Michael Buchinger: "Man sieht, was Wien aus mir gemacht hat"
Mit Zynismus bietet der You Tuber Michael Buchinger seit Jahren eine Alternative zur heilen Like- und I Love it-Internetwelt. Nun hat er sein erstes Buch geschrieben.
Sie sind für Ihre witzig-sarkastischen Videos bekannt. Wie wird man erfolgreicher You Tuber?
MICHAEL BUCHINGER: Aus Langeweile. Ich hatte nie riesige Hobbys, war in keinem Sportklub oder Musikverein und gerne allein. Irgendwann meinten Freunde: Du bist doch witzig? So habe ich 2009 das erste Video online gestellt. Weitere folgten sporadisch und plötzlich gab es ein Publikum, das regelmäßige Videos erwartete.
Wieviel Videos haben Sie seit 2009 hochgeladen?
Etwa 700.
Sie machen sich auf Ihrem You Tube-Kanal intelligent über Sachen und Personen wie Fashion Blogger lustig. Nehmen die Leute Ihre Videos teilweise ernst?
Natürlich. Das sieht man an Kommentaren wie `Meint er das jetzt ernst?´. Viele Zuseher sind noch zu jung, um das nötige Feingefühl zu haben.
Ist Sarkasmus in der Zeit von Likes verboten?
Ich bemühe mich stark, den Sarkasmus am Leben zu erhalten. Man muss ein bisschen locker sein und darf nicht alles ernst sehen. Man muss auch nicht bei allen beliebt sein.
Ist es an der Zeit, mehr zu hassen?
Es gibt genug Hass im Netz.
Ihre sarkastischen Geschichten kann man nun auch nachlesen. Wie entstand Ihr erstes Buch?
2015 habe ich ein Konzept auf zehn Seiten verfasst, wie das Buch werden soll. Da die österreichischen Verlage wenig interessiert waren, habe ich den Plan archiviert. Dann kam der deutsche Ullstein-Verlag auf mich zu und binnen einiger Monate entstand das Buch.
Wie ist der Titel `Der Letzte macht den Mund zu´gemeint?
Wir suchten nach einem Sprichwort als Titel und kamen auf `Der Letzte macht das Licht aus´. Das wurde in `Der Letzte macht den Mund zu´abgewandelt - sehr passend, da ich gerne das letzte Wort habe.
Wie sieht der typische Buchkäufer aus?
Das Buch ist für eine jüngere Zielgruppe ab Zwanzig. Ich hatte eine Lesung, da war der Durchschnitt Mitte Zwanzig, also doch älter als meine You Tube-Zuseher, diese sind ab 16 Jahre alt. Der typische Käufer liest gerne und hat Lust auf ein unterhaltsames Buch am Strand, etwas Kurzweiliges während dem Studium.
In 26 Kapitel werden Begebenheiten und Geschichten von `No-Goes bei Dates´über `Zucker ist das Crack der Neuzeit´bis zu `Festivals sind fürchterlich´erzählt. Wieviele davon haben Sie selbst erlebt?
Alle. Ich habe nichts erfunden, alles ist real, nur die Namen habe ich geändert.
Ist das Buch eine Art Selbstreflektion?
Natürlich!
Sehen Sie sich als typischen Wiener Grantler - trotz Ihrer Jugend?
Ja, ich sehe mich schon als Wiener Grantler, obwohl ältere Menschen gerne grantig sind. Ich kam vom Burgenland optimistisch nach Wien zum Studieren, als junger Mann. Nun sieht man, was diese Stadt aus mir gemacht hat.
Empfinden Sie sich als negative Person?
Nein, das würde ich nicht sagen. Mein Beruf ist ein gutes Ventil, daher bin ich privat sehr positiv.
Lieben Sie Zyniker wie Oscar Wilde und Thomas Bernhard?
Zynismus ist mir die liebste Art von Humor, ich suche meine Freunde so aus.
Sie machen sich sowohl im Buch als auch in den Videos über alles lustig. Können Sie auch einstecken?
Ja, klar! Ich bekomme auch negative Kritik. Man wirft mir Oberflächlichkeit vor und dass ich nicht politisch genug bin. Die Leute mögen an mir, dass ich Dinge so ausspreche, wie ich sie sehe. Aber manchmal nehme ich mir ein Blatt vor den Mund, eben bei Politik und Religion.
Am Ende jedes Buchkapitels geben Sie Tipps und Lektionen zum jeweiligen Thema, Buchingers Goldene Regeln. Haben Sie drei goldene Wien-Regeln für unsere Leser?
Erstens: Den Wiener Schmäh erhalten. Zweitens: Die Stadt schätzen. Wien ist toll und voller schöner Sehenswürdigkeiten. Drittens: Mehr Leitungswasser trinken.
Nun das Gegenteil - in Ihren You Tube-Videos erstellen Sie Hass-Listen. Drei Dinge, die Sie an Wien hassen?
Nur drei? Die vielen Tauben - die stören mich besonders im Park beim Lesen, langsam gehende Menschen - die gehen immer in Gruppen vor mir - und dass die Geschäfte in Wien um 18 Uhr zusperren. Unlängst war ich in Graz, da haben Supermärkte bis 21 Uhr offen. Unglaublich, dass die Öffnungszeiten in Graz ausgedehnter sind als in Wien!
Welcher Bezirk ist der schlimmste und warum?
Im Siebenten bin ich ungern, er ist zu teuer, zu viel los, zu sehr Bobo. Vielleicht empfinde ich ihn aber so, da ich persönlich zu viel Zeit in Neubau verbracht habe. Ich könnte mir vorstellen, im vierten Bezirk zu wohnen, in der Schleifmühlgasse. Auch der 2. Bezirk ist super. Er ist ruhig und hat gute Restaurants.
Was darf man als nächstes von Ihnen erwarten? Ist ein weiteres Buch in Planung?
Es besteht Interesse sowohl von mir als auch vom Verlag, weitere Dinge zu erleben, allerdings nicht vor 2019. Ich möchte grundsätzlich mehr schreiben; es macht Spaß und ist unaufgeregter als Filmen.
Zum Abschluss: Liegt die Welt schon so im Argen, dass man sie nur noch mit Humor erträgt?
Nein, aber Humor hilft. Das war immer schon meine Einstellung.
Zur Person
Michael Buchinger wurde 1992 in Wien geboren. Nach einer Kindheit im Burgenland zog er für sein Anglistikstudium nach Wien. Seit 2009 veröffentlicht Buchinger auf seinem You-Tube-Kanal (148.790 Abonnenten) kurze Videos, in denen er meist seinen Unmut kund tut - Hass-Listen inklusive. Michael Buchinger ist auch als Kolumnist tätig und hat im Sommer 2017 sein erstes Buch "Der Letzte macht den Mund zu" (Ullsteinverlag , 240 Seiten, ISBN-13 9783548376783) veröffentlicht.
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