Bilanz Herdenschutzprojekte
Gelenkte Weideführung mit großem Aufwand möglich
BEZIRK LANDECK (sica). Nach der heurigen Almsaison wurde nun eine Bilanz zu den drei Herdenschutz-Pilotprojekten gezogen. Bezirksbauernobmann Elmar Monz und Peter Frank von der Landwirtschaftskammer Landeck sind sich einig: Eine gelenkte Weideführung mit Behirtung ist durchaus machbar, ein vorbeugender Raubtierschutz durch den täglichen Nachtpferch ist allerdings klar abzulehnen.
Bezirk stark von Wolfsrissen betroffen
In den letzten Jahren war mit Beginn der Almsaison vermehrt die ThematikWolf und große Beutegreifer in aller Munde - Und das kam nicht von ungefähr, denn immer wieder wurden vor allem Schafbauern mit Rissen konfrontiert.
"Uns liegt viel daran, dass die Arbeit mit den Schafbauern im Bezirk trotz der Herausforderungen weiterhin gut funktioniert",
betont der Landecker Bezirksbauernobmann Elmar Monz. Aus diesem Grund konnten in Zusammenarbeit mit dem Land Tirol im Oberen Gericht verschiedene Modelle für den Herdenschutz installiert werden - Die BezirksBlätter berichteten. Schlussendlich wurden an den drei Standorten Spisser Schafberg, Lader Heuberg und Nauderer Schafalm mit der heurigen Almsaison Herdenschutz-Pilotprojekte gestartet.
Erste ernüchternde Bilanz im Juni
Auf den 19 Schaf- und Ziegenalmen im Bezirk wurden heuer insgesamt 4.866 Schafe und 595 Ziegen aufgetrieben und auch heuer blieben Übergriffe durch die großen Beutegreifer Wolf und Bär nicht aus: Im Verwalltal wurden beispielsweise 19 gerissene und 25 vermisste Schafe verzeichnet, es folgte der vorzeitige Abtrieb von 414 Tieren. In Nauders wurden auf der Heimweide ein Schaf gerissen und eines verletzt. Auch der als Pilotprojekt-Region erkorene Lader Heuberg wurde nicht verschont, dort wurden 21 Schafe gerissen und 17 Schafe vermisst.
"Der Vorfall am Lader Heuberg hat gezeigt, dass Herdenschutz im hochalpinen Raum nicht möglich ist. Der Aufwand ist unverhältnismäßig hoch, die Schutzwirkung steht in keinem Vergleich dazu. Aber nicht nur auf den Hochalmen ist die Situation kritisch, wir hatten heuer auch schon Risse in unmittelbarer Nähe zum Siedlungsgebiet. Diese machen deutlich, dass für den Wolf einfach kein Platz in Tirol ist, deshalb braucht es einen praktikablen Umgang mit großen Beutegreifern!“,
zog Elmar Monz Mitte Juni diesen Jahres nach den Übergriffen eine erste ernüchternde Bilanz zum Herdenschutz - die BezirksBlätter berichteten. Gefordert wurde zu diesem Zeitpunkt abermals ein praktikabler Umgang mit den großen Beutegreifern.
Drei Herdenschutzformen
Kürzlich zogen nun aber Bezirksbauernobmann Elmar Monz und Bezirksstellenleiter der Landwirtschaftskammer Landeck Peter Frank eine umfassende Bilanz zu den Herdenschutz-Pilotprojekten im Bezirk Landeck. In drei verschiedenen Formen wurde über die Sommermonate hinweg beobachtet und wissenschaftlich begleitet, welche Umsetzung praktikabel ist. Am Spisser Schafberg wurde der Herdenschutz wie vom Land Tirol vorgeschrieben mit gelenkter Weideführung, Behirtung und täglichem Einpferchen in der Nacht ausgeführt. Am Lader Heuberg probierte man die abgeschwächte Form aus und setzte auf die gelenkte Weideführung mit Behirtung ohne den Nachtpferch, nur bei tatsächlicher Raubtierpräsenz wurden die Tiere vorübergehend abends eingepfercht. In Nauders war es noch lockerer: Dort verbrachten die Tiere den Sommer ohne Nachtpferch und mit wenig gelenkter Weideführung. Die Projektkosten wurden mit Planungsphase im Mai 2021 mit einer maximalen Fördersumme von Seiten des Landes Tirol fixiert: 160.000 Euro für den Spisser Schafberg, 85.000 Euro für den Lader Heuberg und 75.000 Euro für das Projekt in Nauders.
"Zum momentanen Zeitpunkt liegt die vollständige Aufstellung der Projektkosten noch nicht vor. Diverse Posten wie beispielsweise zusätzliches Zaunmaterial sind noch offen, man kann davon ausgehen dass es eine Kostenüberschreitung von mindestens 25 Prozent geben wird",
zeigt Peter Frank auf.
Gelenkte Weideführung ja, täglicher Nachtpferch nein
Unterm Strich kommen Elmar Monz und Peter Frank zu folgendem Ergebnis:
"Es ist deutlich geworden, dass die gelenkte Weideführung mit Behirtung auf unseren Hochalmen mit einem sehr hohen finanziellen und arbeitswirtschaftlichen Aufwand machbar ist. Die Stufe darüber, also gelenkte Weideführung mit vorbeugendem Raubtierschutz durch tägliches Einpferchen ist aus Gründen der Tiergesundheit und des Tierwohls aber dringend abzulehnen."
Generell seien in Sachen Herdenschutz die zwei Faktoren Behirtung und gelenkteWeideführungextremwichtig. "
Trotzdem braucht es ein praktikables Wolfsmanagement. Hier ist die Politik im Winter ganz klar gefordert damit im Frühjahr eine Rechtsgrundlage geschaffen wurde, die vorgibt, wie bei großen Beutegreifen vorzugehen ist",
betont Elmar Monz.
Großer Kritikpunkt Nachtpferch
Die größteKritik erntete beim Rückblick der tägliche Nachtpferch, welche auch durch Zahlen belegt wurde. Ein Vergleich zeigt, dass bei 791 aufgetriebene Schafen am Spisser Schafberg 53 Tiere aufgrund von Klauenproblemen vorzeitig abgetrieben werden mussten und 32 tote Schafe (kein Riss) gemeldet wurden. Am Lader Heuberg gab es bei 483 aufgetriebenen Tieren keinen vorzeitigen Abtrieb und es wurden 33 tote Schafe (21 durch Risse) verzeichnet.
"Die Tiere jeden Tag in den Nachtpferch zu treiben, ist für die Tiergesundheit alles andere als ideal. Während der Almsaison gab es dadurch viele verletzte Schafe, außerdem hatten die Tiere weniger Gewicht als beim Auftrieb",
erklärt Elmar Monz. Alles in allem komme es durch diese Maßnahme zu zu viel Tierleid, weshalb ein Herdenschutz wie am Spisser Schafberg nicht umsetzbar sei. Der Pferch sei jedenfalls eine Gefahr, auch bei tatsächliche Raubtierpräsenz:
"Wenn ein Wolf da sein sollte verfallen die Schafe in Panik und wollen flüchten, was dazu führt dass sie womöglich im Zaun stecken bleiben",
zeigt Peter Frank auf.
Rückmeldung von Auftreibern
Die Auftreiber sprachen laut Monz und Frank unisono ein großesLobfür das Personal aus, welchem sich die beiden auch anschlossen:
"Die Veranwortlichen und alle Beteiligten haben enormes geleistet, das nicht abgegolten werden kann. Dank ihrem Engagement haben die Projekte überhaupt erst so funktioniert."
Rund zwei Drittel der Auftreiber seien wiederbereit, ihre Tiere den Sommer auf einer Projektalm verbringen zu lassen, aber "bei Gott nicht alle", wie Elmar Monz weiß:
"Es hat natürlich auch zahlreiche negative Erfahrungen gegeben, wie den schlechten Zustand der Schafe durch das Einpferchen."
Eine neuerliche Durchführung der Herdenschutzprojekte sei ohnehin nurmöglich, wenn es auch in der kommenden Almsaison eine Unterstützung vom Land gibt. Neben der Grundvoraussetzung, dass die Auftreiber wieder bereit sind mitzumachen, steht und fällt das Vorhaben mit dem Personal: "Nur wenn wir genügend Leute für die Behirtung finden, können wir die Projekte wieder angehen", erklärt Elmar Monz und spricht die große Personalproblematik an. Den zweiten Hirten am Spisser Schafberg habe man etwa zehn Mal nach besetzen müssen und von keinem der heuer tätigen Hirten habe man eine Zusage für den nächsten Sommer bekommen.
Des weiteren brauche es für eine funktionierende Durchführung noch mehr Anpassungen, darunter wäre für Elmar Monz und Peter Frank eine sogenannte Schlechtwetterweide ideal, um die Herde nach dem Auffahren aneinander zu gewöhnen. Die Vertreter sind aber laut eigenen Angaben auf jeden Fall froh, die Pilotprojekte verfolgt zu haben:
"Es ist gut, dass drei verschiedene Formen zur Umsetzung gebracht wurden. Nun haben wir umfangreiche Ergebnisse vorliegen",
sind sich Elmar Monz und Peter Frank einig.
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