sind Investitionen in Forschung und Entwicklung. Vor allem aber maßgeblich ist ein industriepolitisches Gesamtkonzept für die Zukunft. Die Industrie ist ein Arbeitsplatzmotor für das Land.

Haben Sie eine Idee, wie die Arbeitswelt der Zukunft aussehen wird.?
Zunächst müssen wir die vorhandene Arbeit fair verteilen, auch um mehr Arbeit zu schaffen. Wenn immer mehr Menschen das gleiche Maß an Arbeit verrichten sollen, dann steht fest: Entweder jeder einzelne arbeitet in Zukunft weniger, oder die Arbeitslosigkeit steigt weiter an.

Mehr denn je brauchen wir Gehälter, von denen die Menschen leben können und eine solide finanzielle Absicherung der sozialen Systeme. Und eines ist auch klar: Flexibilisierung kann keine Einbahnstraße sein. Unternehmen sind gefordert, soziale Verantwortung zu übernehmen. Das heißt: Faire und angemessene Einkommen, Gesundheit am Arbeitsplatz und Weiterbildung, um den Änderungen der Arbeitswelt gewachsen zu sein. Denn eines ist auch klar: Von gut ausgebildeten und gesunden Mitarbeitern profitieren die Betriebe natürlich selbst in hohem Maße. Eine echte win-win-Situation.

Der Sozialstaat ist teuer, werden wir uns die bisher gewohnte Rundum-Abfederung in Zukunft noch leisten können?
Sicherung und Ausbau des Sozialstaates sind besonders wichtig. Gerade dann, wenn der Sozialstaat aufgrund von Arbeitslosigkeit und steigendem Bevölkerungszuwachs unter Druck gerät. Wir müssen uns diesen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen anpassen. Daher braucht es eine Verbreiterung der Beitragsgrundlage in der Sozialversicherung für die Finanzierung des Sozialstaates 4.0. und effektive Maßnahmen gegen Steuerflucht. Es ist nicht einzusehen, dass Multi-Konzerne zwar alle steuerfinanzierten Leistungen der Gesellschaft (Straßen, Infrastruktur, öffentlicher Dienst,…) nutzen, aber nichts beitragen wollen. Die gute Nachricht ist ja: Produktivität Produktivität und Unternehmensgewinne steigen laufend. Wofür wir zu sorgen haben, ist eine gerechte Verteilung dieses gemeinsam erwirtschafteten Reichtums. Damit wir alle profitieren!

Das Interview führte Christian Trinkl.

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