5 Minuten Wien: Ein glückliches Gesicht
WIEN. Im Sommer liebe ich es, auf den Straßen zu flanieren. Aber anstatt in die Auslagen zu schauen, sehe ich lieber den Menschen ins Gesicht.
Etwa dem jungen Mann, der mir eben in der Fußgängerzone entgegenkommt: Rote Kopfhörer schotten ihn von der Umwelt ab. Die Augen hat er in sich gekehrt, die Mundwinkel nach unten gezogen. Flotten Schrittes stampft er den Beat, den er in den Kopfhörern hört.
Gleich dahinter taucht ein Handy-Freak aus der Menge auf. Mit konzentriertem Blick fixiert er das Display auf seinem Mobiltelefon. Die Diamanten und Pokémon auf dem Schirm spiegeln sich bereits in seinen Augen. So peilt er – ohne es zu sehen – zielsicher das unsicher wirkende Mädchen an, das ihm entgegenkommt.
Ihr hektisch von links nach rechts und zurück hastender Blick erhascht die Gefahr gerade noch rechtzeitig: Mit einem eleganten Sidestep verhindert sie einen Crash mit dem Handy-Freak und kann auch knapp dem Pärchen ausweichen, das Hand in Hand spazieren geht.
Ein wenig sehen sich die beiden schon ähnlich. Er runzelt die Stirn, sie hat Tränen in den Augen. Den Blick halten beide auf den Boden gerichtet, als suchten sie nach verlorenen Münzen.
Da taucht ein Lichtblick auf: Lockeren Schrittes kommt mir eine Frau entgegen. Ihr Zitronen-Shirt sticht gelb auf schwarzem Grund aus der Menge hervor und betont ihre Bräune. Falten im Gesicht zeugen von einer bewegten Vergangenheit. Die Augen, die freundlich und aufmerksam schauen, grüßen die Entgegenkommenden lachend: Ein glückliches Gesicht rettet meinen Tag.
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