Gerstorfer: "Solange soziale Nackerpatzln in FPÖ sitzen, kann ich mit denen nicht"

Soziallandesrätin Birgit Gerstorfer hat gerade eine Kampage zum Ausbau der Pflege in Oberösterreich gestartet. Im Interview gibt sie sich allerdings weniger verbindlich und konziliant – und attackiert die FPÖ scharf. | Foto: BRS
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  • Soziallandesrätin Birgit Gerstorfer hat gerade eine Kampage zum Ausbau der Pflege in Oberösterreich gestartet. Im Interview gibt sie sich allerdings weniger verbindlich und konziliant – und attackiert die FPÖ scharf.
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Interview: Thomas Kramesberger

BezirksRundschau: Ich möchte mit einem größeren Bild anfangen: Die Sozialdemokratie tut sich derzeit in ganz Europa extrem schwer – gleichzeitig sind in Italien, Deutschland, Schweden und Österreich rechte Parteien auf dem Vormarsch und in der Regierung. Was macht die Sozialdemokratie derzeit falsch?
Gerstorfer: Die Sozialdemokratie macht nicht mit beim Geschäft mit der Angst und bei der Neiddebatte. Die Sozialdemokratie spielt nicht, wie es andere tun, eine Gruppe der Gesellschaft gegen die andere aus. Das passiert jetzt gerade – bis hin zu solch unmöglichen Eskalationen wie in Chemnitz. Das ist eine Form der Menschenhetze und des Hasses. Es wird scheibchenweise mehr erlaubt zu schimpfen, zu hetzen und auszugrenzen. Das passiert auf der gesamten europäischen Ebene …

… sind wir dann bei einem rhetorischen Problem?
Nein, das ist ein emotionales Problem. Sämtliche Daten und Fakten widerlegen, dass …

… aber kriegt dann die Sozialdemokratie die Botschaft nicht rüber, wenn eh alles super ist?
Man kann Emotionen nicht mit Fakten wegargumentieren. Ein rationales Argument hat gegen Gefühle wie Neidkomplexe und Abstiegsängste keine Chance. Man kann dem nur mit Vertrauen begegnen und einem Gegenkonzept. Das Gegenkonzept der Sozialdemokratie ist die soziale Gerechtigkeit, die Verteilungsgerechtigkeit. Dieses Gegenkonzept wird nicht in dem Ausmaß wahrgenommen, wie es sein sollte. Weil die Menschen noch nicht spüren, dass die Maßnahmen, die jetzt auch auf österreichischer Ebene passieren, sie wirklich persönlich treffen. Die Reform der Mindestsicherung trifft nur einen kleinen Teil, aber die Abschaffung der Notstandshilfe betrifft dann immerhin schon 160.000 Menschen österreichweit.

Sie haben vorher Chemnitz angesprochen. SPD und Grüne haben in Deutschland Anfang der 2000er-Jahre Hartz IV verabschiedet und viele soziale Probleme damit erzeugt. Muss sich die Sozialdemokratie damit nicht eine Mitschuld an den Vorfällen in Chemnitz einräumen?
Ich verstehe diese Frage nicht, denn diese Frage hat keinen Zusammenhang mit Chemnitz.

Die Vorfälle in Chemnitz haben für Sie also keine soziale Ursache?
Dass sich eine große Gruppe an Menschen, die rechtsorientiert ist, herausnimmt, andere Personen durch Selbstjustiz zur Verantwortung zu ziehen, passt nicht mehr in einen Rechtsstaat. Das hat nichts mit sozialen Verwerfungen zu tun.

Aber, dass Ostdeutschland eine dementsprechende Geschichte der Minderentwicklung hat, ist klar.
Ja, natürlich.

Was ist dann der Grund, wenn es keinen sozialen Grund gibt?
Es ist das alte Spiel – das lässt sich bis zu den Römern zurückzuverfolgen. Es ist die Differenzierung zwischen den Guten und den Schlechten und es braucht einfach eine Zielgruppe, die die Schlechten sind. Rechtsextremistische Strömungen kann man über die ganze Geschichte hinweg beobachten. Es hat immer funktioniert, dass Menschenmassen mitgerannt sind, wenn es gegen andere Zielgruppen gegangen ist. Wir sind in einer Situation, in der das auf fruchtbaren Boden fällt, weil wir verschiedenste gesellschaftspolitische Einflüsse haben – die sieht man bei der Ungleichheit oder den Kriegen. Und, warum flüchten denn Menschen? Nicht, weil es dort eh super ist, sondern weil sie in Gefahr sind. Ob das jetzt umweltpolitische Einflüsse, Kriege oder tiefste Armut und Hungersnöte sind – das sind die Gründe, warum Menschen fliehen.

Die Ausschreitungen in Chemnitz und die ganze Unzufriedenheit, die es offensichtlich gibt und jetzt zu Tage tritt, hat für Sie also keinen sozialen Grund?
Es hat natürlich auch einen sozialen Grund, aber nicht alleine. Da steckt mehr dahinter.

Von Deutschland zurück nach Österreich: Die geplante Abschaffung der Notstandshilfe ist ja so etwas wie Hartz IV in Österreich. Der Gegenwind der Sozialdemokratie war etwas verhalten. Müsste die SPÖ da nicht mit aller Kraft dagegen mobilisieren?
Grundsätzlich ja, und ich glaube, dass wir das tun. Es gibt nur im Moment keine konkreten Vorschläge der Bundesregierung. Es gibt nur eine große Überschrift, aber de facto ist die Ministerin eine Antwort schuldig, wie sie das machen will. Wenn es darum geht, die Notstandshilfe abzuschaffen und die Bezugsdauer in der Arbeitslosigkeit zu verlängern, ist das genau Hartz IV. Bei diesem Modell ist Arbeitslosigkeit gewachsen, Armut gewachsen und Integration maßgeblich erschwert worden.

Sie haben jetzt gesagt, es sei kein konkreter Plan da. Die Bundesregierung hätte ja auch noch andere politische Angriffsflächen geboten, aber die SPÖ scheint noch nicht wirklich in der Oppositionsrolle angekommen zu sein.
Sie können das Gleiche wiederholen, wie 100.000 andere Journalisten …

… das ist ja ein Befund, der schwer wegzuargumentieren ist. Deshalb stellen wahrscheinlich alle dieselbe Frage.
Ja, was ist die Erwartungshaltung? Dass wir uns gegen alles und jedes stellen? In dem Moment, in dem wir sagen: Wir finden etwas nicht gut – da wird schon kritisiert, dass wir gegen alles sind. Es ist völlig egal, was getan wird, es ist sowieso nicht passend …

… so glaube ich das nicht. Aber derzeit hat man den Eindruck, die SPÖ ist mehr mit sich selbst beschäftigt und mit Doskozil gegen Kern oder wer auch immer gegeneinander.
Das mag so sein, dass der Eindruck entsteht. Aber de facto haben wir auf Bundesebene ein neues Parteiprogramm aufgelegt, das im Oktober beim Bundesparteitag beschlossen wird. Es gibt eine massive Veränderung der Parteistatuten, eine Organisationsreform – es ist völlig klar, dass es Konfliktpotenzial hat, wenn man intern an den Regeln etwas verändert, bei 70.000 Mitgliedern.
Und, dass wir auf das Thema Migration keine Antwort haben, finde ich lächerlich. Es gibt eine Antwort und sie steht auf Seite 21 des neuen Programms. Für die, die hierbleiben dürfen, muss man integrationsfördernde Maßnahmen zur Verfügung stellen, damit sie nicht mehr auf den Staat angewiesen sind und selbst für sich sorgen können.
Wenn es darum geht, wie viele reindürfen, ist dieses permanente Bild, das Kurz und Strache malen – dass wir unsere Grenzen dicht machen – in der Realität nicht durchsetzbar. Wenn es durchsetzbar wäre, hätten wir das mit diesem Integrations- und Außenminister schon drei Mal machen können. Das funktioniert halt nicht! In Wahrheit ist das eine Dokumentation des eigenen Versagens. Denn, was heißt Grenzen dicht? Heißt das, wir stellen an die EU-Außengrenze alle zehn Meter einen Soldaten hin und schießen alle tot, die rein wollen? Wenn Kurz gemeinsam mit Salvini sagt: Die Boote im Mittelmeer dürfen nicht mehr landen – was kommt am Ende des Tages raus? Natürlich müssen die anlegen, natürlich müssen die im Sinne der Menschenrechtskonvention ein Verfahren bekommen.

Aber eine Grenze zu sichern, ist ja nichts Schlechtes. Bis vor dem EU-Beitritt war das Normalität.
Ja, das ist ja völlig in Ordnung. Aber dieses „Grenze-dicht“ funktioniert nicht, weil es einfach nicht geht. Es braucht Systeme, die einen gesteuerten Weg für die Flüchtenden bietet – dass man frühzeitig klärt, ob das ein Wirtschafts- oder ein Konventionsflüchtling ist. Was noch viel wichtiger ist: Wir müssen Maßnahmen setzen, damit die Menschen gar nicht zu flüchten anfangen.

Braucht Österreich Zuwanderung?
Es kommt darauf an, welche, aber wir brauchen sicher Zuwanderung. Der Punkt ist: Wir sind gerade in einem massiven Widerspruch. Es werden die heimgeschickt, die geflohen sind, weil wir glauben, sie wären es nicht wert, hier zu bleiben, und wir holen andere rein, von denen wir glauben, dass sie bei uns wertvolle Arbeitskräfte sind. Im Burgenland arbeiten ganz viele Ungarn, im Waldviertel arbeiten viele Tschechen und Slowenen, und in Oberösterreich, an der Grenze, arbeiten auch ganz viele Tschechen. Das ist eine Form von Zuwanderung, die man nicht außer Acht lassen darf.
Wenn man jetzt das Wort Ausländer hört, denken alle an die Geflohenen aus 2015 – die sind aber quantitativ ganz wenige im Vergleich zu denen, die so noch da sind. Wir haben in Oberösterreich über 100.000 Beschäftigte mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft. Wir kategorisieren jetzt bei den Ausländern: Da gibt es die Braven, die in den 1990er-Jahren geflohen sind und aus Ex-Jugoslawien kommen, dann gibt es die zweiten Braven, die sowieso aus EU-Staaten kommen, und dann gibt es die bösen Ausländer, die in irgendeiner Form bei uns Sozialleistungen konsumieren. Denen drehen wir den Hahn zu – keine Integration, keine Deutschkenntnisse – das passiert ja gerade auf Bundesebene.

Es hat große Aufregung gegeben um einen Asylwerber, der als Lehrling in einem Supermarkt arbeitet. Er wurde von der FPÖ beschuldigt, Sympathisant einer Terror-Organisation zu sein, was dann nicht stimmte. Rudi Anschober ist da quasi als „Held der Arbeitnehmer“ aufgetreten – wäre das nicht eigentlich ein klassisches SPÖ-Thema?
Ja, das ist ein klassisches SPÖ-Thema. Die grundsätzliche Diskussion darum, ob Asylwerber arbeiten dürfen, ist natürlich ein sozialdemokratisches Thema. Es ist eine Frage von Hausverstand: Wenn 1.200 junge Leute eine Lehre machen, die uns 10,6 Millionen Euro bringen, weil wir keine Grundversorgung mehr zahlen müssen – dann macht es Sinn, wenn für Lehrplätze in Betrieben, die sonst keinen Lehrling finden, auch Asylwerber infrage kommen.

Außerhalb der Lehre: Sollen Asylwerber generell arbeiten dürfen?
Dafür war ich immer. Ich habe noch als AMS-Chefin – mit Unterstützung aller Sozialpartner – bei der Bundesregierung vorgebracht, dass man, wenn es für den Arbeitsplatz keinen Österreicher gibt, die Menschen arbeiten lassen möge. Mit der Annahme, dass 20 Prozent der Asylwerber arbeiten würden, hätte man sich damals 20 Millionen Euro erspart.

Wäre die SPÖ dafür, den Arbeitsmarkt generell aufzumachen?
Das Ausländerbeschäftigungsgesetz beinhaltet die Prüfung der Arbeitsmarktlage und diese sagt: Wenn es für einen Arbeitsplatz keinen Österreicher oder besser integrierten Ausländer gibt, darf auch ein neuer Ausländer – unter bestimmten Voraussetzungen – arbeiten. Es ist also für die SPÖ kein Problem, den Arbeitsmarkt für ausländische Arbeitskräfte zu öffnen, dort wo es keine österreichischen oder gut integrierten ausländischen Personen gibt.

Aber keine generelle Öffnung des Arbeitsmarktes?
Nein, generell nicht.

Ein anderes Arbeitsthema: Die SPÖ hat ja auch heftige Kritik am 12 Stunden-Tag geübt. Was ist da eigentlich so schlecht daran, ein Drei-Tage-Wochenende klingt ja ganz gut?!
Wenn Sie sich das vereinbaren können, ist das nicht schlecht. Aber es wäre jetzt auch schon möglich gewesen – vier Mal zehn Stunden sind auch 40 Stunden und damit wäre der Freitag frei gewesen. Die Rahmenbedingungen hätten das immer hergegeben.

Ihr Klubchef Christian Makor hat im Sommergespräch gemeint, dass die Arbeitszeit sogar noch flexibler möglich sein müsste als 12-Stunden – solange die Sozialpartner zustimmen und die rechtlichen Rahmenbedingungen sauber sind. Wäre für Sie eine völlige Flexibilisierung der Arbeitszeit möglich, wenn die Sozialpartner sich einigen?

Grundsätzlich gibt es heute schon für etwa ein Drittel der Beschäftigten in Österreich die Möglichkeit, zwölf Stunden zu arbeiten. Dort wo das der Fall ist, und wenn es klare Regeln gibt, wie Freizeit dafür abgegolten wird, wie das bezahlt wird oder Mehrstunden abgegolten werden, ist dagegen nichts einzuwenden. Nur, das ist im Moment nicht der Fall! Es ist eine einseitige Entscheidung des Arbeitgebers, ohne Einbindung der Sozialpartner.
Jetzt sagen die Arbeitnehmer, die nicht in Gefahr sind, dass das passiert: „Ist ja nicht so schlecht, dann habe ich am Ende der Woche frei.“ Aber das ist ja nicht die Realität. Um das typische Beispiel der ÖVP und FPÖ zu nehmen: "Wenn jemand auf Montage ist, dann muss man nach zehn Stunden das Werkzeug fallen lassen, egal wo man ist." Das wird aber bei zwölf Stunden auch der Fall sein. Das ändert nichts an der Situation, nur wird der Chef anschaffen, dass man weiterarbeiten muss.

Also, wenn alle Vorgaben – Sozialpartner-Zustimmung etc. – eingehalten werden, wäre eine Flexibilisierung auf zwölf, 14, oder 16 Stunden für Sie denkbar?
Sicher nicht auf 16 Stunden. Was heißt es denn, 16 Stunden zu arbeiten …

… wenn Sie mit einem Arzt im Krankenhaus sprechen, ist das ein völlig normaler Tag.
Natürlich, aber der Arzt hat Ruhephasen dazwischen. Aber, wenn ein Pflasterer um sechs Uhr früh anfängt und um 10 Uhr abends aufhört, hat er 16 Stunden gepflastert. Und die Konsequenzen des 12-Stunden-Tags sieht man ja bereits: In der Landarbeit will man die Stunden ausdehnen und im Handel will man die Stunden ausdehnen.

Sie haben ja kürzlich mit Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) eine Einigung zum Sozialbudget präsentiert. Wer hat sich denn eigentlich durchgesetzt bei dem vorangegangenen Streit, bei dem kein Außenstehender mehr wusste, um was es geht?
Am Ende des Tages ist herausgekommen, dass unsere Zahlen gestimmt haben. Es gibt zehn Prozent weniger im Bereich der Leistungen, die nicht im Pflichtbereich sind – es sind statt 100 Millionen Euro also nur mehr 90 Millionen. Das heißt: Es hat massive Kürzungen gegeben bei den verschiedensten Vereinen und Dienstleistungen, die langjährig gewachsen sind. Für die Träger dieser Dienstleistungen war das schon ein ordentlicher Einschnitt.
Aber die Meinung des Landeshauptmanns, dass man im Bereich des Chancengleichheitsgesetzes mit dem bestehenden Budget das realisieren kann, was er versprochen hat – nämlich 400 Plätze mehr – da gibt es eine klare Aussage dazu: Das geht sich nicht aus, dafür gibt es mehr Geld.

Also hatten Sie am Schluss recht?
Ja, das sage ich jetzt so! (lacht)

Sie sind ja nicht nur für das Soziale zuständig, sondern auch für die SPÖ-geführten Gemeinden. Landesrat Elmar Podgorschek (FPÖ) hat zuletzt im Interview gesagt, dass man die Zuständigkeiten für die Gemeinden bei der nächsten Wahl wegen der Gemeindefinanzierung-Neu sowieso abschaffen wird und dementsprechend der SPÖ die Zuständigkeit dafür wegnimmt.
Der Herr Podgorschek muss schauen, dass er sich in seiner Funktion hält. Es gibt keinen größeren Wackelkandidaten wie ihn, da bin ich weit weg! Haimbuchner will mir also das Sozialressort nehmen, Podgorschek will mir das Gemeinderessort nehmen – ich hätte gerne das Familienressort und das Frauenressort. Also, die Diskussion ist obsolet. Wir werden sehen, wie wir bei der Wahl dastehen werden. Eine Umfrage hat uns bestätigt, dass wir Aufwind haben. Ich bin mir sicher, dass die Freiheitlichen bei der nächsten Wahl nicht mehr drei Landesräte stellen werden und dann werden wir uns über die Zuständigkeiten unterhalten.

Hat das System der Gemeindefinanzierung nicht eine Gutsherren-Mentalität? Da kommen die roten Bürgermeister und machen bei Ihnen den Kotau, und die schwarzen Bürgermeister fahren zu Max Hiegelsberger (ÖPV) und machen den dort. Das hat doch wenig mit Demokratie zu tun.
Die Gutsherren-Mentalität war vor der Gemeindefinanzierung noch deutlich ärger ausgeprägt. Die Regeln, unter welchen Voraussetzungen jemand Geld bekommt, waren nicht so klar ausgeprägt. Ich stehe hundertprozentig zur Gemeindefinanzierung-Neu – mit klaren Regeln, unter welchen Voraussetzungen welche Gemeinde etwas bekommt. Das ist ja für alle Gemeinden gleich, egal ob SPÖ- oder ÖVP-geführt.
Diese Regeln haben wir nun das erste Jahr angewendet und da gibt es Kinderkrankheiten, das ist ganz offensichtlich. An denen muss man arbeiten. Aber es gibt Widerstand von Herrn Hiegelsberger, dass man sich dessen annimmt. Wir hungern die Gemeinden aus, das ist so. Die Gemeinden haben weniger Spielraum wie vorher.

Also: System gut, aber die Gemeinden hungern? Wie darf ich das verstehen?
Die Gemeinden haben einen massiven Druck. Dieser kommt aus der Gemeindefinanzierung-Neu und den Sozialhilfeverbandsabgaben, weil die Anzahl der Pflegebedürftigen steigt. Und es gibt andere Bereiche – wie etwa die Kinderbetreuungsgebühren, die sich negativ auf die Gemeinden auswirken.

Jetzt nehmen wir an, die SPÖ nutzt den Aufwind, den Sie vorher geschildert haben und hat …
… 30 Prozent (lacht)

… okay, 30 Prozent. Wäre es dann für Sie denkbar, die Gemeindezuständigkeiten abzugeben, um das politische Daumen-Hoch, Daumen-Runter zu beenden?
Das gibt es nicht mehr, das ist eine Fehlwahrnehmung.

Soll das System so bleiben wie es ist: Die schwarzen Gemeinden bei Landesrat Max Hiegelsberger (ÖVP) und die roten Gemeinden bei Ihnen?
Nein, ich hätte gerne die Zuständigkeit für alle Gemeinden wieder, weil das war unter Joschi Ackerl (SPÖ) auch nicht anders.

Landesrätin Christine Haberlander (ÖVP) hat ja diese Woche die Abmeldezahlen durch die Kindergartengebühren veröffentlicht. Die Regierungsparteien argumentieren die Abmeldungen damit, dass der Bedarf nicht da wäre.
Es ist unglaublich, wie oft ich dieses Argument schon gehört habe. Das ist eine Geschichte, die einen 20-Jahres-Bart hat. Fakt ist, dass in allen europäischen Ländern, in denen es einen Anspruch auf Kinderbetreuung gibt, es eine hohe Geburtenrate und eine hohe Erwerbsrate von Frauen gibt. Das heißt: Wenn ich ein Angebot schaffe, wird es auch genutzt und wenn man als Frau die Sicherheit hat, dass dieses Angebot zur Verfügung steht, dann denke ich darüber nach, mehr Stunden arbeiten zu gehen. Meiner Ansicht nach ist die Frage des Rechtsanspruchs auf Kinderbetreuung eine essenzielle Voraussetzung, den Fachkräftebedarf der Zukunft zu decken.

Die Gebühr ist ja sozial gestaffelt.
Die ewige Frage: „Wir haben ja auch bezahlt.“ Ja, stimmt. Ich habe ja auch bezahlt für meine Kinder vor 25 Jahren, aber ich habe keinen Bus bezahlt, kein Mittagessen bezahlt, keinen Bastelbeitrag bezahlt und vieles andere. Also: Die Eltern haben ohnehin Belastungen, wenn sie die Kinder in den Kindergarten schicken. Wir sollten uns eigentlich an den guten Ländern in Europa orientieren. Frankreich hat etwa zwei Kinder pro Frau. Denn natürlich brauchen wir Zuzug, wenn wir nur 1,4 Kinder pro Frau auf die Welt bringen. Das ist ja völlig logisch, wie soll sich das ausgehen. Wenn ein Geburtenjahrgang mit 25.000 Geburten in Pension geht und gleichzeitig ein Geburtenjahrgang mit 15.000 Kindern nachkommt – natürlich gibt es da einen Fachkräftemangel. Wenn man nur die österreichische Geburtenrate mit 1,1 anschaut, da wird einem ja ganz schlecht! Deshalb braucht man eine gute Kinderbetreuung, dass ich als Mama und als Familie die Entscheidung für Kinder und Arbeit treffen kann – und nicht nur für Kinder oder Arbeit.

In der SPÖ setzt sich ja derzeit ein Flügel durch, der mit der FPÖ vielleicht gar nicht so große Probleme hat: Hans-Peter Doskozil im Burgenland, Bürgermeister Bernhard Ludwig in Wien.
Ich kann diese Frage nicht mehr hören. Es gibt unterschiedliche Regionen. Natürlich ist es im Burgenland anders als in Oberösterreich. Es gibt regionale Interessen. Und nein, ich sehe keinen Flügelkampf. Doskozil wird Landeshauptmann und Christian Kern wird mit Sicherheit wieder der nächste Bundeskanzler – es ist ihm ein besonderes Bedürfnis.

Sollte die SPÖ nicht die Position zur FPÖ überdenken? Denn man macht sich ja politisch erpressbar, wenn es nur einen mathematisch möglichen Koalitionspartner gibt.
Entschuldigung! Solange in Oberösterreich ein Exerzierfeld für Rechtsradikale ist, solange es einen Landesrat Podgorschek gibt, der die Pressefreiheit infrage stellt, der die Regeln des Zusammenlebens außer Kraft setzt – solange kann ich mich mit den Freiheitlichen nicht anfreunden. Solange es einen Gudenus gibt, der Menschen denunziert, die nichts dafür können – da geht es nicht um links oder rechts, sondern um Humanismus. Solange dort keine Menschen sitzen, die keine sozialen „Nackapatzln“ sind, solange kann ich mit denen nicht. Punkt!

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