Alles ist Liebe - auch verbotene oder eine, die zum Mord führt
Im Wiener Konzerthaus treffen im Rahmen der „Great Voices“ vier Giganten der Opernszene aufeinander: Anna Netrebko, Ekaterina Gubanova, Ildar Abdrazakov und Yusif Eyvazov anstelle von Alexsandrs Antonenko. Eyvazov wird im Steinbruch von St. Margarethen den Cavaradossi in der Tosca singen. Im italienischen Programm zwischen Verdi und Puccini geht es um Liebe - verbotene Liebe, verhinderte Liebe, erzwungene Liebe, tödliche Liebe. Die Libretti sind – sagen wir mal – in der Vielzahl sehr banal: „Oh Wollust, voller Pein! Glück und Qual im Bunde“ oder „Unglückliche! Und du glaubtest sie dein, diese schöne, unberührte Liebe“, und so weiter.
Einen Einspringer hat man dann gerne, wenn er nicht nur eine professionelle Ansage macht, sondern wenn er sich auch für höhere Aufgaben empfiehlt. Der Mann aus Algerien macht das. Und dass er der Verlobte von Anna Netrebko ist, ist auch kein Fehler. Freilich, er braucht keine Protektion, das beweist er im Konzerthaus. Der Tenor Yusif Eyvazov erweist sich als sehr wandlungsfähiger Sänger. Im Konzert bringt er als Otello seine Frau Desdemona um ( auch in Ravenna), als Prinz Kalif zwingt er Turandot zur Liebe (Prag), als Cavaradossi wird er wegen seiner Liebe zur falschen Frau ermordet (St. Margarethen und Moskau) und an mehreren Orten Italiens lässt er sich aus Liebe zu Aida einkerkern - auch das endet bekannterweise letal.
Es ist ein schweißtreibendes SängerInnen-Fest, schweißtreibend vor allem für den Dirigenten Marco Armiliato. In der anfänglichen Sinfonia Verdis „La forza del destino“ forciert er ein unglaubliches Tempo, dem das Radio Symphonieorchester kaum folgen kann. Sonst dirigiert er die Aufführung sehr nach den Bedürfnissen der Akteure und steuert in den Intermezzi einen aufregenden Kurs. Noch ein Wort zum Orchester: Die Damen und Herren sind schon in Urlaubslaune, dennoch - es ist das beste Ensemble, dass „Great Voices“ im Rahmen der Elite der SängerInnen-Schar bisher aufgeboten hat. Ich hoffe, es bleibt so.
Zu den Sängerinnen: Netrebko ist Aida und Desdemona, sind singt beide Rollen in atemberaubender Virtuosität, man spürt ihr Leid, unschuldig ermordet zu werden, ein anderes Mal mit ihrem Geliebten ins Grab zu steigen. Der Mezzosopranistin Gubanova ist die Rolle des bösen Weibes zugedacht. Sowohl in Aida als Amneris, wie auch als Santuzza in Cavalleria Rusticana versucht sie Liebeleien zu hintertreiben. Und das macht sie mit großem Enthusiasmus. Diese Frau möchte ich nicht zur Feindin haben. Bleibt noch der russische Bass Abdrazakov, der weltweit seine Spuren hinterlassen hat. Ihm bleiben die singulären Verdi-Rollen Ernani und Attila. Ein unglaubliches Stimmvolumen, feine Nuancen - eine Stimme, die man lieben muss. Vor allem ist er kein Gröler, der seinen Part irgendwie herunterorgelt. Ich würde ihn gerne in Don Carlos als König Philipp II hören, aber dafür ist er wohl noch zu jung. Völlig klar, Netrebko ist das Zugpferd, aber ohne die anderen Protagonisten wäre ein Feld musikalischer Vielseitigkeit unbeackert geblieben.
Das Gesamtpacket ist zur Gala geadelt. Eine Aufführung, die man selten erleben darf. Ich reihe es unter „denkwürdige Konzerte“ ein.
Next: Juan Diego Florez, am 10.11.2015 im Wiener Konzerthaus.
Infos und Tickets: www.konzerthaus.at
Reinhard Hübl
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