Verfolgungsjagd im Hallenbad: Die unliebsamen Reisen des Johann Gudenus
Der blaue Vizebürgermeister geht auf Tour durch die Magistratsabteilungen der Stadt. Rechtzeitig zum Ferienbeginn war Johann Gudenus bei der MA 44, die für die städtischen Freibäder verantwortlich ist. Der SPÖ ist die Tour ein Dorn im Auge.
WIEN. Johann Gudenus streift sich blaue Plastiksockerl über. Solche, wie man sie zum Schutz über Schuhen trägt, um keinen Dreck zu machen. An einem Tatort, etwa. Oder im Hallenbad. Dorthin hat den blauen Vizebürgermeister Gudenus seine Vizebürgermeistertour diese Woche nämlich geführt: ins Amalienbad im 10. Bezirk, wo die MA 44 ihren Sitz hat. Sie ist verantwortlich für 38 städtische Bäder. Darunter 10 Freibäder und 10 Familienbäder, die jetzt, wenn es heiß wird, Hochsaison haben.
"Um den Betrieb und die Menschen kennenzulernen", sei er da, sagt Gudenus, während er mit den Plastiksockerln am Schwimmbecken durch den Jugendstilbau geht und etwas ehrfürchtig auf den Zehn-Meter-Turm schaut. Er wirkt im unfreiwilligen Schuhwerk ein bisschen so, wie Politiker halt immer wirken, wenn sie sich um Bürgernähe bemühen.
Der Unterschied zu manch anderem Politiker: Gudenus beherrscht das, was er da tut. Er schüttelt alle ihm gereichten Hände mit Elan, seine Fragen wirken interessiert, er erzählt von sich ("Ich war selbst zum letzten mal vor 30 Jahren hier. Aber vielleicht komme ich im Herbst mit meinem Sohn wieder") und wirkt generell so, als mache ihm seine selbst auferlegte Tour Spaß. Dass ihm bereits auf den Stufen zum Amalienbad hinauf die ersten Wähler freudig entgegen gerufen haben ("Ihr seid's die Besten von allen! Ich hoffe, ihr gewinnt's alles, was ihr gewinnen könnt!), mag es dem blauen Vize-Chef erleichtern.
Quer durch alle Magistratsabteilungen
Seit der Wahl schon ist Gudenus auf "Vizebürgermeister-Tour", wie er sie selbst nennt. Das Ziel: alle Magistratsabteilungen der Stadt einmal persönlich zu sehen. "Das ist eine Anerkennung für die Mitarbeiter, die sie sich mehr als verdient haben", sagt er. Nachsatz: "Die roten Stadträte waren oft schon seit 20 Jahren nicht mehr vor Ort."
Wiewohl, und das betont Gudenus während seines Besuchs mehrfach, er freilich nicht in Parteifunktion unterwegs sei - sondern eben überparteilich als Vizebürgermeister. Dass das außerhalb seiner Partei niemand so sieht, versteht sich von selbst. "Ich habe zwar kein Ressort, aber fad wird mir nicht", sagt er. Bei Berufsfeuerwehr, Berufsrettung und bei der Polizei am Praterstern war er (unter anderem) bereits, die MA 48 folgt in Bälde.
Der SPÖ hat er mit diesem Amtsverständis Schlimmes angetan. Statt die uralte Debatte über die unnötigen "nicht amtsführenden" Stadträte weiter zu führen, hat sich Gudenus einfach sein eigenes Ressort gebastelt. Er hat damit gegen eine der fundamentalen Regeln der Wiener Politik verstoßen, die sich etwas vereinfacht vielleicht so darstellen lässt: Wenn jemand in dieser Stadt Hände schüttelt, dann die SPÖ.
Unangemeldete Gäste
Und weil eben nicht sein kann, was nicht sein darf, hat sich die SPÖ auch eine Strategie überlegt, um die unliebsamen Reisen des Blauen zu torpedieren. Das funktioniert wie folgt: Als Gudenus die Zentrale der MA 44 im 3. Obergeschoß des Bades erreicht, erwartet ihn dort nicht nur Dienststellenleiter Hubert Teubenbacher. Auch drei SPÖ-Gemeinderäte springen - ohne ihr Kommen bei Gudenus vorab angemeldet zu haben - hinter einer Ecke hervor. (Und ja, das wirkt auch vor Ort so eigenartig, wie es es sich anhört.)
Sie sind die roten Verfolger des blauen Vizebürgermeisters. Ihre Aufgabe: Gudenus nicht das Feld zu überlassen. Das Prozedere ist mittlerweile bei all seinen Besuchen üblich. Ein paar spitze Bemerkungen, dass sie bereits einige Minuten vor Gudenus hier gewesen seien, können (und wollen) sich die SPÖ-Gemeinderäte nicht verkneifen. Dann beschränken sie sich auf das Essen des angebotenen Kuchens, böse Blicke in Richtung des Vizebürgermeisters und das Knabbern des Bretzel-Mix, den man bereitgestellt hat.
Offiziell sind die drei natürlich dienstlich hier: Markus Schober, Markus Gremel und Silvia Rubik sind Vertreter des Ausschusses “Frauen, Bildung, Integration, Jugend und Personal“ und interessieren sich als solche für die Bäder.
Was Bäder-Chef Teubenbacher zu erzählen und herzuzeigen hat, ist dann auch tatsächlich interessant. Er führt nicht nur durch das Bad, sondern auch direkt in die Katakomben darunter, in denen sich die Technik befindet. Die Maschinerie, die es benötigt, um die Bäder am Laufen zu halten, ist groß.
30 Liter Wasser pro Badegast
Mehr als 500 Menschen arbeiten in den Wiener Bädern. Um die Hygienegesetze einzuhalten, ist viel zu tun. Pro Tag und Besucher müssen einem Becken mindestens 30 Liter Frischwasser zugeführt werden, erzählt Teubenbacher. Einmal im Jahr wird jedes Becken komplett entleert und (innerhalb von zwei Tagen) neu gefüllt und aufgeheizt.
Auch die "lamettabehangenen Bademeister, die in den Augen vieler nur herumsitzen und ins Pfeiferl pfeifen, wenn wer verbotenerweise vom Beckenrand springt", würden viel unsichtbare Tätigkeiten erfüllen, sagt Teubenbacher. Nicht zuletzt seien sie aber zur Stelle, wenn es ernst wird. Und das wird es gar nicht so selten. "Wir kümmern uns um jeden - vom Kleinkind mit dem falschen Schwimmbehelf bis zum 83-Jährigen, der meint, bei 35 Grad die Mittagshitze genießen zu müssen."
Die städtischen Bäder erfreuen sich großen Zulaufs. Im Vorjahr erreichte man - auch dank des Wetters im Sommer - mit mehr als fünf Millionen Besuchern einen neuen Rekord. Für das Minus, dass die Bäder dennoch erwirtschaften, hat Teubenbacher eine Erklärung: Man arbeite mit niedrigen Preisen und vielen Ermäßigungen. Schließlich seien die Bäder für alle da. "Niemand auf der gesamten Welt kann ein kommunales Bad gewinnbringend betreiben", sagt er.
Die Politiker nicken. Gudenus zeigt sich zufrieden. Weil "es mir nicht darum geht, hier Fehler zu finden", sagt er. "Die Mitarbeiter leisten tolle Arbeit, für die Fehlentwicklungen im Gesamtsystem kann der Einzelne nichts. Da ist die Politik gefragt." Seine Verfolger hat er am Ende der Tour durch die MA 44 übrigens fast zur Gänze abgeschüttelt. Sie mussten mittlerweile zu anderen Terminen. Beim nächsten Stopp seiner Tour werden sie wieder hier sein.
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