Im Diskurs: Das Alter als Meisterstück des Lebens

LANDECK. Mit einem spritzigen und anregenden Abend im voll besetzten Gemeindesaal in Wiesing startete am Montag die Vortragsreihe „Nütze dein Alter“ mit dem bekannten Schweizer Gerontologen Urs Kalbermatten, zu der das Katholische Bildungswerk Tirol und das Juff Seniorenreferat des Landes Tirol in dieser Woche einladen.

„Der Alpenapollo, ein Schmetterling, ist kurz vor seinem Tod am schönsten“, veranschaulichte der Berner Professor gleich zu Beginn des kurzweiligen Vortrags seine Sicht der Lebensphase „Alter“. Das Alter, für Kalbermatten definiert als Zeit zwischen Pensionierung und Tod, ist in den letzten Jahren zu einem längeren Lebenszeitraum geworden als Kindheit und Jugend zusammen. Es könne folglich nicht sein, so Kalbermatten, dass wir diesen Lebensabschnitt, der heute durchschnittlich 20 bis 30 Jahre dauere, buchstäblich im „Ruhestand“ verbringen, unsere Restlebensdauer absitzen und auf den Tod warten.

Wie jemand sein Alter gestalte, liege in dessen ureigensten Verantwortung, denn erstmals entfallen in dieser Lebensphase jene gesellschaftlichen Erwartungen, die den Menschen in allen vorhergehenden Phasen gewisse Verhaltens- und Handlungsregeln vorgeben. „Im Alter entfallen die Normen, wie man sich zu geben hat. Es zeigt sich viel mehr, wer man wirklich ist“, ist Kalbermatten überzeugt. Gesellschaftlich ist das Alter bisher seiner Ansicht nach zu wenig bestimmt. Alter sei mit wenig Status, wenig Aufgaben und wenig Erwartungen erfüllt, was einerseits dem alten Menschen großen Handlungsspielraum biete, andererseits genau dieser Umstand aber auch dem einzelnen große Verantwortung auferlege. „Nicht alle alten Menschen sind dieser neuen Herausforderung gewachsen“, weiß Kalbermatten auch um die Schwierigkeiten, das Alter mit Sinn und Lebensfreude zu erfüllen.

Wie im gesamten Leben sei es auch im Alter unsere Aufgabe, die uns geschenkten Talente zu nutzen, zitiert der Gerontologe eine Bibelstelle. Man müsse sich im Alter wieder neue Fragen stellen: „Was will ich tun?“, „Was will ich erschaffen?“ und letztendlich „Wer will ich werden?“. Dabei gehe es nicht um die Menge oder den Grad des Aktivismus, sondern um die individuelle Sinngebung und Begeisterung.

Wenig kann der Sozialwissenschaftler dem Jugendwahn und der Anti-Aging-Bewegung abgewinnen: „Sich selber zu lieben als alten Menschen, ist wohl eine der größten und wichtigsten Aufgaben“, ermutigt Kalbermatten abschließend seine Zuhörer, das Alter zu bejahen, sich auf die Pension gut vorzubereiten, die gegebenen Möglichkeiten zu nutzen und dem Alter eine eigene Gestalt zu geben.

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