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Eine Kreuzfahrt, grauslicher Flug mit Türkish Airlines, zwei Anzüge in 12 Stunden und ein verlorener Zahn

Endlich auf AIDAaura, Deck 7, Kabine 7165 mit Balkon. Die Nachbarn halten schon Telefonkonferenzen mit zu Hause ab. Vorher: Reiseunterlagen verschwunden, per Mail nachgeliefert, von Hündchen Sarah tränenreich verabschiedet, ein Quantum Trost ist die zurückgebliebene Mutter als Hundeaufseherin. Flug nach Bangkok - kein AIDA-Flug, sondern First Class mit der angeblich „besten Airline 2013“, Turkish Airlines. Ich merk‘ nix davon. Ich merk mir allerdings: Nie mehr wieder. Vergessen wir den Flug Wien-Istanbul, vergessen wir auch die Lounge in Erdogans Reich, sie macht jedem arabischen Basar alle Ehre. Nicht ganz: Der Apfelstrudel schmeckt nach Demel. Nach Mitternacht ist eh alles egal. Sogar die mittelalterliche 727, mit der wohl schon Atatürk geflogen sein muss. Um es gleich zu sagen: Der Airbus auf der Rückreise war nicht besser. Dass ich dann noch kulinarisch auf etwas Hartes im Humus des Do&Co-Menüs biss und einen Zahn verlor, eine virale Erkältung aufriss und unser Abholer vom Flughafen nicht dort war, wo wir vereinbart hatten, war Präludium und Postludium in einem.

Also AIDA. Noch nicht ganz, denn der Hafen Laem Chabang liegt zwei Autobus-Stunden von Bangkok, dem Ausgangspunkt unserer Reise, entfernt, was wir dank schleißiger Urlaubsvorbereitung nicht wussten. Auf die Schnelle in Deutschland Taxi für Bangkok gebucht - bei Euron - teuer, aber der Taxler wartete am vereinbarten Ort. Nach gefühlten 24 Stunden Flug wäre jede organisatorische Hürde ohnehin mit einem Ausbruch von Gewalt einhergegangen. Die Demos umfahrend, teils auf dem Highway, dann wieder auf grindigen Straßen, im Höllentempo - halbe Stunde eingespart. Warm, 30 Grad, leichte Brise, die AIDA-Maschinerie geleitet dich bis zur Kabine, inkl. Hände desinfizieren. Die Küche ist noch offen, die Nudeln noch warm, die Schirme auf dem Freideck aufgespannt - ein entspanntes Essen. Man sieht nicht die Lastkräne rundum, will nur Ruhe. Inzwischen sind die Koffer in der Kabine, und ein wohlverdienter Schlaf umfängt einen.

Am nächsten Morgen - das Schiff liegt noch im Hafen an der Peripherie Bangkoks - sind wir uns einig, nichts Sightseeing-mäßiges zu unternehmen. Unsere gute Frühstücks-Stimmung wird plötzlich von einer rothaarigen Teufelin in Gestalt einer geifernden Frau unterbrochen. Wir spüren Jedermanns Lust, allein die Tischgesellschaft verdirbt uns den Magen. Es geht ums Essen - so genau weiß ich das nicht mehr, es ist auch nicht wichtig. Ich wünschte nur, Poseidon möge gnädig sein und die Xanthippe noch vor dem Auslaufen aus dem Hafen im Meer versenken. Während der Reise steuert sie noch oft unseren Tisch an. Durch abwehrende Gesten vertreiben wir sie. „Alles besetzt“ lautet unser Standard-Spruch für die nächsten 14 Tage.

Wir – mein Lebensmensch und ich – haben eine AIDA-Tour Bangkok–Ko Samui–Penang–Kuala Lumpur–Singapur–Saigon–Bangkok mit fünf Seetagen gebucht - die braucht man. Die Bus-touristischen Ausflüge vermitteln vieles, aber bei weitem nicht alles. Es ist ein Hineinschmecken, einen Duft riechen, ein Gefühl mit Bildern, multikulturell, multireligiös, manchmal als heidnisch empfunden. Auch der Klang von unbekannten Instrumenten, Glocken zu Ehren der Götter. Großes Staunen, ehrfürchtiges Verharren bei den Betenden. Eine Kreuzfahrt drängt einem Bilder auf, die man bisweilen vergisst, später durch Fotos wieder belebt und Freunde und Bekannte bei einem Treffen quält. Vereinzelt sieht man auch Reisende, die nur auf dem Schiff herumlungern. Das Feuerwerk der optischen Genüsse fordert seinen Tribut. Langsam schleichen die AIDA-Gäste nach den Ausflügen die Gangway hoch, bis auf die Radfahrer. Die sind nach x-Kilometern in praller Sonne immer noch fit. Das Radfahr-Duo Angelika und Günter schwebt zum Abendessen, als wären sie nur am Perron spazieren gegangen. Die Radfahrer sind sowieso die härteste Truppe am Schiff. Frühmorgens sind sie die ersten auf den Beinen und am Abend die letzten, die zum Schiff zurückkehren.

Ein verhaltensorigineller Kapitän - Österreicher (!) - unterhält die Passagiere auf burschikose Art. „Good Morning, Vietnam“ brüllt er ins Mikrophon wie weiland Robin Williams als US-amerikanischer Radiomoderator Adrian Cronauer im gleichnamigen Film, der zur Zeit des Vietnamkriegs spielt. Jetzt sind alle wach. Am Abend, bevor die ersten Weicheier zu Bett gehen, erklärt er, wir - also AIDAaura - fahren zu schnell und laufen Gefahr, den Hafen von Ho Chi Minh-Stadt zu früh zu erreichen. Daher schalte er jetzt ein paar Motoren ab und drehe noch einige Runden um das Mekong-Delta. Soll er nur machen, mir doch egal. Durch den herzerfrischenden Morgengruß geweckt, sehen wir dichte Wälder an unserem Balkon vorbeiziehen, ein Hafen ist weit und breit nicht zu sehen, obwohl wir nach Plan schon vor Ort sein müssten. Die Begründung klingt wie aus dem Mund von Valentin: So wie auf den Straßen Saigons gebe es auch in der Schifffahrt nur wenig Regeln. Die Lotsen wollten ein längeres Mützchen machen, daher gebe es eine verspätete Ankunft. So geht das also. Der Hafendirigent muss sehr gut geschlafen haben, denn die Navigation zwischen den kleinen und sehr kleinen Schiffen ist eine Herausforderung. Auf der Brücke ist man vermutlich gar nicht entspannt, wenn der Lotse AIDAaura wenden, anlegen und vertäuen lässt. Im Schiff sind die Ausflügler quirlig, doch es dauert noch, bis sie von Bord gehen können. Die „Behörden“ haben das Schiff noch nicht freigegeben.

Zuerst wird man am Schiff tiefgekühlt, danach gibt es ein paar Sonnenstrahlen um die 30 Grad und dann geht’s in den tiefgekühlten Bus. Einige husten schon bedenklich. Wir sind in Vietnam, der Guide - Alter schwer zu schätzen („Die Schlitzen schauen eh olle gleich aus“, meint ein Bayer, dem das Bier des Vorabends noch aus den Augen rinnt) - kennt seine Stadt gut. Dass er uns zu einem Mahnmal ‘Amis raus, Ho Chi Minh rein‘ - mit allem Drum und Dran inklusive Panzerbesichtigung schleppt, sei ihm verziehen. Politisch ist Vietnam ein kommunistischer Staat, in der Praxis nicht wirklich. Auch der Nachbar China hat anderes zu tun, als sich um Vietnam zu kümmern. Im Moment streiten sie sogar. Im eigenen Land und auf der anderen Seite der Grenze, wo ein Psycho regiert, ist China massiv beschäftigt.

Wirklich eindrucksvolle Bauten sieht man in Saigon nicht, ja wir blicken auf das im Zuckerbäckerstil erbaute Rathaus und eine Miniausgabe von Notre Dame. Soll bedeuten, wie liberal das Land ist. So lauschen wir den Worten des Stadtführers. Er spricht offen von sozialen Problemen, Übervölkerung, die mit der Ausstattung der Infrastruktur nicht Schritt halten kann. Das Leben in Saigon spielt sich auf der Straße und auf der Schiene ab. Die Garküchen, der schwimmende Markt, die Stände entlang der Eisenbahnlinie – alles wendet sich nach außen. Das Leben spielt sich auch auf den Mopeds ab. 4,5 Millionen soll es davon geben, die Dunkelziffer wird höher geschätzt. Wie Ameisen fallen sie über Straßen her, wirr, verknäult - die Polizei sieht tatenlos zu. Und sollte doch einer/eine den Mut haben, den Verkehr zu regeln wollen, wird er/sie ignoriert. Der Atem stockt, wenn die Busfahrer in die Masse der schwachen Verkehrsteilnehmer hineinfahren. „Es passiert nichts, und wenn etwas passiert, wird das F2F geregelt. Wer nach der Polizei ruft, muss mit allen Schwierigkeiten der Welt rechnen“, sagt der Guide. Jetzt verstehe ich, was der Kapitän unter ‚ungeordnetes Leben‘ meinte. Ich verstehe noch eines: Willst du über die Straße gehen, tu es ohne Rücksicht, man sieht dich und weicht dir aus. Hoffentlich! Am Abend sehen wir uns Saigon nochmals im Hauptabendprogramm an. Aufs Schiff sind alle wohlbehalten zurückgekehrt.

Seetage sind gut für die Psyche. Man verarbeitet das Gesehene, liest Bücher oder zeigt stolz seinen Kindle. Wenn’s mal schüttet - ja, auch das kommt vor - ist die Sauna knallvoll, manch einer bleibt so lange auf seinem Platz hocken, bis ihm der Rotlauf fast das Leben kostet. Die Bio-Sauna ist nicht so sehr gefragt. Gemäßigte Temperaturen, Blick aufs Meer, sanfte Töne, bademantelloses Vergnügen. „Das ist die Dialyse für Weicheier“ meint eine Rothaut. Der Regenguss war nur von kurzer Dauer, die Sonne knallt sehr bald wieder auf die Decks. Die schon Brandgeschädigten arbeiten weiter am Ausbruch eines malignen Melanoms. Auch dürfte Hitze die Sinne verwirren. Die Schiffscrew berichtet von sonderbaren Fragen und Beschwerden: „Warum gibt es keine Ausflüge am Seetag?“, „Hat der Kapitän auch einen Hauptberuf?“, „Schläft die Crew auch auf dem Schiff?“ „Wie oft ist das Schiff schon untergegangen?“ Nun, ich wusste nicht, dass Demenzkranke Kreuzfahrten machen dürfen, oder es ist alles nur erfunden, um Stimmung zu machen.

Manch einer hat im Laufe der Reise medizinische Probleme. Neben den üblichen Seekrankheiten, die mit Dauerkotzen einhergehen, sind Verkühlungen auf der Medizin-Station ein Dauerthema. Dass ein Passagier nach einem Herzinfarkt reanimiert werden muss, oder ein anderer über die Gangway purzelt und sich die Knochen bricht, ist nicht Alltag, aber AIDA ist auch für solch ungewöhnliche Ereignisse vorbereitet. Allerdings, ohne Reiseversicherung in ein vietnamesisches Krankenhaus eingeliefert zu werden, möchte ich mir gar nicht vorstellen.

Auf den Ausflügen sieht man Seltsames. Auf Ko Samui zum Beispiel zeigt man uns zwei Felsen, die Großvater und Großmutter genannt werden. Erst nach eindringlichem Hinschauen ist ein ziemlich verbrauchter Penis und eine – sagen wir mal – matte Scheide zu erkennen. Die Insel erinnert an Mauritius. Auf der Tankstelle werden Cola, Soda und Benzin, der wie Almdudler (nur trüber) aussieht, in Flaschen verkauft. Lassen sie mich ein wenig abschweifen: Benzin in Flaschen gab’s auch im marokkanischen Atlasgebirge. Aus Geldmangel tankte ich immer nur 10 Liter. Das war natürlich ziemlich blöd. Der Tankanzeiger stand bereits unter der roten Marke, als wir mit Ach und Krach zu einer Tankstelle kamen. Dort wurde Benzin in Flaschen verkauft. Wir wollten zwei nehmen, aber nur eine wurde uns verkauft. Touristennepp, an der Tankstelle hätten wir weniger gezahlt. Mit meinem Herzkönig diskutierte ich, was nun zu tun sei. Denn ins Tal wären wir damit nicht gekommen. So fassten wir den ziemlich halsbrecherischen Entschluss, die steile Strecke im Leerlauf zu fahren. Wenn es sie beruhigt: Wir sind unten ziemlich schweißgebadet angekommen.

Ich hatte alle Vorurteile der Welt, was Singapur betrifft. Ich las von einem Verbot Kaugummi einzuführen, es sei denn einen medizinischen (?). Auf der Straße spucken, Papierl wegwerfen, oder zugedröhnt durch die Boulevards ziehen geht hier gar nicht. So war’s uns schriftlich kund getan. Ich erwartete einen totalitären Staat mit Polizei an jeder Ecke, Dreckeinsammler als bestimmende Berufseinheit. So dachte ich. Besorgt schlich ich von Bord, mich immer im Visier von Militärs glaubend. Welch befreiendes Gefühl, als uns der Guide in die Stadt entließ. Nix Polizei, nix Militär, alles ganz normal, die Rikscha-Fahrer spucken auf die Straße, in den indischen, arabischen und chinesischen Vierteln türmt sich der Müll, wie fast überall in Asien. Heimlich und verdeckt schmeiße ich ein gebrauchtes Taschentuch neben den Mistkübel. Niemand belangt mich wegen ungebührenden Verhaltens. Jetzt ist meine Welt wieder in Ordnung, normaler Dreck wie überall. Ach ja, zum Sehen gibt’s ja auch einiges. Zum Bespiel das Vergnügungsviertel Sentosa. Eine Seilbahn, diesmal ausnahmsweise nicht vom Vorarlberger Unternehmen Doppelmayr, führt über den Hafen – wir könnten auf die AIDA runterspucken, tun es aber nicht – zu einer Insel. Hier hat eine abgespeckte Form von Disney-Land Einzug gehalten. Die Hauptattraktion ist Sea World Singapur. Nichts dergleichen habe ich je gesehen, nicht in Barcelona, nicht in Monaco. Mit offenem Mund staune ich über die riesigen Viecher, die oben, unten, seitlich an mir vorbeischwimmen. Nach zwei Stunden glaube ich, an mir selbst Schwimmhäute zu entdecken. Einen Wasser speienden Löwen (Singha siṃha „Löwe“ und Pura pura „Stadt“, bedeutet also Löwenstadt) gibt’s als Zuschlag.

Dann wäre da noch der Flyer, das Riesenrad von Singapur. Mein Co und ich werden mit einem äußerst verliebten Paar in die Gondel gedrängt. Ihnen und uns war das unangenehm. Ihnen, weil ein Quicki in 165 m Höhe ein besonderes Erlebnis gewesen wäre, uns, weil wir das durch unsere Anwesenheit verhindert haben. Um dem Keuchen nicht zuhören zu müssen, widmen wir uns ganz intensiv der Formel 1-Strecke und dem, was sich zu ebener Erde abspielt. Das ist zwar nicht besonders interessant, aber trotzdem muss man es gesehen haben.

Das Raffleshotel, im Kolonialstil erbaut, ist luxuriös und sauteuer. In der Bar ist es erwünscht, die Schalen der Nüsse auf dem Boden zu entsorgen - dies wird meinem Schatz und mir als ungeheuere Attraktion vermittelt. Promis aller Klassen haben schon in diesem Haus genächtigt: Hermann Hesse, Joseph Conrad, Rudyard Kipling, Somerset Maugham, Charlie Chaplin, Jean Harlow, Noël Coward, Ava Gardner, Elizabeth Taylor, Michael Jackson, Königin Elisabeth II. Und – das wird die Tierschützer gar nicht freuen – im August 1902 wurde an diesem Ort der letzte wilde Tiger Singapurs erlegt. Whow, das ist ja ein Straßenfeger, auf jeden Fall ein touristischer. In der Long Bar wird der legendäre Singapore Sling angeboten (Ein Cocktail aus Gin, Kirschlikör, Bénédictine und weiteren Zutaten). Es reicht. Ich ziehe mich auf meine schwimmende Logis zurück, dieses Land ist mir zu unpersönlich. Obwohl ich Dreck machen will, schaut keiner zu.

Die Paradies-Filiale (©Polly Adler) Aida fährt nach Kuala Lumpur weiter. Anders als in Singapur fühle ich mich hier freier, lockerer. Es stehen zwar hier auch eine Menge Hochhäuser herum, aber es ist anheimelnder, gemütlicher. Man muss sich anstellen, will man das höchste Gebäude, den Fernsehturm, erklimmen. Von dort hat man neben einem Teilrundblick (der andere Teil wird renoviert) über die Stadt auch eine gute Aussicht auf die Petronas Towers, das vom Mineralölkonzern Petronas erbaute Wolkenkratzerpaar. Ja, das sind die mit der Brücke dazwischen. Eine Stadtrundfahrt bringt Übersicht. Der Guide füttert die Reisegruppe mit einer Fülle von Informationen, die in diesem Übermaß gar nicht verkraftbar sind. Anders als in Vietnam ging die Entkolonialisierung friedlicher zu. Davon zeugt der Platz der Unabhängigkeit, früher unter der Herrschaft der Briten. Heute ist dieser Platz ein Sportfeld eines Clubs der einstigen Besatzer. Der Verein war als Selangor Club 1884 ein Treffpunkt für gebildete und hochrangige Mitglieder der gegründeten britischen Kolonialgesellschaft. Dennoch ist die Mitgliedschaft in dem Verein nicht nur durch hohe Bildungs- und Sozialstandards, sondern auch von Rasse oder Staatsangehörigkeit bestimmt. Die im Tudorstil errichteten Häuser stehen heute noch und sehen sehr gepflegt aus. Und am Menschenmaterial hat sich bis heute nichts geändert, Briten pflegen hier Urlaub zu machen und Tea-Time zu genießen.

Man kommt nicht alle Tage in eine Zinnfabrik. Busweise kommt touristisches Klientel an und wird in Gruppen durch die Fabrik geführt. Was nicht uninteressant ist. Ein paar arme Teufel müssen für uns am Sonntag zeigen, was man alles mit Zinn machen kann - behämmern, schleifen, biegen – so werden daraus Becher, Teekannen und Wanddekoration hergestellt. Die Verkaufsausstellung bringt der Firma nur wenig Ertrag durch uns. Mein Liebster hat den Zinnbecher, in dem der Welcome-Cocktail serviert wurde, mitgehen lassen. Versehentlich, wie er sagt. Um ihn zu beruhigen, obwohl er gar nicht beunruhigt aussieht, sage ich ihm, dass der Becher eh nix wert ist. Jetzt kugelt er in der Küche für allerlei – Samen zum Beispiel – herum.

Kommen wir nun zu einer anderen Besonderheit der Kreuzfahrt. Kaum wird am Firmament Land sichtbar, schnappt eine gute Anzahl der Nichtausflügler Handys, Smartphones, iPads, Laptops, (die anderen machen das unterwegs), um in WLANfähigen Lokalen wie Starbucks oder McDonald‘s Gespräche zu führen oder/und sinnloses Zeug herunterzuladen. Wer WLAN hat, ist mit der Welt verbunden. Und weil wir nichts anderes zu tun haben, als die Lieben zu Hause zu wecken, um ihnen zu sagen, dass es uns eh gut geht, und um nachzufragen, wie das Wetter daham ist (es war übrigens grauenvoll). Manch Gestörter erledigt seinen Büro-Kram, schaut nach, ob keine Kündigung während des Urlaubs erfolgt ist. Und es gibt auch solche, die ihre Untertanen wenig urlaubsmäßig zusammenscheißen, verbunden mit der Drohung, ohnehin in fünf Tagen wieder im Büro zu sein.

Über das noble Kantinenessen gibt’s wenig zu berichten. Man stellt sich beim Buffet an, fasst selbst Futter aus, von Pizza bis Garnelen, von Spaghetti bis Rindsbraten, Salate, auf die ich noch zu sprechen kommen werde, und Desserts. Am letzten Abend gibt es Hummer, von dem mir extrem graust. Wie mir alles Meeresgetier nicht über den Gaumen kommt und schon gar nicht meine Gedärme beleidigen darf. Diätkuren mit Fisch sind mir ein Gräuel. Omega 3 nehme ich als Essenszusatz, ohne Reinzubeißen, um den stinkenden Tran nicht zu spüren. Übers Essen zu meckern, wäre Jammern auf hohem Niveau. Manche Menschen verbringen vor allem an Seetagen die Hälfte des Tages vor dem Napf. Brainstorming könnte vielleicht helfen, oder auch Kalorienzählen. Vor allem beim Essen von Torten und ähnlichem Süßzeug legen sie atavistisches Verhalten an den Tag. Das Gros der Passagiere muss ohnehin nach der Reise zur Diabetes-Untersuchung. Ehrlich. Den Schokoladen-Trip spürt man spätestens beim nächsten Ausflug. Die keuchende Masse verflucht den Vortrag, nicht einmal der – medizinisch umstrittene – Grappa oder ähnliches Gesöff hilft. Da muss man durch, um bei nächster Gelegenheit ein Déjà-vu-Erlebnis zu haben. Man braucht ja nicht gerade eine kulinarische Süßwaren-Sperre einzubauen, um – wie ich – mit weniger Gewicht das Schiff zu verlassen. Mein Outing tut weh, denn: Meine AIDA-Diät lässt mich manchmal einen geifernden Ton gegen die mit viel Genuss Essenden anschlagen. Es ist ein Jammer, vor allem für mich! Meinem Liebsten ist das nur Recht, will er doch keinen Fettleibigen an seiner Seite. Er ist zum Teil Schuld daran, dass meine Body-Maß-Index-Werte nicht ganz stimmen. Er kocht, wenn er kocht, auf Gault Millau-Niveau. Essen ist für mich ein Glückszustand, nicht dass ich viel esse, aber sehr oft zu den blödesten Zeiten. Wenn man dann des Nächtens 10 Mal pinkeln gehen muss, der Magen/Darm-Trakt verrückt spielt, sich zur ungünstigsten Zeit entleert und man in Folge schlecht schläft, schwört man, den übermäßigen Genuss zu reduzieren. Da ich diesen Zustand nicht aussitzen kann, meine Hirnwindungen nicht bereit sind, mich zu zügeln und Sport nur ein Fremdwort ist, lasse ich jetzt einen plastischen Chirurgen an mich ran. Cool Sculpting nennt sich die neue Methode zum Abnehmen. Fettzellen werden durch Kälte abgeschmolzen, wie die Pasterze im Klimawandel.

AIDA ermutigt die Gäste, von der Landeskost zu probieren und warnt gleichzeitig davor, denn diese könnte für einen Mitteleuropäer möglicherweise nicht zuträglich sein. Wer trotzdem eine der tausenden Garküchen testen will, sollte immer Immodium (ein Stuhlbremser) dabei haben. Vor vielen Jahren aß ich von der Schiffsküche auf einer Nilkreuzfahrt. Die Folge: Durch Kotze und Dünnschiss habe ich sämtliche Tempel von Luxor bis Assuan entweiht, und ich hatte keine Unterhosen ohne Beistrich (Ernst Happel, wenn die Fußballspieler Angst vorm Gegner hatten). Aber das ist eine andere Geschichte.

Nach Bangkok zurückgekehrt machen wir noch einen asiatischen Atemzug in eigener Sache. Schlendern ist nicht mein Ding, auch wenn mein Herzkönig das gerne möchte. Gezielt steuern wir mehrere Malls an, die wir schnell wieder verlassen, weil es dort so überlaufen und/oder fad ist. Der Liebste erinnert sich aus einem vorherigen Urlaub an eine Schneiderstraße. Sein sonst eingeschaltetes inneres Navi versagt kläglich. So wanken wir durch eine Schrottstraße. Meter um Meter sind wir eingekeilt zwischen Altmetallhalden. „Frag jemand“, herrsche ich ihn an. „Wo ist deine blöde Schneiderstraße?“ Normalerweise bekomme ich auf Zornesausbrüchen keine oder eine pampige Antwort. Diesmal ist es anders. Weil auch er bereits herumtorkelt, als hätte er schon 10 Wodka (er ist gebürtiger Pole) getrunken, hält er auf einen älteren Thai zu, um ihn zu fragen, wo Schneider zu finden seien. Ja, er weiß einen solchen, zuerst müssen wir uns die Uni ansehen (gottlob nur von außen), in der er als Professor für Englisch unterrichtet, und dann noch eine verhutzelte Pagode. Er spricht ohne Unterlass, er findet es aufregend, Österreicher zu treffen, packt all sein Wissen über die Alpenrepublik aus. Es fehlte gerade noch, dass er uns zu einer Straßenküche einlädt. Endlich winkt der Akademiker einen Tuk Tuk-Fahrer heran und trägt ihm auf, uns zu einem der begehrten Schneider zu fahren. Für umgerechnet 40 Cent kurvt dieser in Höllentempo durch die Straßen Bangkoks. Ängstlich glauben wir an eine Entführung und denken daran abzuspringen, bis der Fahrer plötzlich mit einer Kavaliersbremsung vor einem Näh-Shop stehen bleibt. Er grinst uns mit seinem zahnlosen Mund an, als wollte er sagen, „ihr Hosenscheißer, so fährt man in meiner Stadt“. Noch sind wir schwer vom Trip beschädigt, stürzen sich schon Männer auf uns, zerren uns ins Geschäft – ich denke schon wieder an Entführung – und nehmen Kleidungsatlanten aus den Regalen, um zu fragen, welche Kleidung gewünscht wird. Mein Co hat sich schneller im Griff, lehnt alles, was die Kleidungsbücher beinhalten, ab und sagt selbstbewusst: „Sakko mit Stehkragen, so etwas, wie der Nehru hatte“. „Kein Problem“ hören wir noch oft bei dem einstündigen Meeting. Es ist auch kein Problem, je zwei Sakkos zu machen, weil‘s billiger wird, behaupten die Keiler. Schon wird herumgemessen, die Daten eingetragen, und im Vorbeigehen wird uns noch je eine Hose aufgeschwatzt. Soll sein. 500 Euro soll der Spaß aus Kaschmir kosten. Höre ich richtig: 500,- für vier Sakkos und zwei Hosen. Feilschen, sagt das Gewissen. Bei 450 Euro schlagen wir ein und die Kreditkarte rattert durch den Terminal. Vorher flüstern wir den Auftragnehmern noch zu, dass die neue Teile bis 8 Uhr am nächsten Tag im Hotel sein müssen mit vorheriger Anprobe. Sie kennen die Antwort schon: Kein………………. Punkt 23,30 erscheint ein Bote mit Schneidererfahrung im Hotel. Nachdem wir schon halbnackt vor dem Spiegel im Badezimmer stehen, geht die Anprobe schnell vonstatten. Es gibt ein paar Kleinigkeiten zum Nachjustieren. Der freundliche Inder bietet an, das Erworbene nachzusenden. Auf keinen Fall! Ich erinnere mich an die Nachsendung eines Teppichs aus Tunesien. Zollgebühren, Lagergebühren, Formulare ohne Ende, blöde Fragen der Zöllner, ob der Preis tatsächlich als real anzusehen ist. Fast hätten sie einen Sachverständigen angefordert – niemals wieder lasse ich mir etwas nachsenden. Der junge Mann spricht zwar nicht von „kein Problem“, aber er nimmt mit fernöstlicher Ruhe das Telefon in die Hand und wählt eine Nummer, unter der sich eine bald wild kreischende Frau meldet. Ich fühle, dass sie kaum vom Gedanken beseelt ist, knapp nach Mitternacht Korrekturen an vier Sakkos zu machen. Ich liege um 0:30 Uhr schon im Bett, um 1 Uhr hat der Inder die Krachmacherin überzeugt, dass kein Weg an der Änderung vorbeiführt, um die Kaschmir-Fetzen in perfekte Form zu bringen. Um 8 Uhr berichtet uns der Concierge, dass die Lieferung um 5 Uhr eingetroffen ist, er uns aber nicht wecken wollte. Gnade ihm Gott, wenn er’s getan hätte.

Zu Hause überkommen uns Zweifel an dem kostengünstigen Deal. Wahrscheinlich haben die einen Analog-Stoff verwendet, der nach einem Jahr in der Sonne schmilzt. Von so niederträchtigen Gedanken gequält, zeigen wir einer Damenrunde unser Erworbenes. Das ist Kaschmir vom besten, sind sie überzeugt. Jetzt kann ich mich dem Husten hingeben, der mich drei Wochen quälen sollte und erst durch eine Cortison-Kur beendet wurde.

Aidaaura Plus

+ AIDA-Kreuzfahrt ist immer noch der schönste Urlaub
+ die Shows an Deck und im Theater
+ der Comedianauftritt von Marco Ströhlein war vom Feinsten
+ die Saunen mit Blick aufs Meer
+ das Marktrestaurant
+ sehr freundliche Kellner – durchwegs Inder und Filipinos, wenn sie nicht gerade die Schirme am Freideck aufspannen müssen. Für einen paar Cent machen sie das sogar lächelnd.
+ tolle Ausflüge (besonders der Guide in Kuala Lumpur war Extraklasse)
+ Gute Infos für die Häfen.

AIDAaura Minus:

- Im Restaurant Calpyso machen zwei deutsche Mitarbeiter Dienst, die den Gästen gegenüber keine Manieren haben. Ich sage: Gibt es zum Salatbuffet keinen Zwiebel? Antwort des ersten:
ich soll nochmals nachschauen (Herr Spitz, der sich auch gegenüber ausländischen Mitarbeitern Herrschaftsgebärden herausnimmt); der zweite: der Zwiebel ist in der Salatrotation nicht vorgesehen. Dass dann meiner Beschwerde beim Küchenchef spreche, ist zwar gutes Beschwerdemanagement, aber eigentlich Peanuts.
- Manche Damen an der Rezeption können ziemlich pampig sein. Ein älterer Herr bittet nach der Bezahlung um die Ausstellung einer Rechnung. Machen wir nicht mehr, ist die knappe Antwort. Er könne sich die Rechnung selbst ausdrucken. Kann er nicht, weil er keine Internet hat. Trotzdem wird er wie ein Idiot stehengelassen.
- WLAN – Empfang sehr schleppend bis gar nicht, und sauteuer.
- Bocciaspielen auf einem Platz, an dem andere Gäste die Abendsonne genießen wollen, geht gar nicht.
- Der Guide der Nachttour in Saigon war der deutschen Sprache nicht wirklich mächtig.

Die nächste gleiche Kreuzfahrt findet vom 8.-22.12.2014 statt. Ähnliche Kreuzfahrten finden vorher und nachher statt, diese werden teilweise bis nach Indien weitergeführt.

Infos und Tickets: www.aida.de

Reinhard Hübl

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