Überbetriebliche Lehrwerkstätten als Sprungbrett
Die Zahl der Lehrlinge, die auf eine überbetriebliche Lehre ausweichen, steigt kontinuierlich. Im Ausbildungsjahr 2014/15 befanden sich rund 13.700 Jugendliche in einer überbetrieblichen Lehrausbildung.
ÖSTERREICH. Vor zehn Jahren, also vor der Finanzkrise, waren es rund 8.000. Die Hälfte findet nach dem ersten Lehrjahr eine Lehrstelle in einem Unternehmen. Die Regionalmedien Austria haben eine Lehrwerkstätte von Jugend am Werk besucht und mit deren Leiter Markus Martincevic sowie dem Sprecher von Jugend am Werk, Wolfgang Bamberg, gesprochen.
Seit wann gibt es die überbetriebliche Lehrausbildung?
WOLFGANG BAMBERG: Die Idee stammt aus der Nachkriegszeit. Jugendliche sollten ihre wegen dem Krieg abgebrochenen Ausbildungen nachholen können. Großen Zulauf erlebten die überbetrieblichen Lehrwerkstätten in den 90er-Jahren, weil die Jugendarbeitslosigkeit stark angestiegen ist. Die Bundesregierung startete daraufhin die Initiative Lehrling. 2008 kam dann die Ausbildungsgarantie.
Wolfgang Bamberg, Sprecher von Jugend am Werk, Foto: Arnold Burghardt
Wie steht es um das Bildungsniveau der Jugendlichen?
MARKUS MARTINCEVIC: Man kann schon sagen, dass das Niveau ein wenig gesunken ist. Daher ist es wichtig, Strukturen zu schaffen, um das aufzufangen. Wir geben etwa im ersten Lehrjahr viel Nachhilfeunterricht, damit die Jugendlichen in der Berufsschule mitkommen.
Funktioniert das? Werden die Jugendlichen so aufgefangen?
MARTINCEVIC: Ja. Wir sehen das an der Dropout-Quote, die an unserem Standort in der Lorenz-Müller-Gasse bei maximal zehn Prozent liegt. Bei einer Umfrage unter unseren Absolventen 2014 gaben 80 Prozent an, eine Anstellung gefunden zu haben.
BAMBERG: Das ist nicht ganz repräsentativ für alle Jugend-am-Werk-Standorte. Im Durchschnitt liegt die Dropout-Quote bei uns zwischen 25 und 30 Prozent, wobei der höchste Anteil gleich am Anfang abspringt. Das hängt meist mit einer falschen Berufswahl zusammen. Eine Anstellung finden nach Lehrabschluss in einer Lehrwerkstätte laut dem AMS zwischen 60 und 70 Prozent.
Mit welcher Einstellung kommen die Jugendlichen in die Lehrwerkstätten?
MARTINCEVIC: Die Jugendlichen sind frustriert, denn oft haben sie viele Bewerbungen geschrieben, aber bekommen nicht einmal eine Antwort und wenn, dann kommen nur Absagen. Das Problem ist, dass die Unternehmen zuerst eine Auswahl nach Schulnoten machen. Aber gerade diejenigen, die schulmüde sind und lieber etwas Praktisches machen wollen und wirklich gute Handwerker sind, finden meist wegen ihren Noten keine Lehrstelle. Die sind dann froh, wenn sie in einer überbetrieblichen Lehrausbildung unterkommen und zeigen können, was in ihnen steckt.
Immer wieder wird Kritik an den höheren Kosten einer überbetrieblichen Lehre laut.
MARTINCEVIC: Diese Kritik finde ich unbegründet.
BAMBERG: Es gab und gibt viele Förderungen für Betriebe, die Lehrlinge aufnehmen. Es hat Änderungen im Berufsausbildungsgesetz gegeben, um es Betrieben leichter zu machen, sich von Lehrlingen zu trennen. Es hat aber alles nicht dazu geführt, das die Betriebe mehr Lehrlinge ausbilden.
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