Sankt Martin – ein Europäer, der mit anderen teilt

Mit Laternenumzügen ehren die Menschen in Europa auch 1700 Jahre nach seiner Geburt den heiligen Martin als die große Lichtgestalt des christlichen Teilens
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Zu seinem 1.700. Geburtstag ist klar: In Europa bräuchten wir heute mehr von seinem Schlag

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Die Not der anderen sah er vor seiner eigene Karriere. Grenzüberschreitend war er und hatte den klaren Blick für den Nächsten: Martin von Tours war ein Heiliger, wie ihn Europa in diesen Tagen braucht. Und einer, wie er Papst Franziskus besonders gefällt: ein Christ, der im entscheidenden Moment seines Lebens barmherzig war und "an die Ränder" ging. Der heilige Martin steht für Frieden und Solidarität, für mehr Aufmerksamkeit gegenüber Randgruppen. Er ist Patron der Bettler, der Geächteten und der Kriegsdienstverweigerer.

Mantel mit Bettler geteilt

Geboren vor 1.700 Jahren, um 316/17 im heutigen Szombathely (Steinamanger) in Ungarn, verbringt Martin seine Jugend als Soldatensohn im italienischen Pavia. Und, schließlich selbst Soldat, wie das Gesetz es befahl, dient er als Offizier einer römischen Eliteeinheit. Eine kurze Episode, ein Schlüsselmoment, macht ihn weltberühmt: Vor den Toren von Amiens zerschneidet Martin mit dem Schwert seinen Mantel und teilt ihn mit einem Bettler, der ohne ihn erfroren wäre. In der Nacht darauf erscheint ihm Christus - in der Gestalt des Bettlers, wie um zu sagen: "Was du dem geringsten meiner Brüder getan hast, das hast du mir getan."
Bald darauf macht Martin einen weiteren Schnitt in seinem Leben: Er empfängt die Taufe und bittet in Worms den Kaiser, ihn aus dem Militärdienst zu entlassen. Dieser wirft ihm vor, Feigheit vor dem Feind statt Liebe zu Gott sei sein Motiv. Doch am Ende darf Martin gehen. Er wird Schüler des berühmten Bischofs Hilarius von Poitiers, empfängt von ihm die Priesterweihe und gründet um 360 als Einsiedler im nahe gelegenen Ligugé das erste Kloster Galliens. So gilt dieser Martin als Begründer des abendländischen Mönchtums.

Gänse verraten Heiligen Martin

Seine Art zu Leben und seine Ausstrahlung müssen sich in den folgenden Jahren herumgesprochen haben. Denn als die Bürger im 100 Kilometer entfernten Tours einen neuen Bischof brauchen, wollen sie niemand anderen als den Einsiedler aus Poitiers. Der will zwar nicht und versteckt sich im Gänsestall - doch die (Martins-)Gänse sollen ihn schnatternd verraten haben.
Seit Juli 372 Bischof wider Willen, lebt Martin in Tours weiter im (selbstgegründeten) Kloster. Von Marmoutier am anderen Loire-Ufer aus unternimmt er Missionsreisen. Mehrfach hält er sich in theologischen und kirchenpolitischen Angelegenheiten beim Kaiser in Trier und Mainz auf. Auch Wunderheilungen, etwa in Paris oder 386 in Trier, sind überliefert. Vor allem aber setzt sich Martin immer wieder für Schwächere ein, für Gerechtigkeit und Barmherzigkeit - auch wenn er dafür Härten wie eine Protestnacht im Freien auf sich nehmen muss. Martin, der Menschenrechtler.
Normalerweise wird der Todestag eines Heiligen zu dessen Verehrung ausgewählt. Bei Martin liegt die Sache anders: Er starb am 8. November 396 oder 397, müde und um die 80, bei einem Pfarreibesuch im Örtchen Candes an der Loire. Zwei der mächtigsten Bischöfe der Zeit, Severin von Köln und Ambrosius von Mailand, sollen an Martins Tod gleichsam direkten Anteil genommen haben: Der eine hörte buchstäblich die Engel im Himmel singen; der andere schlief mitten in der Messe ein und ärgerte sich, von den Gläubigen geweckt worden zu sein - so dass er nicht weiter an Martins Beisetzung habe teilnehmen können.
Beide merkten sich Tag und Stunde und erfuhren später die Echtheit ihrer Visionen: Der heilige Martin war tot.

Beisetzung am 11. November

Die Bürger von Tours hatten unterdessen erfolglos auf die Herausgabe ihres verstorbenen Bischofs gedrängt. Am Ende entführten sie den Leichnam bei Nacht und brachten ihn vorsichtig über den Fluss zurück. Und überall am Ufer sprossen plötzlich weiße Blüten: der "Sommer des heiligen Martin" mitten im November! Die Rückführung des Leichnams von Candes über Langeais bis nach Tours, gut 50 Kilometer, dauerte drei Tage; die Beisetzung fand am 11. November statt.
Im Herbst 1996, zum 1.600. Todestag des Heiligen der Barmherzigkeit, besuchte Papst Johannes Paul II. Tours. In der Martinsbasilika traf er mit Armen und Kranken zusammen und sagte während der bewegenden Begegnung:
"Der Zustand einer Gesellschaft zeigt sich daran, wie sie mit den vom Leben Verwundeten umgeht - und welche Haltung sie ihnen gegenüber einnimmt."

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Kindern ist der heilige Martin ein faszinierendes Vorbild des ritterlichen Teilens
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